Ein Film über einen TV-Wetterfrosch, der krampfhaft versucht, mit sich, seinem Leben und seiner Familie klar zu kommen, klingt zunächst nicht sonderlich spannend. Wenn man dann allerdings sieht, dass Nicolas Cage die Hauptrolle und Regie-Hotshot Gore Verbinski ("Ring", "Fluch der Karibik") die Inszenierung übernommen hat, weckt das schon einmal positive Querverbindungen zu Ridley Scotts "Tricks" - ein ebenfalls oberflächlich eher unscheinbares Projekt, das durch die Beteiligung von Cage und Scott ins Rampenlicht gerückt wurde und sich als eine der positivsten Überraschungen des Filmjahres 2004 erwies. Jetzt addiere man noch Doppel-Oscar-Gewinner Michael Caine in tragender Nebenrolle, und auf einmal scheint auch "The Weather Man" ein Filmchen zu sein, bei dem einen vielleicht mehr erwartet, als man auf den ersten Blick denken würde.
Um es kurz zu machen: Genau so ist es. Hervorragende Darsteller und ein Regisseur in bestechender Form fabrizieren hier aus einem der besten Drehbücher des Jahres eine wahre Perle von Film. Dass der Start von "The Weather Man" um mehr als ein halbes Jahr verschoben wurde, ist vor allem für die Jahresbilanz 2005 traurig. Denn das weitestgehend verkorkste Kinojahr hätte ein Kleinod wie dieses gut gebrauchen können.
David Spritz heißt der von Cage verkörperte Wetter-Moderator eines regionalen Fernsehsenders, der gute Aussichten auf einen Wechsel zu einer großen Sendeanstalt in New York hat. Der Karrierepfeil zeigt also nach oben, dafür liegt alles andere in Daves Leben ziemlich im Argen: Seine Frau Noreen (Hope Davis, "About Schmidt") hat sich von ihm getrennt und bastelt längst an ihrer nächsten Beziehung, während Dave immer noch so tut, als würde sich die zerrüttete Ehe wieder richten lassen. Zu seinen pubertierenden Kindern Mike (Nicholas Hoult, "About a Boy") und Shelly (Gemmenne de la Pena) findet er keinen Draht, und sein Vater Robert (Michael Caine) - ein erfolgreicher und verehrter Schriftsteller, aus dessen Schatten er sich nie lösen konnte - scheint für nichts, was Dave tut, mehr als ein Nicken übrig zu haben.
Niemand scheint viel auf Dave zu geben, und warum auch? Er ist kein netter Kerl. Dave ist verbohrt, uneinsichtig, tollpatschig und egoistisch, fordert ständig Respekt ein, den er sich nicht verdient hat, und schleppt eine ganze Wagenladung Minderwertigkeitskomplexe mit sich herum - nicht zuletzt deshalb, weil er permanent von wildfremden Menschen mit Fast Food-Produkten beworfen wird. Er ist halt ein kleiner TV-Wetterfrosch, und wer, bitte schön, nimmt so jemanden schon ernst?
Klingt immer noch nicht so spannend, oder? Die besonderen Qualitäten von "The Weather Man" lauern auch nicht im groben Plot, der als klassische Selbstfindungs-Geschichte relativ unspektakulär abläuft. Was zählt, sind die Kleinigkeiten dazwischen, die Atmosphäre und Charakterentwicklung. Und da kommt man aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
Überhaupt einen solchen Film um einen Hauptcharakter herum zu erzählen, dem man als Zuschauer selbst am liebsten einen Milchshake an den Kopf werfen möchte, ist waghalsig und kann nur funktionieren, wenn der Protagonist bei aller Unsympathie dennoch zu fesseln vermag. Und Dave zuzusehen, wie er verliert, verliert, und dann noch mal verliert, ist einfach unglaublich faszinierend. Zu verdanken ist das nicht nur dem bravourös agierenden Nicholas Cage, der Daves Gleichmut gegenüber der eigenen Erbärmlichkeit kongenial einzufangen versteht, sondern auch den ihm brillant zuspielenden Nebendarstellern, angefangen von Michael Caine (dessen Vorstellung hier schon wieder heftiges Oscar-Getuschel ausgelöst hat) über Hope Davis bis hin zu den Film-Kindern Nicholas Hoult und Gemmenne de la Pena.
Die sind allerdings auch allesamt mit dankbaren, präzise ausgearbeiteten Parts gesegnet. Gerade in den Kinder-Figuren zeigen sich die besonderen Qualitäten von "The Weather Man", hier wird die Genialität des Skripts von Steve Conrad am offensichtlichsten: Er zeichnet Charaktere mit Ecken und Kanten, jenseits von jedem Klischee, verpflichtet sich mit Überzeugung zur Eigenwilligkeit, und handhabt Details, die einem eigentlich einen kleinen Schauer des Unwohlseins über den Rücken jagen, mit solcher Eleganz, dass sie eine unvergessliche eigene Note entwickeln. Als Dave seiner Tochter zu erklären versucht, warum sie die anderen Kinder in der Schule "Kamelzeh" nennen, krümmt man sich im Kinosessel bereits in Erwartung einer gewaltigen Peinlichkeit - und verlässt die Szene mit ehrlicher Rührung.
Es gelingt dem Film, bodenständig mit beiden Beinen im wahren Leben zu stehen, seinen Protagonisten mit Problemen und Situationen zu konfrontieren, die sich echt und nicht konstruiert anfühlen, deswegen auch richtig wehtun können und ein einmaliges Filmerlebnis erlauben. "The Weather Man" ist ein so weiser, so lebensnaher Film, dass er wechselweise deprimiert und amüsiert, dass jede verzweifelte Aktion von Dave gerade deshalb eine tragikomische Note bekommt, weil man sie so gut nachempfinden kann. Resultat: Die vermeintlich so verkopfte Selbstfindung des tragischen Helden kann der Zuschauer derart intensiv miterleben, dass man aus dem Kino geht und tatsächlich glaubt, etwas fürs eigene Leben gelernt zu haben. Und von wie vielen Filmen kann man das schon behaupten?
Im Geiste ein Independent-Film, umgesetzt mit den großen Namen und Möglichkeiten eines Hollywood-Studios, ist "The Weather Man" einer dieser Filme, die selbst vollkommen abgeklärte Kinofreunde noch begeistern und überraschen können, weil sie sich standhaft jeder Schublade verweigern, sich Unkonventionelles trauen und damit auch durch kommen, und Geschichten erzählen, wie man sie so originell nur äußerst selten zu sehen bekommt. Klingt vielleicht nicht spannend, ist aber wahrscheinlich jetzt schon einer der besten Filme des Kinojahres 2006.
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