Die sogenannte #MeToo-Bewegung hat in den USA ein Beben ausgelöst, das selbst Größen wie Harvey Weinstein, Kevin Spacey und Louis C.K. in den Abgrund reißt. Bei der kommenden Oscarverleihung dürften deshalb die offenbar systematischen Übergriffe in Hollywood stark im Fokus stehen. Noch vor gerade einmal zwei Jahren diskutierte die US-Filmszene intensiv über ein anderes Problem: die „#OscarsSoWhite“. In sämtlichen Darstellerkategorien waren damals nur hellhäutige Menschen nominiert worden.
Dass kurz vor der diesjährigen Preisverleihung die Comic-Verfilmung „Black Panther“ mit fast ausschließlich nicht-weißen Schauspielern in den Kinos startet, wirkt in Anbetracht der mittlerweile verlagerten Schwerpunkte fast wie ein zu spät eingereichter Debattenbeitrag. Doch weil Marvel schwierige Themen wie Rassismus, Flucht und Krieg nicht nur anschneidet, sondern ins Zentrum seiner Geschichte rückt, könnte dieser Film in den nächsten Wochen für viele Schlagzeilen sorgen – und kommende Hollywood-Blockbuster erheblich beeinflussen.
Etwas mehr als 50 Jahre nach seinem ersten Auftritt in den Marvel-Comics feiert Black Panther seine Solofilmpremiere. Bereits vor zwei Jahren spielte er im internen Superheldenkampf „Civil War“ eine wichtige Rolle: Nach dem Tod seines Vaters begab sich T‘Challa in eigener Mission auf die Suche nach dem Mörder; am Ende landete Bucky Barnes im künstlichen Tiefschlaf in Wakanda. In jenen fiktiven afrikanischen Staat kehrt der von Chadwick Boseman gespielte T‘Challa nun zurück, um dort die Nachfolge seines Vaters als König anzutreten. Gleichzeitig beschäftigt ihn die Frage, welche Rolle sein Land in der modernen Welt spielen soll. Es ist wohlhabend und verfügt dank reicher Ressourcen über eine extrem fortschrittliche Technologie, präsentiert sich nach außen jedoch als Dritte-Welt-Staat. Unmittelbar nach seiner Krönung bricht T‘Challa gemeinsam mit zwei Kämpferinnen – darunter seine Exfreundin Nakia (Lupita Nyong‘o) – zur Jagd nach dem Waffenschieber Ulysses Klaue (Andy Serkis) auf. Dass die eigentliche Gefahr für ihn, sein Königreich und zahlreiche Menschen in Wakanda selbst lauert, ahnt der Superhelden-Politiker nicht.
Wie genau das Unheil seinen Lauf nimmt, soll mit Rücksicht auf die eher unkonventionelle Plot-Entwicklung nicht verraten werden. Zumindest in einem Blockbuster ist es aber selten zu erleben, dass das zentrale Problem nicht Habgier oder Größenwahn, sondern Rassismus heißt. Sowohl persönliche Erfahrungen als auch die Frage nach den erlaubten Mitteln, um Rassismus zu bekämpfen, nehmen in „Black Panther“ viel Raum ein. Wer hier am Ende aus welchen Gründen wen besiegen muss, ist zumindest in Anbetracht der Ausgangslage etwas überraschend. Dabei gibt es sowohl einseitig-diabolische als auch komplex-tragische Bösewichte.
Spätestens als der Cast bekannt wurde, war klar, dass „Black Panther“ kein gewöhnlicher Blockbuster wird. Im gesamten Film sind nur zwei relevante Figuren hellhäutig. Auch die Crew wurde divers besetzt – an erster Stelle natürlich Ryan Coogler („Fruitvale Station“, „Creed“) als Regisseur und Drehbuchautor. Doch bei den Personalien ist es eben nicht geblieben. „Black Panther“ ist auch inhaltlich außergewöhnlich politisch geworden. Neben dem dauerhaft präsenten Rassismus sind beispielsweise auch die Auslandseinsätze der USA ein Thema – vor allem für die Entwicklung des Bösewichts. Und wenn ein Charakter an einer frühen Stelle sagt, dass Wakanda nicht alle Flüchtlinge der Welt aufnehmen könne, erinnert das fast an die Argumente in einer Bundestagsdebatte. Dabei schlagen die Figuren auch mal höchst fragwürdige Töne an, etwa wenn sie erklären, dass eine bestimmte Person vor allem deshalb bekämpft werden müsse, weil sie „nicht von hier“ sei. Der Stolz auf die Nation Wakanda springt sämtlichen Charakteren förmlich aus der Brust.
