Räumen wir den offensichtlichen und anscheinend unvermeidlichen Aufhänger für diesen Film mal gleich zu Beginn beiseite: Jawohl, dies ist die Wiedervereinigung der beiden "Titanic"-Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio und Kate Winslet vor der Kamera. Elf Jahre nachdem sie das Glück und zugleich den Karriere-Ballast hatten, im bis auf unabsehbare Zeit erfolgreichsten Film aller Zeiten mitzuwirken, präsentieren sie sich nun wieder gemeinsam dem Publikum. Stellen wir daher zunächst doch einfach erfreut fest, dass die Beiden noch im Geschäft sind und bisher recht bemerkenswerte Karrieren hingelegt haben. Das ist ja keinesfalls selbstverständlich, denn schließlich sitzt der Regisseur des damaligen Weltrekord-Films seit seinem nicht mehr zu toppenden Erfolg praktisch wie gelähmt vor neuen Drehbüchern und konnte sich bisher zu Nichts mehr überwinden.
Auch für DiCaprio/Winslet lief es einige Zeit eher holprig, doch dann setzte sich die vorhandene schauspielerische Klasse einfach durch und eine glücklichere Hand bei der Auswahl neuer Projekte tat ihr Übriges. Dem Ruf der Öffentlichkeit nach einer "Wiedervereinigung" aber wurde lange widerstanden und schaut man sich nun "Zeiten des Aufruhrs" etwas näher an, dann darf man davon ausgehen, dass mit Sicherheit nicht die zu erwartende Publicity der Grund dafür war, gemeinsam in diesem Film aufzutreten, sondern tatsächlich vor allem rein künstlerische Gründe den Ausschlag gegeben haben.
Denn dies ist schließlich auch der neue Film von Sam Mendes, seines Zeichens Ehemann von Kate Winslet und Regisseur mit einer Vorliebe für das feine Sezieren der amerikanischen Bildungsbürgerschicht. Ob diese nun im Heute lebt, wie bei seinem Kinoerstling und gleichzeitig größtem Erfolg "American Beauty" oder in einem akkurat ausgeschmückten früheren Jahrzehnt wie in "Road to Perdition" und dem Werk, um das es hier geht: Die Charakterstudien des Sam Mendes sind ziemlich universell angelegt und bieten jede Menge Raum zur Identifikation und dem manchmal recht schmerzhaften Wiedererkennen eigener Persönlichkeitsmerkmale.
Auch dem Ehepaar Wheeler bleiben diese Momente nicht erspart, als dessen nur äußerliches Glück im kleinen Eigenheim der betulichen 50er Jahre Schicht für Schicht zu zerbrechen droht. Natürlich waren die beiden mal wahnsinnig verliebt, wollten die Welt aus den Angeln heben und hielten sich für etwas ganz Besonderes. Doch sind sie das noch? Frank (Leonardo DiCaprio) steckt seit Jahren in einem öden Bürojob fest, den er hasst, und April (Kate Winslet) sieht sich auf die Rolle der Hausfrau und Mutter reduziert. Halbherzige Versuche etwas Neues zu probieren verlaufen meist genauso im Sande wie Aprils Schauspielambitionen. Wenn Frank zu hören bekommt, dass er nicht mehr der Mann sei der er mal war, reagiert er mit einem Seitensprung und lässt sich mit einer unbedarften Kollegin ein, die er noch leicht beeindrucken kann. Als April schließlich den Vorschlag macht, nach Europa zu gehen und dort noch einmal ganz neu anzufangen, lässt sich Frank nach anfänglichem Widerstand darauf ein und für eine kurze Zeit bestimmen wieder Gedanken von Aufbruch und Ausbruch das Leben des Paares. Aber ausgerechnet als Frank beginnt sich in seinem Job unkonventionell zu verhalten, da er ja sowieso gehen will, stellen sich plötzlich Erfolge ein und eröffnen ihm neue Möglichkeiten. Die gemeinsam gefassten Pläne stehen wieder auf wackeligen Füßen und zudem wird April erneut schwanger. Was nun?
Ein Spektakel darf man bei Sam Mendes naturgemäß nicht erwarten, stattdessen fordert er wieder mal Geduld ein von seinem Publikum für ein Drama, das sich nur langsam entwickelt. Auch wenn es oft unangenehm bis schmerzhaft ist, dabei zu zuschauen, wie sich Frank und April im Verlauf immer mehr unangenehme Wahrheiten an den Kopf werfen und dann irgendwann schließlich den Punkt erreichen an dem der Eine den Anderen mit seinen Worten bewusst verletzten möchte. Gesteigert werden diese Augenblicke aber noch durch die Szenen, in denen das Paar den psychisch auffälligen Sohn ihrer Vermieterin (Kathy Bates ist als dritte "Titanic"-Veteranin auch mit dabei) zu Besuch haben. Da dieser überhaupt keine Grenzen kennt, was das Verkünden unerfreulicher Wahrheiten angeht und zudem die Fassaden seiner Gastgeber viel besser durchschaut als deren übliches Umfeld, bleibt dann tatsächlich keine Lebenslüge mehr unausgesprochen.
Ein cleverer Schachzug des Autoren, mit Hilfe dieser ungewöhnlichen Figur die Protagonisten noch ein wenig weiter zu treiben als es die Konventionen sonst wohl zulassen würden ohne unglaubwürdig zu werden. Das ist zwar dann ganz klar als konstruiert zu erkennen, funktioniert aber deshalb trotzdem recht mühelos, weil diese Schauspieler so verdammt gut und überzeugend sind, dass niemals die Gefahr besteht das Gebotene für genau das zu halten was es natürlich eigentlich ist, nämlich gespielt.
Dieses Prädikat gilt für das gesamte Ensemble, und so etwas spricht dann eindeutig für die Fähigkeiten des Regisseurs bei der Schauspielerführung. Aber natürlich stechen die beiden Hauptdarsteller schon aufgrund ihrer Leinwandzeit und -präsenz dabei dann doch noch etwas heraus. Obwohl die Figur April für den Zuschauer immer noch etwas zugänglicher und in ihrer Frustration nachvollziehbarer bleibt als der sich etwas zu oft entweder bequem oder gar fies verhaltende Frank, darf man bei den beiden "Stars" hier eigentlich keine Rangfolge vornehmen, denn beide holen jeweils alles heraus was ihnen Drehbuch und Charaktere erlauben.
Dass Winslet und DiCaprio die Möglichkeit gegeben wird, diesen bemerkenswerten Reifeprozess in ihrer Profession auch so triumphal und mit dieser Intensität demonstrieren zu können, ist dann wohl das Erfreulichste an diesem Film, der die Bezeichnung "Kammerspiel" nicht ganz von sich weisen kann und sicher irgendwann auch auf vielen Theaterbühnen landen wird (auch wenn es sich bei der zugrunde liegenden Vorlage von Richard Yates um einen klassischen Roman handelt). Auf dessen nicht besonders erbauende Geschichte muss man aber schon bereit sein sich einzulassen, denn auf einen kitschigen Schmachtfetzen als Schlussakkord braucht man hier nicht zu hoffen.
Im Gegenteil sind die letzten Minuten noch einmal ein richtiger Schlag in die Magengrube, wobei ein harmlos dahin gesagter, rückblickender Satz der eigentlich doch so freundlichen Vermieterin dabei vielleicht sogar am Deutlichsten die Grausamkeit menschlichen Verhaltens und Vergessens demonstriert. "Ach ja, die Wheelers. Nein, die waren irgendwie auch nicht so das Wahre, oder?"
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