1944. Die Nazis gehen im immer mehr verloren geglaubten Krieg bizarre Wege, um doch noch zum Sieg zu kommen. Unter der Führung des Russen Rasputin Grigori (Karel Roden, und jawoll, man meint den Rasputin) soll schwarze Magie helfen. Das Anrufungsritual der alten Götter des Chaos wird von amerikanischen GIs samt ihrem Experten für paranormale Erscheinungen, Prof. Broom, gestört. Durch das Tor zur Hölle ist jedoch auch etwas Fremdes auf die Erde gekommen: Ein kleiner, knallroter Dämon mit einer Riesenpranke und einer Vorliebe für Schokoriegel. Prof. Broom nimmt das kleine Geschöpf unter seine Fittiche.
Heute. Aus dem kleinen Ziehsohn aus der Hölle ist ein großer, nie um einen Spruch verlegener, Zigarre rauchender Dämon geworden, der jedoch auf Seiten der Regierung Monster aller Art jagt. Sein Name: Hellboy (Ron Perlman). Inmitten der von Broom (John Hurt) initiierten Einführung des jungen FBI-Mannes John Meyers (Jeffrey Tambor) als Hellboys neuem ‚Kindermädchen' platzt die Nachricht eines Monsterangriffs im örtlichen Museum. Schon bald steht fest, dass der böse Rasputin zurück ist und das Ende der Welt plant. Ein Plan, in dem Hellboy eine wichtige Rolle zukommt. Zusammen mit Meyers, dem fischähnlichen Kollegen Abe Sapien (Doug Jones) und seiner großen Liebe, der pyrokinetisch begabten Liz Sherman (Selma Blair) gilt es, Rasputin und seine Schergen aufzuhalten, bevor die Hölle auf Erden losbricht....
Guillermo Del Toro. Comicverfilmung. Da war doch was? Vor zwei Jahren massakrierte del Toro mit dem dämlichen und hässlichen "Blade 2" fast eines der Marvel-Franchises. Wurde er damals von der Filmszene in allen Anklagepunkten schuldig befunden und dazu verurteilt, endlich einen guten US-Film zu drehen, so kann es jetzt nur heißen: Freispruch und Belobigung. Denn mit der Adaption von Mike Mignolas "Hellboy" tut er genau das und legt zeitgleich endlich das John-Woo-Syndrom© ab. Del Toro rehabilitiert sich hiermit nicht nur im Bereich der Comicverfilmung, er liefert auch seinen mit Abstand besten Hollywoodfilm überhaupt ab.
Nun, mit einem Film, der Del Toro sehr am Herzen lag und für deren Realisierung der rundliche Mexikaner (sieht auch aus wie der Comicbook-Guy aus den Simpsons) wie ein Löwe gekämpft hat, kommt er zwar nicht an die atmosphärischen Höhen seiner Heimatfilme heran, liefert aber ganz wunderbares Popcornkino. Müsste man diesen Film mit einem Wort beschreiben, es müsste dieses sein: Spaß. "Hellboy" macht einfach so richtig Spaß. Die Zauberworte für das Gelingen dieses Films heißen Herz und Humor, und von beidem ist reichlich vorhanden. Klar, es gibt auch Monster, Mutanten und Megakloppereien. Aber die Qualitäten von "Hellboy" liegen eindeutig in seiner Darstellung und Charakterisierung der Figuren (Bösewichte mal ausgenommen, die sind eindimensional wie Pappaufsteller) und seinem Ton. Leichtherzig trifft es da am besten, was diesem Film sehr zu Gute kommt. Schließlich ist der abstruse Plot um altbiblische Höllenhunde, irre Mönche auf dem Weg zur Apokalypse und Nazisoldaten mit eingebauter Spieluhr so wüst, dass man ihm kaum mit grimmigem Ernst hätte begegnen können.
"Hellboy" ist deswegen so erfolgreich, weil er - genau wie der ähnlich gelungene "Spiderman 2" - genau weiß, was für eine Art Film er sein will. Und weil Comicverfilmungen eben bestimmte dramaturgische bzw. Realitätsansprüche nicht erfüllen können, fängt dieser Film die absurderen Aspekte dieses Unterfangens mit Selbstironie und joi de vivre ab. Es sei allerdings noch mal ausdrücklich betont: Wer an überzogenen Comicabenteuern generell kein Interesse hat, den wird das wenig trösten und der sollte dem Film fern bleiben. Wer allerdings derlei liebt, dem kann da fast das Wort kongenial über die Lippen kommen. Vergessen wir die wohlgemeinten, aber erfolglosen Panelimitationen von Ang Lee oder den bemühten Semi-Realismus der "X-Men". So, und genau so muss sich eine Comicverfilmung anfühlen.
