Wer weiß, wohin?

Originaltitel
Et Maintenant, On Va Où?
Jahr
2011
Laufzeit
100 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Margarete Prowe / 20. März 2012

Die für ihr Debüt „Caramel“ international gefeierte libanesische Regisseurin, Drehbuchautorin und Schauspielerin Nadine Labaki thematisiert in ihrem zweiten Werk „Wer weiß, wohin?“ mal amüsant spielerisch, mal tragisch-melodramatisch die Religionskonflikte zwischen Muslimen und Christen in einem kleinen abgelegenen Dorf, das von Landminen umgeben ist. Wer weiß, wohin?Ihr zeitlich und historisch bewusst unverorteter Genremix aus Drama, Komödie, Musical und Dorf-Film á la „Lang lebe Ned Devine“ ist zwar schön anzuschauen, kann jedoch durch allzu platte Figurenzeichnung und stetige Wechsel zwischen Trauer und Albernheit nicht komplett überzeugen.

In einem kleinen Dorf, irgendwo im Nirgendwo zwischen Landminen gelegen und nur über eine einzige Brücke erreichbar, lebt eine Gemeinschaft aus Christen und Muslimen friedlich Seite an Seite. Die einen beten zur Jungfrau Maria, die anderen tragen Kopftuch; Kirche und Moschee stehen sich gegenüber und der Imam und der Priester verstehen sich prächtig. Den Unfrieden bringt ausgerechnet der Fernseher, den die Dorfbewohner stolz auf einem Berg aufstellen, der einzigen Stelle, an der man Empfang hat. In den Nachrichten werden gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen im Rest des Landes gezeigt. Im Folgenden zeigen sich bald Risse in der Gemeinschaft, doch immer nur unter den Männern. Immer häufiger kommt es zu Streitereien, die bald zu eskalieren beginnen. Die Frauen des Dorfes greifen zu drastischen Maßnahmen, um ihre Männer vom Streit abzuhalten. Die Jungfrau Maria scheint ihnen ein Zeichen zu geben und so bestellen sie zur Zerstreuung ihren Gatten sogar ukrainische Table-Dance-Damen ins Dorf. Doch so einfach werden die Männer nicht wieder lammfromm.

Wer weiß, wohin?Es gibt wirklich schöne Szenen in „Wer weiß, wohin?“. Die Kameraarbeit in Cinemascope ist visuell und atmosphärisch sehr ansprechend und schon die Eingangsszene zeigt die Frauen in einem elegischen Tanz der Trauer, der Wim Wenders' „Pina“ hätte entnommen sein können. Schmerzhaft tragisch ist eine Szene, in der eine Mutter versucht, dem restlichen Dorf vorzuspielen, dass ihr toter Sohn noch am Leben ist, um den zerbrechlichen Frieden nicht zu stören. Die Wahl von Laiendarstellern und das Spiel der bildschönen Regisseurin selbst, die eine der wichtigsten Frauenrollen, Amale, die Besitzerin des einzigen Cafés, verkörpert, erweist sich ebenfalls als gelungen und stimmig.

Gleichzeitig gibt es witzige Momente mit den Ukrainerinnen, doch hier wird schon unsauber gearbeitet: Gerade diese speziellen Damen werden über einen Teil der Laufzeit hinweg plötzlich komplett „vergessen“, als man sie für die Handlung gerade nicht braucht. Die weit unverständlichere und unnötige Vereinfachung ist jedoch, wie hier die Männer alle über einen Kamm geschoren werden: Alle vorkommenden Männer sind in etwa so schlau wie Rindvieh, unfähig zu bewusstem Denken und Handeln und immer nur einen winzigen Hauch von ausufernder Gewalt entfernt. Ausnahmen sind nur der Priester und der Imam, doch alle anderen Männer sind automatisch mit tumben Zankhähnen gleichzusetzen, die nicht im Entferntesten Einsicht oder Beherrschung zeigen können. Die Frauen sind die Heldinnen, die ihre Männer vor sich selbst schützen müssen, koste es, was es wolle. Von den Ehefrauen hat keine Angst, dass ihr Mann sie mit einer der Stripperinnen betrügen könnte und alle sind vereint in ihrer Mission, die Männer vor sich selbst zu retten.

All dies ergibt immer noch einen netten Frauenfilm, doch den männlichen Gefährten sollte frau diesmal vielleicht doch lieber zu Hause lassen.

Bilder: Copyright

Ähm, die Idee, dass eine christlich-muslimische Dorfgemeinschaft ausgerechnet Table-Dance-Damen zu sich einlädt, klingt auch nicht wirklich überzeugend, oder? Stichwort "Sünde" und so, und mal ganz abgesehen von religiösen Bekleidungsvorschriften.

Da aber die Botschaft in Richtung "Wenn du deinen Alten von der Glotze weg kriegen willst, versorg ihn mit möglichst viel Titten und Arsch" geht, bin ich bereit, über derartige Details hinwegzusehen, denn dieser Ansatz hat wenigstens was Konstruktives.

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