
Es war ja nicht die Frage ob, sondern lediglich wie es denn wohl weitergehen wird mit dem Harry Potter-Universum, auch nach dem Abschluss der „Hauptserie“ mit einem Umfang von sieben Romanen und acht Kinofilmen. Auf Papier ist das Ergebnis eine gedruckte Version des Theaterstückes „Harry Potter und das verwunschene Kind“, mit der man sich innerhalb der (zukünftigen) Welt des beliebten Stammpersonals bewegt. Auf der Leinwand geht es nun aber in etwas abseitigere Gefilde, als Aufhänger dient das von Harry und seinen Mitschülern einst auf Hogwarts gelesene Schulbuch „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“, das von Autorin J.K. Rowling vor einiger Zeit auch schon als Sonderedition für wohltätige Zwecke herausgebracht wurde. Als „Aufhänger“, wie gesagt, denn eine echte Geschichte enthielt diese schmale Bändchen nicht, so dass wir es hier mit einer neuen und eigenständigen Story zu tun haben, die zudem in den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts spielt. Und dieser erfrischende Ansatz ist es denn auch, der die Spielfilm-Version der „Tierwesen“ unter der Regie von "Harry Potter"-Routinier David Yates besonders reizvoll macht.
Als Brite auf seiner ersten Amerikareise ist der junge Magier Newt Scamander (Eddie Redmayne) im Jahr 1926 nicht nur ein wenig hilflos und überfordert, er gerät auch sofort in einige Schwierigkeiten, als eines der magischen Tiere aus seinem ebenso magischen Koffer entwischt und mitten in New York für Unruhe sorgt. Kurz darauf ist gleich der ganze Koffer verschwunden und irrtümlich in den Händen des genauso gutmütigen wie ahnungslosen Jacob Kowalski (Dan Fogler) gelandet. Newt wird kurzerhand von der stets etwas übereifrigen Nachwuchs-Aurorin Porpentina Goldstein (Katherine Waterston) ins US-Ministerium für magische Angelegenheiten geführt, wo man allerdings gerade ganz andere Probleme zu bewältigen hat. Eine unbekannte Macht verübt in der Stadt Anschläge sowohl auf Gebäude als auch auf Personen und das Klima wird zunehmend rauer für die Zauberer inmitten all der Muggels, äh, Pardon, der „No-Majs“, wie die Nicht-Magier in Amerika genannt werden.
Dieser Film ist zugleich auch die Premiere für J.K. Rowling als Drehbuchautorin, was schon mal dafür sorgt, dass die hier präsentierte Geschichte ganz im Sinne der Schöpferin des „Potter“-Universums ist. Und es ist ein gutes Drehbuch der Debütantin, der es gelingt, einen wohlbalancierten Mix aus spaßiger Unterhaltung und den durchaus ernsthaften Untertönen zu finden, für die ja auch die „Harry Potter“-Romane mit fortschreitender Handlung bekannt waren. Für den Humor sorgen selbstredend die diversen tierischen Schöpfungen, die für allerlei (überwiegend aber recht harmloses) Chaos sorgen - vom jedem glänzenden Münz- oder Schmuckstück hinterhereilenden „Niffler“ über das nilpferdartige "Erumpent“ bis zu all den anderen kleinen oder größeren Wesen, die sämtlichst in Newts kleinem Koffer Platz finden, in dem sich eine Art riesiger zoologischer Garten befindet. Die Grundatmosphäre ist allerdings sehr wohl bedrohlich und die Anschläge von Fanatikern spiegeln erkennbar die gegenwärtige politische Lage wieder. Im Hintergrund zeichnet dafür übrigens der in den Büchern bereits als legendär bösartig beschriebene Magier Grindelwald verantwortlich, der dann in den bereits geplanten Fortsetzungen eine größere Rolle spielen wird und bei dessen Besetzung den Machern ein kleiner Coup gelungen ist.
Wo wir schon bei der Besetzung angelangt sind, so ist festzustellen, dass man mit diesem Newt Scamander in der Verkörperung durch Eddie Redmayne sicher eine der ungewöhnlichsten "Heldenfiguren" überhaupt kennenlernen darf. Denn dieser Wissenschaftler unter den Magiern ist alles andere als ein Charakter, der sich mit Macht in den Vordergrund drängt, hat stattdessen vor allem seine geliebten Tiere im Sinn und ist dabei von einer herzerfrischenden Uneitelkeit. Diese wird gepaart mit einer gewissen Naivität und Ungeschicklichkeit, und der Oscar-Preisträger Redmayne („Die Entdeckung der Unendlichkeit“, „The Danish Girl“) ist genau der Richtige um in die Haut dieses leicht verhuschten, sozial eher in sich gekehrten Kerlchens zu schlüpfen.
Die weiteren Hauptrollen hat man dagegen mit eher unbekannten Newcomern besetzt, während Dan Fogler als unschuldig in die Geschehnisse mit hineingezogener „No-Maj“ einen typischen Comic-Relief gibt, bezaubert vor allem Katherine Waterston als extrem liebenswerte (und ab und zu ebenfalls etwas ungeschickte) Aurorin. Die bekannteren Namen halten sich dagegen mehr im Hintergrund, von Jon Voights Verlagsmogul dürfte in Zukunft wohl noch Einiges kommen, während Colin Farrell als undurchsichtiger Behördenmitarbeiter Graves von Beginn an auf der „bösen“ Seite verortet werden kann.
Die Atmosphäre ist zwar mit ihrem steten Wechsel zwischen Spaß und Bedrohung etwas uneinheitlich, dabei aber in den jeweiligen Einzelsträngen trotzdem äußerst gelungen. Es ist zweifelsohne eine gute Entscheidung, die Handlung vom bekannten englischen Umfeld weg an einen anderen Ort zu einer anderen Zeit zu verlegen, denn so ist mit den „Phantastischen Tierwesen“ etwas völlig Eigenständiges entstanden, bei dem man sich zwar über die immer wieder auftauchenden bekannten Begriffe oder Elemente aus dem „Harry Potter“-Universum freuen kann („Hogwarts“, „Magischer Bote“), diese das Geschehen aber nicht dominieren. Zudem kommt der Film fast schon als Ausstattungsorgie daher, denn visuell ist dieses Abbild der Zwanziger Jahre ein absoluter Genuss. Von Herrn Newt Scamander , seiner Motivation und seinem Antrieb, weiß man nach seinem ersten Abenteuer zwar noch recht wenig, doch das Interesse für mehr ist mit diesem Film definitiv geweckt.
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