
Um sich für "Gegen jede Regel" überhaupt zu interessieren, muß der potentielle Kinobesucher schon einige Voraussetzungen erfüllen: Erstens darf er keine generelle Abneigung gegen Sportfilme besitzen, und zweitens muß er über eine gewisse Immunität gegen allzu dick aufgetragenen Pathos, Kitsch und
Kontrahenten auf der selben Trainerbank: |
Klischees verfügen. Dann, aber auch nur dann, ist "Gegen jede Regel" vielleicht der richtige Film für ihn. Allen anderen darf man hier aber guten Gewissens abraten. In den USA der frühen siebziger Jahre, besonders in den Südstaaten, ist es mit der Gleichbehandlung von Schwarz und Weiß im öffentlichen Leben noch deutlich schlechter bestellt als heutzutage. Bürgerrechtsbewegung, Studentenunruhen und Vietnamkrieg sorgen für eine ohnehin schon gereizte Stimmung, als die Entscheidung des Kultusministeriums, an der T.C. Williams High School im kleinen Städtchen Alexandria, Virginia erstmals Schüler beider Hautfarben zusammenzulegen zusätzliche Unruhe anfacht. Dieses gilt nicht zuletzt auch für die "Titans", die Footballmannschaft der Schule. Als deren amtierenden Chefcoach Bill Yoast (Will Patton) dann auch noch der farbige Hermann Boone (Denzel Washington) als neuer Trainingsleiter vor die Nase gesetzt wird, droht die Situation zu eskalieren, weil zahlreiche wichtige Spieler die Mannschaft boykottieren wollen. Erst als Yoast selbst die Position als Assistenztrainers akzeptiert und seine Schützlinge um Mitarbeit bittet, beruhigt sich die Lage.
im Trainingslager alles aus den Spielern heraus |
Der neue Chefcoach Boone greift zu recht eigenwilligen Methoden, um seine jungen Spieler dazu zu bringen eine Einheit zu werden. Er organisiert ein mehrwöchiges Trainingslager und bringt die zuerst widerspenstigen Jungen tatsächlich dazu, aufeinander zuzugehen und sich miteinander zu beschäftigen. Seine Trainingsmethoden sind äußerst hart und werden von Yoast mit großer Skepsis beobachtet. Doch nach den zwischenmenschlichen stellen sich auch bald die ersten sportlichen Erfolge ein, und die Titans scheinen sich auf einem guten Weg zu befinden. Aber bis zur Schulmeisterschaft von Virginia warten noch zahlreiche Widerstände darauf, von Boone und seinem Team überwunden zu werden. Denn die gegenseitige Akzeptanz im Team sorgt noch lange nicht für Toleranz in der Schule. Bei "Gegen jede Regel" handelt es sich um eine angeblich wahre Geschichte, und noch heute soll es in Alexandria ein besonders vorbildliches Miteinander von Schwarz und Weiß geben, daß auf das legendäre gemischtrassige Footballteam der "Titans" aus den siebziger Jahren zurückzuführen sei. Nun gut, das
beeindruckende Siegesserie ein |
nehmen wir mal so hin, auch wenn es schwerfällt, den zahlreichen Dramen und Schicksalsschlägen im Verlauf einer einzigen Saison das Prädikat "glaubhaft" zu verleihen. Hier scheint doch mehr als einmal eine zwingende Drehbuchdramatik die Authentizität in den Hintergrund gedrängt zu haben. Als z.B. das unvermeidliche große High School-Endspiel (!) im Jahre 1971 (!!) live im Fernsehen übertragen wird (!!!), gibt es natürlich einen eigentlich unverzichtbaren Spieler, der dies mitfiebernd von seinem Krankenbett aus verfolgt. Uns so weiter und so fort.
Nun könnte man ja über solche hanebüchenen Unglaubwürdigkeiten hinwegsehen und sich einfach nur gut unterhalten lassen, aber "Gegen jede Regel" möchte ja viel mehr. Ständig wird hier versucht, einen todernsten Blick auf die sozialen Strukturen der damaligen Zeit zu werfen und dabei die einfachen Lösungen gleich mitzuliefern. Wenn es doch so simpel wäre, in kürzester Zeit und mit ein paar schönen Worten völlige Abneigung und Intoleranz in gegenseitigen Respekt und Verständnis füreinander zu verwandeln wie uns
neuen Kumpel ihres Sohnes noch gewöhnen |
die "Titans" dies vorgaukeln. Von einer ernsthaften Darstellung des Rassismus wie z.B. in "American History X" ist "Gegen jede Regel" soweit entfernt, wie man es von einem aufs durchschnittliche Familienpublikum ausgerichteten oberflächlichen Disney-Film wohl erwarten muß.
Und die Footballszenen? Zu beiläufig eingestreut, um aus "Gegen jede Regel" einen waschechten Sportfilm für den Fan zu machen. Aber auch zu viel Wissen voraussetzend, um einem unbedarften Zuschauer das Spiel näher zu bringen. Was vielleicht noch bleibt, um den Besuch zu rechtfertigen, sind die durchweg guten Darstellerleistungen. Dabei sticht gar nicht mal so sehr Denzel Washington heraus, der eher routiniert einen Charakter präsentiert, den man so oder ähnlich schon öfter von ihm gesehen hat. Beeindruckender ist vielmehr Will Patton in der Rolle des entmachteten Coach Yoast, der eine zwischen Egoismus und Loyalität hin- und hergerissene Figur darstellt, die noch am glaubwürdigsten daherkommt und eben nicht der üblichen Schwarzweißmalerei
reden allerdings nicht über Taktik |
verfällt. Der Rest des Ensembles besteht aus vielen unverbrauchten (sprich: unbekannten) Schauspielern, die sich redlich Mühe geben und ihren Job auch gut machen. "Gegen jede Regel" ist ein formelhafter, ganz fürchterlich amerikanischer Film, dessen aufgetragener Pathos einen je nach Geschmack zu Tränen rührt oder ganz furchtbar auf die Nerven geht. Der Rezensent neigt zu letzterem, was dann zu einer entsprechend schwachen Bewertung führen muß. Das amerikanische Publikum sah das jedoch, erwartungsgemäß, völlig anders und machte den Film zum bisher erfolgreichsten in Denzel Washingtons gar nicht mal so kurzer Karriere. Ein Erfolg, der sich in unseren Landen aber kaum wiederholen wird.
P.S.: Es sei hier noch kurz angemerkt, daß der deutsche Titel mal wieder eine mittelschwere Katastrophe ist, denn die einzige Regel, gegen die in diesem Film verstoßen wird, ist das 1971 längst abgeschaffte Gesetz der Rassentrennung, und dieser "Verstoß" soll hoffentlich nicht in irgendeiner Weise angeprangert werden.
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