Nach dem Beziehungsdrama "Halbe Treppe" und der Wahlkampf-Doku "Herr Wichmann von der CDU" legt Ausnahme-Regisseur Andreas Dresen nach mit einem Film, der die großen Themen des Lebens angeht: Von der Zerbrechlichkeit des Lebens an sich, von scheinbarer Existenz-Sicherheit und vor der Angst vor dem Alleinsein handelt sein neues Werk, welches auf dem 2000 erschienenen, gleichnamigen Roman von Christoph Hein basiert.
Im Osten Deutschlands nach der Wende ist der Optimist Bernd Willenbrock (Axel Prahl) nicht nur als Gebrauchtwagenhändler erfolgreich, sondern auch mit der hübschen Susanne (Inka Friedrich) verheiratet, und pflegt nebenher ein Affärchen mit der Professorin Vera (Dagmar Manzel). Sogar ein schickes Wochenendhäuschen im Grünen nennt er sein Eigen, in dem er und Susanne sich ein gemütliches Stückchen Sicherheit geschaffen haben. Es läuft also alles gut im Hause Willenbrock, wenn da nicht dauernd diese Autodiebstähle von seinem Hof wären. Doch Willenbrock verschafft sich Abhilfe. Er stellt den älteren Fritz (Tilo Prückner) ein, der fortan als Nachtwächter mit seinem Hund den Hof bewachen soll. Wie wunderbar, dass Fritz auch noch diese wunderschöne junge Tochter hat. Die Studentin Anna weckt die Eroberungslust in Willenbrock, der sich zwar hochgearbeitet und es zu etwas gebracht hat, doch hier mit einer Frau konfrontiert ist, die eigentlich sowohl zu jung als auch zu gebildet für ihn ist. Während er also die drei Frauen in seinem Alltag unterzubringen versucht, passiert etwas, was die Realität plötzlich zu einem nicht enden wollenden Albtraum macht: Willenbrock und Susanne werden in ihrem Landhaus bei einem Einbruch brutal überfallen. Der verletzte Hausherr versucht zwar in seiner absolut optimistischen Art dieses Trauma von sich zu schieben und zu vergessen, doch ist dies einfach nicht mehr möglich. Sein so sicher geglaubtes Leben beginnt sich aufzulösen, weder die Polizei noch seine neue Alarmanlage können ihm das Gefühl von Sicherheit zurückgeben. Da gibt ihm sein russischer Stammkunde Krylow (Vladimir Tarasjanz) eine Pistole ….
Wie bei "Herr Wichmann von der CDU" entwickelt sich die
Traurigkeit der Figur Willenbrock über Elemente, die den Zuschauer
zuerst einfach zum Lachen bringen, aber ihm dann auch aufzeigen,
dass das Leben gleichzeitig bitterernst und zum Brüllen komisch
sein kann. Andreas Dresen enttäuscht sein Publikum nicht, sondern
beweist wieder sein Talent, das Leben des unscheinbaren Mannes mit
all seinen Unzulänglichkeiten und Hoffnungen zu zeigen. Wie
gehabt bleibt der Regisseur sehr nah an seinen Figuren. In ihrer
Furcht, ihrer Hilflosigkeit werden sie ungeschönt gezeigt,
man möchte fast sagen, seziert. Man kann hier durchaus Parallelen
zwischen Dresen und dem amerikanischen Regisseur Alexander Payne
("Sideways", "About
Schmidt") ziehen.
Besonders
der Hauptdarsteller ist wunderbar gewählt. Prahl, bekannt als
Tatort-Kommissar Frank Thiel, überzeugt hier in einer Figur,
die nicht einfach zu spielen ist, ohne sie ins Lächerliche
abgleiten zu lassen. Auch die Metaphorik des Films ist von großer
Klarheit. So steht der Maler Waldersee für den Umgang mit der
Angst vor dem Tod. Als Willenbrock ihn fragt, warum er einen toten
Hund male, antwortet ihm dieser: "Vielleicht male ich das,
um besser mit der Angst umgehen zu können." Szenen wie
der Kampf um ein riesengroßes antikes Bett, welches Susanne
ihrer Konkurrentin Vera vor der Nase wegkaufen muss, um zu beweisen,
wem Willenbrock wirklich gehört, sind einfach köstlich,
während die Einbruchszene den Zuschauer ebenso wie die Hauptfigur
verängstigt.
Zu bemängeln ist an "Willenbrock" lediglich die Langatmigkeit,
mit der sich der Film manchmal bewegt. Doch lässt diese einen
so ruhigen Blick auf die Figuren zu, dass sie verzeihbar wird. Als
einer der großen deutschen Regisseure der Nachwendezeit hat
sich Andreas Dresen inzwischen einen Platz im hiesigen Filmkanon
gesichert, den er nicht wieder verlieren wird, wenn er uns weiterhin
solche Filme beschert. Und so optimistisch kann man schon sein bei
einem Autor, der wie kein anderer auch in den trübseligsten
Seiten des grauen Alltags nie Hoffnung und Menschlichkeit aus den
Augen verliert.
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