Übersetzer sind schon ein merkwürdiges Völkchen
und zu trauen ist ihnen schon gar nicht. Mit schönster
Regelmäßigkeit vergewaltigen sie Originaltitel,
verfälschen, verdrehen und verwursten. So auch hier:
Nicht nur, dass sie dem Film das unangenehm an einen deutschen
Schlager erinnernde „Weil ich ein Mädchen bin“ verpassen,
nein sie schieben auch noch das ungleich peinlichere „Ein
ultrabuntes Coming-Out“ hinterher. Mein Gott.
Derartiger Blödsinn gehört bestraft, führt
er doch den Zuschauer fast bösartig in die Irre. Eigentlich
geht es hier – dem Originaltitel entsprechend – nämlich
vor allem um ein zwar einzelnes, aber besonderes Exemplar
des Mädchens: dem Cheerleader. Wurde der bisher vornehmlich
aufs Doofsein und die Mannschaftsmatratze reduziert, erfahren
wir hier zum ersten Mal, warum man auch Cheerleader werden
will: Wegen den engen Tops und kurzen Röcken der Kolleginnen
...
Megan (Natasha Lyonne) ist nicht nur Cheerleaderin, sondern
auch sonst so, wie Mommy und Daddy überall in Amerika
sich ihr Kind vorstellen: hübsch, freundlich und fleißig.
Jedoch: Ihre Eltern (Bud Cort & Mink Stole) wollen eine
unglaubliche Entdeckung gemacht haben: Megan ist kein normales
Mädchen! Die Beweislast ist schier
erdrückend: Melissa Etheridge-Poster im Zimmer, Pin-Up-Girl
im Spind, Ekel vor der wild schwingenden Zunge ihres Freundes
und zudem noch Vegetarierin. Ganz klar, Megan muss eine Lesbe
sein. Gott sei dank gibt es ja für alles eine Lösung,
und die steht in Gestalt des mit einem „Straight is Great“-T-Shirt
bekleideten Mike (RuPaul Charles) vor der Tür. Der ist
Trainer bei „Der wahre Weg“, einem Trainingscenter, in dem
aus vermeintlichen Homosexuellen wieder richtige Heteros gemacht
werden sollen. Prompt wird Megan hierher verfrachtet. Die
Schäfchen auf den richtigen Weg zurückbringen will
die tyrannische Mary Brown (Cathy Moriarty), deren Homophobie
wahrscheinlich mit ihrem latent schwulen Sohn Rock (Eddie
Cibrian, sieht aus wie ein Ben Affleck-Klon) zusammenhängt,
und die Methoden sind wirklich ungewöhnlich: Erst
Gruppensitzung mit erzwungenem „Ich bin homosexuell“-Geständnis
und dann geht’s ans Eingemachte: Holzhacken, Footballspielen
und Autoreparieren für die Jungs; Putzen, Babywickeln
und Beineüberschlagen für die Mädchen – So
bekommt man jeden wieder hin. Oder auch nicht. Nicht nur,
dass die Jungs sich beim Football auch ganz ohne Ball aufeinander
werfen und nicht mehr voneinander lassen. Megan wird in eine
Gruppe mit Graham (Clea DuVall) eingeteilt. Und die trotzige
Rebellin erweckt in ihr ganz merkwürdige Gefühle.
Haben die anderen vielleicht doch recht? Bald muss sich Megan
eingestehen, dass sie nicht zu Unrecht in diesem Camp steckt.
Viel schlimmer: Wie verbirgt man diese erste große Liebe
vor der furchteinflössenden Mrs. Brown, und wie bringt
man es den Eltern bei?
„The
haunting fear that someone, somewhere, may be happy“. So definierte
H.L. Mencken vor über siebzig Jahren den Puritanismus.
Leider hat sich seitdem nichts, aber auch gar nichts geändert,
und daher treibt das vom Puritanismus oder noch repressiveren
„Glaubensgemeinschaften“ bestimmte Alltagsleben in Amerika seltsamste
Blüten. Wo sonst könnte es etwas derartig Albernes,
Unglaubliches und wahrhaft Krankes geben wie diese besagten
Homo-Umerziehungscamps als im Land der ultrabegrenzten Möglichkeiten?
Leider traurigste Realität, es gibt tatsächlich
über 200 dieser Dinger. Dennoch hat sich Jungregisseurin
Jamie Babbit in ihrem Debüt nicht für einen ernsthaften
Problemfilm entschieden, sondern für eine knallbunte
und schreiend komische Satire. Slapstick und grelle Gags stehen
hier im Vordergrund. So ist das Camp selbst und die Personen
gnadenlos überzeichnet, teilweise bis ins Surreale überbordend:
Die Jungs sind in himmelblauen Klamotten unterwegs, die Mädchen
in grellstem Pink, sämtliches Inventar sieht aus wie
in einem überdimensionalen Puppenhaus und dazu klöppelt
ewig eine Spieluhr – wie der kritisierte heuchlerische Lebensstil
im kleinbürgerlichen USA ist hier alles artifiziell.
Dazu gesellen sich gelungene Einfälle, wie die Drag Queen
unter den Drag Queens RuPaul als bekehrten Schwulen und fanatischen
Heterotrainer zu besetzen. Schrägste Figuren, wie eine
Schwulen-Guerilla-Truppe runden das Ganze ab. Dennoch gibt
es auch Raum für Zartes: Die Liebesszenen zwischen Natasha
Lyonne (das sexerfahrene Biest aus „American Pie“) und Clea
DuVall (das schnuckelige Rauhbein aus „Faculty“) sind einfühlsam
dargestellt und sehr sinnlich.
Wenn
man diesem Film etwas vorwerfen muss, ist es die Art und Weise,
wie Inhalt und Form teilweise auseinanderdriften. Grelle Satire
ist zwar als Ansatz durchaus richtig, entlarvt sich doch etwas
derart Beknacktes wie diese Trainingscamps dadurch selbst,
„Weil ich ein Mädchen bin“ übertreibt es jedoch
manchmal ein bisschen: Zu platt ist der Klamauk, zu bitter
die Realität, die dahinter steckt. Ein wenig mehr Substanz
hätte dem Film an manchen Stellen gut getan. Anliegen
völlig korrekt, Umsetzung etwas suspekt. Immer noch viel
besser als andersherum, und daher gibt es auf die ursprünglich
veranschlagten sieben Punkte noch einen „Good Will“-Punkt
drauf.
„Weil ich ein Mädchen bin“ ist ein greller und stellenweise
wirklich witziger Film, der nur dadurch abgeschwächt
wird, dass die schlimme Realität zwischen all den Witzen
doch etwas zu kurz kommt. Aber da wir uns hier nicht in Betroffenheit
wühlen wollen, bleibt immer noch ein knallbunter Spaß
mit (hoffentlich) ein bisschen Nachdenken auf dem Heimweg.
Und das ist doch schon aller Ehren wert.
Originaltitel
But I'm a cheerleader
Land
Jahr
2000
Laufzeit
89 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
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