"Fences" ist die Adaption eines Theaterstücks des berühmten afro-amerikanischen Dramatikers August Wilson, der für dieses Stück 1987 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde und als der vielleicht bedeutendste Dramatiker des schwarzen Amerika im 20. Jahrhundert gilt. Einer seiner großen Verehrer ist Denzel Washington, der die Hauptrolle in "Fences" 2010 über mehrere Monate in einer Aufführung am Broadway spielte, und sich damals offensichtlich in den Kopf gesetzt hat, daraus auch einen Kinofilm unter eigener Regie zu machen, erneut in Zusammenarbeit mit seiner damaligen Bühnenpartnerin Viola Davis. Das Resultat wird in den USA hochgelobt und ist der diesjährigen Filmpreis-Saison allgegenwärtig - auch bei den Oscars dürfen sich Washington und Davis gute Chancen auf jeweils einen Darsteller-Preis ausrechnen. In der Tat ist "Fences" fraglos ein starkes Drama mit herausragenden Schauspielleistungen, als Kinoerlebnis krankt der Film aber ein wenig an der spürbaren, übergroßen Ehrerbietung, die seine Macher der Vorlage entgegen bringen.
Im Zentrum des Stücks und des Films steht Troy Maxson (Washington), ein 53-jähriger Afroamerikaner, der in den 50er Jahren in der US-Stadt Pittsburgh ein sehr schlichtes, aber ehrliches Dasein pflegt. Troy arbeitet als Müllmann und bringt damit gerade genug Geld nach Hause, um sich, seine Frau Rose (Viola Davis) und den gemeinsamen Teenager-Sohn Cory (Jovan Adepo) versorgen zu können. Ein wachsames Auge muss die Familie auch immer auf Troys Bruder Gabriel (Mykelti Williamson) haben, der in Folge einer im zweiten Weltkrieg erlittenen Kopfverletzung schwere psychische Schäden davongetragen hat. Troys älterer Sohn aus einer früheren Beziehung, Lyons (Russell Hornsby) steht als Profi-Musiker nur mehr schlecht als Recht auf eigenen Beinen und muss sich von seinem Vater manch einen Spruch gefallen lassen, wenn er sich mal wieder Geld von ihm leihen will, während Troy in dem kleinen Garten hinter seinem Haus sitzt und mit seinem Kollegen und besten Freund Bono (Stephen Henderson) den Feierabend einläutet.
Dies ist die Grundkonstellation von "Fences", und im weiteren Verlauf gibt es nur wenig konkreten Plot, der abgehandelt wird, viel mehr ist das Stück eine eingehende Charakterstudie über Troy, die Ausprägung seiner Beziehung zu den wichtigsten Menschen in seinem Leben und seinen eigenen moralischen Kodex. Es ist ein Stück, in dem es viel um die Frage geht, was es bedeutet, ein Mann zu sein - welche Pflichtgefühle das mit sich bringt, welche Verhaltensnormen es einem (scheinbar) diktiert, welche Emotionen man sich erlaubt, welche Freiheiten man für sich reklamiert, wie dies alles wiederum die Funktion als Vorbild und Vormund für die nächste Männergeneration definiert, wie sehr der eigene Vater das Leben eines Sohnes prägen kann und wie schwer es ist, sich aus diesem Schatten zu lösen. All diese Aspekte spielen eine große Rolle in "Fences", weit mehr als die ethnische Identität der Familie. So ist "Fences" nur bedingt ein "schwarzer" Film, und auch wenn die Schwierigkeiten, die der in den 50er Jahren noch omnipräsente gesellschaftliche Rassismus für Troy mit sich bringt, an einigen Stellen thematisiert wird, so geschieht das doch eher beiläufig. Hier gibt es keinen mahnenden Zeigefinger, der gesellschaftliche Ungerechtigkeit anprangert. Vielmehr ist "Fences" ein allgemeingültiges Drama, in dessen zentralen Fragen über männliche Identität und fragile Familienkonstrukte sich so ziemlich jeder wird einfinden können.
Formal zeigt "Fences" indes auf, wie schwierig es sein kann, ein Theaterstück angemessen fürs Kino zu adaptieren, ein Medium, bei dem das Publikum viel mehr nach erzählerischem Tempo und visueller Abwechslung dürstet, zwei Dinge, die auf einer Theaterbühne naturgemäß eher nicht stattfinden. Und so leidet "Fences" als Film eben vor allem daran, dass es unverkennbar ein Theaterstück ist, das hier auf die Leinwand gebracht wurde. Und zwar mit so großer Ehrerbietung für die Vorlage, dass daran scheinbar so gut wie keine Zeile gekürzt wurde und man auch sonst kaum Versuche unternommen hat, die Fülle an gesprochenem Text in eine visuelle Sprache zu übersetzen, um so mehr Bilder und weniger die Akteure sprechen zu lassen. Wie wenig Washington das Stück für die Kinoadaption angerührt hat, lässt sich auch daran ablesen, dass der Drehbuch-Credit einzig und allein an den Original-Autor August Wilson geht, obwohl Wilson bereits 2005 verstorben ist und dieses Filmprojekt zu seinen Lebzeiten noch nicht einmal angedacht war.
Entsprechend fühlt sich "Fences" sehr theaterhaft an - eine lange und elaborierte Dialogszene folgt auf die nächste und die Handlung spielt zu fast drei Vierteln im kleinen Hinterhof von Troys Haus. Selbst wenn man sich von den lebhaften Dialogen mitreißen lässt und die wunderbar natürlichen Vorstellungen der Darsteller zu genießen weiß, die ihre Rollen spürbar in- und auswendig kennen, so fällt es doch schwer, gewisse Kinogänger-Reflexe abzuschalten und sich zwischendurch nicht desöfteren mal nach mehr Abwechslung im Erzählrhythmus und der visuellen Gestaltung zu sehnen. Dieses Theaterhafte führt auch dazu, dass eine brauchbare deutsche Synchronisation von "Fences" nur schwer vorstellbar ist. Dadurch, dass die ganze Zeit und permanent geredet wird und die Figuren auch und vor allem durch ihre sprachlichen Eigenheiten geprägt werden, dürfte "Fences" in Nicht-Originalversion einen Großteil seines besonderen Charmes und seiner Lebendigkeit einbüßen.
Wer sich den Film trotzdem nicht entgehen lassen will, tut gut daran, eine gewisse Kenntnis über Baseball mitzubringen. Es ist die zentrale Tragödie in Troys Leben, dass es ihm trotz enormem Talent nicht vergönnt war, zum Profi-Baseballspieler aufzusteigen, und seine lebenslange Leidenschaft für das Spiel schlägt sich darin nieder, dass er immer wieder auf Baseball-Metaphern zurückgreift. So ist auch sein Monolog am zentralen Wendepunkt des Films, als Troy seiner Ehefrau ein sehr schmerzvolles Geständnis machen muss, im Prinzip eine einzige große Baseball-Metapher darüber, wie man sich trotz geringster Chancen so viel Lebensglück zu erkämpfen versucht, wie man eben kriegen kann. Troys Geständnis ist schmerzlich wahrhaftig und nur allzu verständlich, auch wenn der aufrechte Mann in diesem Moment für seine Frau als auch fürs Publikum zu einem doch sehr fehlbaren Menschen zurechtgestutzt wird. Diese Ambivalenz in seiner Hauptfigur ist aber eben auch die besondere Stärke von "Fences", und wer grundsätzlich auch mal gern ins Theater geht, um sich ein großes Drama anzusehen, der wird mit einem Gang ins Filmtheater in diesem Fall sicher nichts falsch machen.
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