Der Amerikaner Andy Weir ist eine echte Erfolgsgeschichte des E-Publishing. Weir ist eigentlich Software-Entwickler und das, was man klassischerweise einen Super-Nerd nennt. Für seinen ersten Roman über einen auf dem Mars gestrandeten Astronauten interessierte sich dann zunächst auch kein Verlag, bis Watney sein Werk als E-Book bei Amazon zur Verfügung stellte und binnen drei Monaten 35.000 Exemplare verkaufte. Bald darauf hatte er einen richtigen Buchvertrag und die Rechte an seinem Roman nach Hollywood verkauft.
Die Prämisse von "Der Marsianer" schreit im ersten Moment tatsächlich nach einer Verfilmung, trotzdem war die Adaption kein Selbstgänger. Was vor allem daran liegt, dass ein echter Nerd wie Andy Weir sich natürlich keinen Schwachfug zusammenreimt und sein Buch darum vor allem ein einziges großes wissenschaftliches Gedankenexperiment ist. Er hat mit "Der Marsianer" das Science zurück in Science Fiction getan und einen auf tatsächlicher Machbarkeit fundierten Beitrag verfasst zu einem Genre, das allzu häufig eher so etwas wie "Fantasy im Weltraum" ist. Weirs Roman besteht vornehmlich aus Quasi-Tagebuch-Einträgen, in denen seine Hauptfigur Mark Watney detailliert erklärt, mit welchen Problemen er bei seinem Überlebenskampf auf dem Mars konfrontiert ist, und wie er diese mit dem ihm zur Verfügung stehenden Equipment löst. So wird das Buch dann tatsächlich zu einer Art feuchten Traum für alle Wissenschafts-Nerds und passionierte Ingenieure, die hier haargenau aufgeschlüsselt bekommen, wie Watney durch den klugen Einsatz von Physik, Chemie, Botanik, Ingenieurskunst, Elektrotechnik etc. pp. ein ums andere seiner zahlreichen Probleme glaubwürdig und in jedem Schritt nachvollziehbar löst. Das Ergebnis ist ein Buch, das vor wissenschaftlichen Erklärungen und Tätigkeits-Beschreibungen aus allen Nähten platzt. Für eine Filmadaption ist das erstmal ein Problem, denn kein Kinozuschauer hat Lust einem Protagonisten zuzuschauen, der einem die ganze Zeit erzählt, was für clevere Wissenschafts-Tricks er jetzt wieder anwendet, um seine Versorgung mit Atemluft, Wasser und Nahrung zu sichern.
Drehbuchautor Drew Goddard hatte darum vor allem damit zu ringen, die Romanvorlage auf ihre tatsächlichen dramatischen Höhepunkte hin zu entschlacken, die auch starke visuelle Momente ergeben. Und man muss sagen: Er hat einen sehr guten Job gemacht. Als Kenner der Romanvorlage wird man hier eine Menge Streichungen, Verknappungen und Vereinfachungen bemerken und vielleicht ein bisschen enttäuscht sein, weil man weiß, wie sehr viel tiefer der Roman in die tatsächliche Problematik von Watneys Überlebenskampf einstieg. Aber selbst wenn man die Vorlage kennt, kann man nicht leugnen, dass "Der Marsianer" auch dank der äußerst versierten Inszenierung von Altmeister Ridley Scott zu einem super-unterhaltsamen und mega-kurzweiligen Kino-Abenteuer geworden ist, bei dem sich das Ansehen mehr als lohnt und der lästig gewordene 3D-Effekt auch endlich mal wieder einen sinnvollen Einsatz erfährt.