Die zentralen Motive der Handlung zeigen sich auch in der Präsentation. So lässt die Eröffnungsszene auf einem Streetballplatz, in der die Kamera um die spielenden Kinder herumwirbelt, erst einmal nicht zwangsläufig auf einen Comic-Blockbuster schließen. Über die gesamte Dauer dominiert Rapmusik auf der Tonspur – selbst in einer hervorragend choreographierten Autoverfolgungsjagd. Ähnlich wie in der „Batman“-Trilogie von Christopher Nolan fühlt sich „Black Panther“ über eine lange Zeit nicht wie eine typische Comic-Verfilmung an.
Leider gibt es erzählerische Schwächen. Abgesehen von einer großen Wendung ist meistens ziemlich klar, was passieren wird. Die ganz große Spannung kommt nicht auf. Zudem handeln die Charaktere in entscheidenden Momenten nicht immer plausibel. Insbesondere der Übergang in den letzten Akt wirkt gehetzt, was dem großen Showdown einiges an potentiellen Emotionen raubt. Diesen Schwächen stehen interessante Figuren, der typische Marvel-Humor, überragende Schauwerte und mitreißend inszenierte Actionszenen gegenüber. Die Bewohner von Wakanda setzen ihre Technologie auch in den Waffen ein – und das sorgt für Momente, die trotz der Flut an Comic-Verfilmungen ziemlich frisch und aufregend wirken.
Sollte „Black Panther“ in gewohntem Marvel-Maß ein Erfolg an den Kinokassen werden, könnte Hollywood künftig einen stärkeren Fokus auf Minderheiten und politische Botschaften setzen. Zuletzt haben ja bereits die neuen „Star Wars“-Filme und „Wonder Woman“ gezeigt, dass auch Frauen in den Hauptrollen von Actionfilmen die Kinosäle füllen können – etwas, was in Anbetracht der üblichen Besetzungen zuvor wohl stark bezweifelt wurde. Ein weiblicher James Bond ist da wohl nur noch eine Frage der Zeit und könnte allein aus kommerziellen Erwägungen heraus bald eine ernsthafte Option sein. „Black Panther“ besitzt übrigens ebenfalls starke Frauenfiguren – sowohl im Kampf als auch in der Kommunikation mit den männlichen Figuren. Die jugendliche Erfinderin Shuri (Letitia Wright) beispielsweise dürfte mit ihrer respektlosen Art zahlreiche Sympathien gewinnen.
Selbst im Geschlechterkampf ist Marvel nun also auf Augenhöhe mit DC. In nahezu allen anderen Punkten scheint Marvel seinem Konkurrenten derweil uneinholbar enteilt. Es hat nicht nur das bessere Konzept für sein filmisches Universum (sofern DC überhaupt eines hat), sondern auch die stärkeren, interessanteren und abwechslungsreicheren Beiträge. Nachdem die Fortsetzungen zu „The Avengers“ und „Guardians of the Galaxy“ noch den Eindruck erweckt hatten, dass die Luft bald raus sein könnte, fühlt sich das cineastische Marvel-Universum derzeit so frisch an wie schon lange nicht mehr. Dem irrwitzigen Raum-und-Zeit-Geschiebe in „Doctor Strange“ und der farbenfrohen Retro-Spaßbombe „Thor: Tag der Entscheidung“ folgt nun der politisch extrem aufgeladene „Black Panther“. Die Filme von Marvel sind derzeit nicht nur gut und unterhaltsam – sie sind auch relevant. Im gegenwärtigen Blockbusterkino ist das fast schon ein Alleinstellungsmerkmal.
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