In den Videotheken verschimmelt seit gut einem Jahr ein Film der Extraklasse - made in Austria.
"Funny Games" schlägt so tief in der Magengrube ein, daß man sich nach Genuß dieses morbiden Filmexperiments tunlichst nur noch ins Bett legen sollte.
Regisseur und Drehbuchautor Michael Haneke ist für seine sehr anspruchsvollen und speziell medienkritischen Filme besonders in Österreich eher berüchtigt als berühmt. Nicht zum ersten mal schoß er sich bei "Funny Games" auf das ausgelatschte Thema "Gewalt im Kino" ein - aber hier auf außergewöhnliche Art und Weise. Wo andere Projekte wie "Natural Born Killers" mit Kanonen auf Spatzen zielen, benutzt Haneke Dartpfeile - aber Schmerzen verursacht "Funny Games" dennoch, und nicht zu knapp.
Ein nettes Ehepaar (Ulrich Mühe/Susanne Lothar) mit Sohnemann bezieht in seinem üppigen Ferienhaus am See Quartier. Nichts kann die Idylle trüben, so scheint es, auch nicht die beiden debil-höflichen Jünglinge Peter und Paul, die an die Tür klopfen und sich nur ein paar Eier ausleihen wollen.
Aber der Besuch will irgendwie gar nicht mehr gehen, und so wächst sich die Bitte um Lebensmittel stetig und in aller Ruhe zu einer der gräßlichsten Gewaltorgien aus, die je filmisch dargestellt wurden.
Wer Peter und Paul überhaupt sind, was sie wollen und warum sie eine ganze Familie eine Nacht lang zu Tode quälen, darüber läßt Haneke uns genauso im Dunkeln wie die Opfer seines monströsen Duos.
Der weitere Inhalt von "Funny Games" besteht nämlich aus nichts weiterem als der Agonie der drei unschuldigen Urlauber - und dem zynischen Psychopathenhumor von Peter und Paul (Frank Giering, Arno Frisch), die mit abstoßendem Wiener Akzent nichts anderes vorhaben, als Leiden zu verursachen.
Das namenlose Grauen von "Funny Games" entsteht lediglich im Kopf des Zuschauers, denn fast alle Gewaltszenen spielen sich im off ab. Es sind auch gar nicht viele, schwerer wiegen vielmehr die ins Nichts führenden verzweifelten Dialoge mit den weiß behandschuhten Peinigern. Und die Reaktionen ihrer Opfer, die minutiös festgehalten werden - mit quälend großkalibrigen Einstellungen von bis zu zehn Minuten Länge. Im Zusammenspiel mit der großartigen schauspielerischen Leistung von Susanne Lothar und Ulrich Mühe (man soll es nicht glauben, aber die beiden haben wirklich einiges drauf) ergibt diese Technik eine solche Authentizität, daß man als Zuschauer im Wortsinn mit-leidet.
Was nun überhaupt die Motive für diese Höllennacht sind, diese Antwort erfolgt erst gegen Ende des Films - und damit liefert Michael Haneke auch eine überwältigende Daseinsberechtigung für seine beinahe voyeuristische Darstellung. Die Spitze des Films, der Dartpfeil sozusagen, dreht sich nun um 180 Grad - und zeigt mitten ins Gesicht des Zuschauers.
"Funny Games", für den es unter anderem in Cannes eine Auszeichnung gab, ist ein grandios gemachter Film mit beängstigend guten Schauspielern. In kräftigen Linien zeichnen sie unter Hanekes Regie ein Bild, dessen philosophischer Twist den Zuschauer lange nicht mehr losläßt.
Wenn man keine nette Unterhaltung mit Actioneinlagen erwartet, ist dieser österreichische Film (1997) meiner Meinung nach einer den besten im Videoregal.
Land
Jahr
1997
Laufzeit
103 min
Genre
Regie
Bewertung
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