Mark Watney (Matt Damon) bleibt allein auf dem roten Planeten zurück, nachdem seine bemannte NASA-Mission aufgrund eines großen Sandsturms plötzlich abgebrochen wird und bei der Evakuierung in die Rettungskapsel Watney auf eine Art und Weise verloren geht, die den Rest seiner Crew glauben lassen muss, dass er tot ist. Aber das ist er eben nicht, und damit hat er ein Problem. Denn während seine Crew in ihrem sicheren Raumschiff zurück auf dem Weg zur Erde ist, ist Watney nun völlig allein auf dem Mars, mit den überschaubaren Resten an Proviant, die von der vorzeitig abgebrochenen Mission übrig geblieben sind. Wasser und Nahrung können ihn vielleicht für ein paar Monate am Leben halten. Die nächste bemannte Mars-Mission, die ihn retten könnte, wird jedoch erst in vier Jahren eintreffen. Abgesehen davon, dass kein Mensch weiß, dass er überhaupt noch am Leben ist. Ja, man könnte sagen: Die Lage ist ernst.
Dass es beim "Marsianer" trotz der permanent lebensbedrohlichen Ausgangslage nicht allzu dramatisch zugeht, ist dem Grundton der Erzählung zu verdanken, welchen die Verfilmung direkt aus dem Roman übernommen hat. Denn Watney begegnet seiner äußerst prekären Lage mit einem gerüttelt Maß an Galgenhumor, viel Ironie und trockenem Augenzwinkern, und so hat man auch im Film so einiges zu lachen angesichts von Watneys Kommentaren, dem grandios aufgelegten Hauptdarsteller Matt Damon, der die Essenz seiner Figur wirklich perfekt verinnerlicht hat, und den teilweise wahrlich absurd-komischen Umständen von Watneys einsamer Existenz auf dem Mars. Die ebenfalls aus dem Buch entlehnte Idee, dass ihm zur musikalischen Unterhaltung nichts anderes zur Verfügung steht als ein von seiner Kommandantin zurückgelassener Daten-Speicher mit nichts außer 70er-Jahre-Disco-Musik sorgt zum Beispiel für einige sehr gut platzierte Lacher.
Diese immens gut gelungene Mischung aus hochdramatischer Grundsituation und sehr amüsantem Erzählton macht aus dem "Marsianer" eine nahezu perfekte Mischung in Sachen bester Kino-Unterhaltung. Die zum Teil grandiosen visuellen Eindrücke, welche die Effekte-Abteilung zusammengezaubert hat, um den erdfremden Handlungsort einzufangen, sind für sich ein permanentes kleines Spektakel. Und die nicht enden wollende Aneinanderreihung von Problemen, die zunächst Watney allein und dann die ihn retten wollenden NASA-Mitarbeiter (nach dem jemandem aufgefallen ist, dass Watney doch nicht so tot ist wie gedacht) unter permanentem Zeitdruck lösen müssen, lassen die Handlung zu keinem Zeitpunkt durchhängen oder langweilig werden, und so schnurrt der Film nur so dahin auf einem konstant hohen Spannungslevel. Derart kurzweilig und blendend unterhaltend, dass man zu Beginn des Abspanns mit einigem Staunen auf die Uhr guckt: Wie bitte, das waren jetzt 140 Minuten?!
Man merkt halt doch, dass hier echte Profis am Werk sind, allen voran Regisseur Ridley Scott. Bei dem hat man sich ja ein bisschen Sorgen gemacht, dass er mit seinen 78 Jahren nun doch so langsam nachlässt, nachdem seine letzten beiden Filme "Exodus: Götter und Könige" und "The Counselor" definitiv als Flops verbucht werden mussten und das "Alien"-Prequel "Prometheus" auch bestenfalls mittelprächtig daherkam. Hier beweist Scott (mit dem wir auch im Interview sprachen) indes, dass er mit dem richtigen Stoff in der Hand immer noch ein an Perfektion grenzendes Stück Kino schneidern kann. Das zwar nicht unbedingt tiefgründig und weltbewegend ist, aber alles bietet, was man sich von einem netten Kinoabend verspricht: Über zwei Stunden feinste Unterhaltung, die schneller vorbeifliegen als ein Raumschiff im Orbit.
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