Zweiter Hauptgrund für den Erfolg ist die Erschaffung von Charakteren, mit denen man als Zuschauer tatsächlich mitfühlt. Gerade der Titelheld ist mit wunderbar menschlichen Attributen ausgestattet. So sägt sich Hellboy die Hörner ab und gibt ihnen jeden Morgen den Feinschliff, um normaler auszusehen. Was angesichts von über zwei Metern Körpergröße, knallroter Körperfarbe und einem Schwanz (jaja, schon klar, bitte grinsen sie jetzt) nicht so einfach ist. Und auch gefühlsmäßig ist H.B. oder Red, wie ihn seine Freunde nennen, der neben Peter Parker alias Spiderman sympathischste, weil menschlichste Held. Da muss das Aufhalten des Weltuntergangs schon mal für wichtigere Dinge unterbrochen werden, etwa das eifersüchtige Ausspionieren möglicher Interessenten an seiner Liebsten. Und wie bei einem bockigen Kind wird der vermeintliche Nebenbuhler dann schon mal mit Steinen beworfen. Dazu kommt, dass man mit Ron Perlman einen absolut genialen Hauptdarsteller gefunden hat. Der ist zwar seit seinem TV-Erfolg "Die Schöne und das Biest" als - nun ja, das Biest - auf die Rolle des großen Hässlichen mit weichem Herz abonniert (manchmal auch nur als großer Hässlicher, siehe eben "Blade 2"), und so ist die Rolle des Hellboy im Grunde genommen eine Variation des Bekannten, aber selten hat jemand eine Rolle so sein Eigen gemacht wie Perlman den roten Monsterjäger aus der Hölle. Man kann sich ehrlich gesagt keinen anderen oder gar besseren vorstellen. Perlman ist Hellboy. Und geht mit so viel Spaß, Herzlichkeit und Coolness zur Sache, dass es eine Freude ist. Notiz an Vin Diesel alias Riddick: So wird es gemacht, damit auch jeder One-Liner sitzt. Perlman beendet auch in einem Handstreich die Frage nach der coolsten Sau, die im Blockbuster-Sommer 2004 über die Leinwände latscht. Diesel, Smith, Jackman und Konsorten, esst euer Herz aus - der Hellboy herrscht!
Gelungene Unterstützung gibt es durch Altmimen John Hurt als Ziehvater, der mit dem großen Roten eine wunderbare Vater-Sohn-Beziehung aufbaut (toller Lacher: Wie ein rauchender Teenager versteckt Hellboy seine Zigarre vor den Augen des Professors). Und Selma Blair schafft es trotz wenig Leinwandzeit in der Rolle von Hellboys großer und ein wenig tragischer Liebe zu überzeugen. Die schönsten, emotionalsten Szenen besorgen Liz und Hellboy. Zum Schmunzeln und Herzzerreißen zugleich, wie Hellboy für das verbotene Date ein Sixpack Bier klaut und Liz lockt "I brought beer?!". Die schönste Szene der beiden, die schon jetzt heißer Anwärter auf den Titel "Filmkuss des Jahres" ist und den Begriff ‚flammende Leidenschaft' wortwörtlich versteht, gibt es aber am Schluss, ganz wie es sich gehört. Gedacht, der Kopfüberschmatzer im Regen aus "Spiderman" wäre die ultimative Superheldenkussszene? Think again.
Nach den Enttäuschungen des Vorjahres ("Die Liga der Außergewöhnlichen Gentlemen", "Hulk") erlebt die Comicverfilmung mit "Spiderman 2" und eben jetzt "Hellboy" eine wahrhafte Renaissance. Wie im Falle Raimis sieht man in jeder Sekunde des Films Del Toros Liebe zum Material, und diese liebevolle, sich dabei jedoch nicht zu wichtig nehmende Atmosphäre überträgt sich auch auf den Zuschauer. Dagegen sehen dann etwa die bierernsten X-Men so richtig alt aus. Als Unterhaltungsfilm für die breite Masse schon äußerst gelungen (wenn auch vielleicht beizeiten eine Spur zu abgefahren), ist "Hellboy" für sein Zielpublikum genial. Um es thematisch zu sagen: "Hellboy" ist höllisch gut und wahrhaft heißer Scheiß.
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