"Where have all the Cowboys gone?" sang die bezaubernde Paula Cole anno 1996 und eine ähnliche Frage muß sich auch Billy Bob Thornton - Oscarpreisträger für "Sling Blade" und deutlich
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älterer Ehemann und Blutspender von Angelina Jolie - gefragt haben. Also suchte er sich als Regiearbeit "All die schönen Pferde" aus, eine Geschichte Cormac McCarthys, die 1992 amerikanische Belletristik-Hitlisten stürmte. Um Cowboys geht es da, jene Cowboys, die eine längst aussterbende Spezies sind und den letzten Ritt down south nach Mexiko machen, um noch einmal den Geschmack von Freiheit zu spüren. Hört sich verdächtig nach verlogener Marlboro-Romantik an und ist es leider größtenteils auch. Und daß man den Anachronismus Cowboy auf ebenso anachronistische Weise darstellt, macht zwar irgendwo Sinn, ist aber hinsichtlich des Ergebnisses ein ziemliches Desaster.
Um das Szenario nicht arg zu unglaubwürdig zu machen, befinden wir uns im Jahre 1949, einer Zeit, in der die letzten großen Farmen verkommen oder verkauft werden. So auch die der texanischen Familie Cole. John Grady Cole (Matt Damon) überredet seinen Kumpel seit Kindestagen, Lacey Rawlins (Henry Thomas) mit ihm nach Mexiko zu reiten, um dort auf einer Ranch so lange wie möglich das Cowboyleben zu genießen. Kaum aufgebrochen, kündigt sich schon Ärger in der Form des jungen Jimmy Blevins (Lucas Black) an. Irgendwie ist dem Bubi nicht zu glauben, daß sein Pferd wirklich seines ist und auf der Flucht scheint er auch zu sein. Trotz eines schlechten Gefühls
nehmen den kleinen Lucas Black in die Mitte. |
lassen Cole und Rawlins ihn mitreiten und helfen ihm sogar dabei, seinen weggelaufenen Gaul zurückzuholen (und damit Pferdediebstahl zu begehen). In Mexiko finden die Beiden dann schließlich Arbeit auf der riesigen Ranch von Don Rocha (Rubén Blades), der besonders von John Grady Coles Umgang mit Pferden beeindruckt ist. Dieser wiederum ist mehr als nur fasziniert von Rochas bildhübscher Tochter Alejandra (Penelopé Cruz). Womit der Schlamassel für John Grady Cole und Lacey Rawlins erst so richtig anfängt...
Sind Billy Bob Thornton und Robert Redford Brüder im Geiste? Man mag es fast vermuten, denn ein derartiges Maß an falschem Sentiment und - ja, man darf es sagen - Edelkitsch erlaubt sich sonst eigentlich nur der "Pferdeflüsterer". Womit wir schon beim richtigen Stichwort sind. Ähnlich wie damals Redford nimmt auch Thornton einen nationalen Bestseller, ein so richtig schön durch und
Cruz und Matt Damon baden bei Vollmond. |
durch amerikanisches Buch, und dreht es nochmals durch den Kitschwolf. Die Tagline des Films "Manche Leidenschaften bleiben unbezähmbar" wiederum erinnert an einen anderen Epigonen.
In Edward Zwicks "Legenden der Leidenschaft" war Brad Pitt der Schönling mit Freiheit im Herzen, hier ist es Milchgesicht Matt Damon. Und hier wie dort ist die Geschichte überladen, wird auf einfache Entwicklungen noch eins drauf gesetzt, um episch zu wirken. So weit die Parallelen. Der Hauptunterschied: Während der mit Schicksalsschlägen überhäufte Plot in "Legenden der Leidenschaft" funktionierte, hat man bei "All die schönen Pferde" spätestens nach der Hälfte des Films jegliches Interesse an Plot und Figuren verloren. Zu eindimensional sind die Charaktere, zu uninteressant die Geschichte. Dazu durchsetzt mit unglaublichen Kitschornamenten, auf daß der irgendwo bei dem roten Sonnenuntergang versteckte Mariachi ewig eine einsame Melodie in die Nacht trötet...
Vielleicht hätte sich Billy Bob Thornton klarmachen müssen, daß die Cowboys früher auch "Shitkicker" gerufen wurden, und das sicherlich nicht zu Unrecht. Aber in seiner Wildwestwelt bleiben Cowboys immer schmuck und sauber. Matt Damon bekommt zwar ein paar dekorative Narben ins Gesicht, aber die sind hauptsächlich dazu da, ihn zum erwachsen gewordenen, gestärkten Mann zu stilisieren. Und ansonsten hängt Herr Thornton halt ein gegenlichtdurchflutetes
Cowboys werden bem Branding abgelenkt. |
Bild an das andere und läßt alle zehn Minuten ganz romantisch einen Haufen Pferde durchs Bild hoppeln. Daß die Photographie an sich vorzüglich ist, verblaßt angesichts dieser manipulativen und schlichtweg gelogenen Schönfärberei.
Matt Damon und Henry Thomas - letzterer endlich dem "E.T."-Trauma entwachsen - machen ihre Sache als simple Burschen vom Lande grundsätzlich nicht schlecht, leiden aber unter einem Skript, das entsetzlich uninspiriert ist. Drehbuchautor Ted Tally, dank seiner oscarprämierten Adaption von "Das Schweigen der Lämmer" hochgeschätzt und wahrlich kein Schlechter, muß ob seiner Begeisterung für die Vorlage den Blick auf Realitäten verloren haben: Wer einer Figur Sätze wie "Nach all diesen Jahren in diesem Gerichtssaal hatte ich den Glauben an das Aufrechte im Menschen verloren, aber Sie, mein Junge, haben ihn mir hier heute wiedergegeben" in den Mund legt, hat eigentlich Backenfutter verdient. Zumindest aber schmähende Mißachtung.
Daß auch Thonton es durchaus besser kann, blitzt nur ganz selten unter all dem Zuckerguß hervor, etwa bei einer Messerstecherei in einem Gefängnis. Diese Szene ist so, wie der ganze Film hätte sein sollen: Ungeschönt, zupackend, intensiv. Leider erhörte man ansonsten nicht den Ruf der Wildnis, sondern den Ruf von Klischee und Konvention. Man will all die schönen Pferde ja nicht gleich als durchgerittene Gäule bezeichnen, aber auch die Moral von der Geschichte ist so öd und falsch wie der Rest des Films. Am Ende bleibt der Cowboy moralisch aufrecht, aber allein. Und einzig sein Pferd darf ihn lieben. Nichts Neues aus dem Marlboro Country.
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