Harry Sanborn (Jack Nicholson) mag es, was die weibliche Begleitung betrifft, gerne jung. So freut sich der Musikproduzent, Hipster und notorische Frauenheld, mit seiner neuesten halb so alten Freundin Marin Barry (Amanda Peet) ein romantisches Wochenende im leerstehenden Haus ihrer Eltern zu verbringen. Zu dumm nur, dass das Haus nicht so leer steht wie erwartet, und Harry plötzlich in Unterhosen vor Mutter Erica (Diane Keaton) nebst deren Schwester Zoe (Frances McDormand) dasteht. Noch schlimmer, dass ihn dann ein Herzinfarkt umwirft und er auf Anraten des jungen Arztes Dr. Mercer (Keanu Reeves) bis auf weiteres im Hause der Barrys sein Krankenlager aufschlagen muss. Denn zuerst kann der alternde Schwerenöter nur wenig mit der scharfzüngigen Erica anfangen. Aber das ändert sich, und die beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Menschen "im besten Alter" kommen sich entschieden näher. Zusätzlich kompliziert wird es für die emotional zunehmend verwirrte Erica, als ihr der halb so alte Jungdoktor ebenfalls den Hof macht.
Das so ziemlich schlimmste, was dem Betrachter eines Films passieren kann, ist, wenn er sich betrogen fühlt. Deswegen eine persönliche Beichte vorweg: Ich fühle mich von diesem Film betrogen. Milde abgeschreckt durch den grauslichen, an Rosamunde Pilcher gemahnenden deutschen Titel, versöhnt von einem wirklich köstlichen Anfang, betrogen von einer nahezu komplett zu vergessenden zweiten Filmhälfte. Selten war ein Film so klar in zwei qualitativ unterschiedliche Teile gerissen. Und dabei fängt alles tatsächlich so gut an. Die erste Stunde ist aus diversen Gründen eine wahre Freude. Zum einen, weil Jack Nicholson die in "Das Versprechen" und "About Schmidt" begonnene Dekonstruktion des eigenen männlich-markanten Mythos hier fortführt, wenngleich in wesentlich unsubtilerer Form. Waren es in "About Schmidt" noch Nuancen, so werden hier die Viagra-Witze hervorgeholt und Jack rennt diverse Male mit Arsch aus der Hose herum. Vom üblichen Grimassenschneiden ganz abgesehen. Was aber zugegebenermaßen für eine Weile richtig Spaß macht. Wie es sowieso genial ist, dem auch im Privatleben nur den jungen Dingern hinterher steigenden Nicholson diese Rolle auf den Leib zu schneidern. Die wahre (Wieder-) Entdeckung des Films ist aber Diane Keaton, die mit 57 Jahren und für ihre 57 Jahre schlichtweg umwerfend und sexy aussieht und in einer dankbaren Rolle (zumindest für die erste Hälfte) so gut spielt wie lange nicht mehr. Dazu reiche man dann noch einen wunderbaren Kurzauftritt von der wie immer göttlichen Frances McDormand und im Drehbuch gut geschliffene Dialoge und einige schöne Beobachtungen. Besonders die vorsichtige Annäherung von Harry und Erica wird sehr schön geschildert. Von daher ist es kaum fassbar, dass all diese Errungenschaften, die hier in der ersten Stunde wunderbar vorgeführt werden, schlagartig verschwinden. Denn ab ziemlich genau der Hälfte der Laufzeit kippt der Film nahezu komplett in Klischees und Kitsch und wird fast so schlimm, wie es der schreckliche deutsche Titel suggeriert. Das fängt mit dem ärgerlichsten aller Momente in RomComs an, nämlich dem Auseinanderreißen des Traumpaares. Dass das Subgenre ohnehin Probleme hat, diese Momente glaubwürdig zu verkaufen, ist die eine Sache. Aber dass Meyers ihren Figuren (genauer: dem ohnehin klischierten Nicholson-Charakter) wirklich ohne rot zu werden Sätze in den Mund legt wie "Ich bin noch nicht bereit für diese Art von Beziehung" ist da genauso wenig glaubwürdig wie ähnliche Szenen in etlichen Vorgängern, in denen ein offensichtliches Traumpaar aus fadenscheinigen Gründen in die Krise schlittert. Zumal dies erst der Beginn der Stereotypenparade ist, dies sich bis zum Showdown in Paris (Die Stadt der Liebe! Natürlich!) fröhlich fortsetzt. Und während die sich häufenden Klischees langsam Tempo und Witz des Films ruinieren, wird erst offensichtlich, wie schlecht das hier eigentlich alles konstruiert ist. Dass die Figur von Keanu Reeves etwa kein Charakter ist, sondern nur eine wandelnde Storykomplikation, die nach Belieben hervorgezerrt oder in den Hintergrund geschubst wird (wie bedauerlicherweise auch Frances McDormands Figur). Und je langweiliger die zweite Hälfte wird, desto mehr wird es einem fast peinlich, dass man sich am Anfang so gut über die doch recht billigen Impotenz- und Alterswitze amüsiert hat. Wie in Nancy Myers' vorherigem Film "Was Frauen wollen" werden gegen Ende Familienwerte und Sentimentalitäten derart penetrant in den Mittelpunkt gerückt, dass der Film sich mit einer ultrakonservativen Haltung letztendlich selbst demontiert. Dementsprechend zwiespältig ist auch das Ende. Für die einen ist es genau richtig, denn es kommt ja so wie es kommen musste, für die anderen schwankt die Auflösung irgendwo zwischen inkonsequent und feige. Fast noch schlimmer: Die Botschaft ist schon erschreckend traditionell. Die Alten, so will es "Was das Herz begehrt", sollen gefälligst bei den Alten bleiben, die Jungen bei den Jungen, jeder doch bitte bei seinesgleichen. Für einen Film, der über fast die gesamte Laufzeit andeutet, die Möglichkeiten von Liebesbeziehungen zwischen den Generationen ausloten zu wollen, ist dies schlichtweg ein unbefriedigendes und regelrecht klägliches Ergebnis, dem mit der unfassbaren Schlusseinstellung die Krone aufgesetzt wird. Entschuldigung, aber wie hier domestiziertes Glück in Reinform vorgegaukelt wird, das ist bestenfalls gewollt und schlimmstenfalls heuchlerisch und doof.
Und so ist "Was das Herz begehrt" allerhöchstens ein halbes Vergnügen, dessen erste Stunde ausgesprochen gut unterhält, bevor sich der Film danach komplett in zwar bekannten, nichtsdestotrotz aber falschen Entscheidungen verheddert. Acht Augen für die witzige und zumeist richtig gute erste, vier für die klägliche, vor allem auch lahme zweite Stunde. Das ergibt dann in der Summe sechs Augen. Wer unbedingter RomCom-Fan ist, wird an "Was das Herz begehrt" nix Falsches finden. Aber dieser Film hätte wesentlich mehr als "nur eine weitere RomCom" sein können, hätte man nur etwas mehr Mut bewiesen. Aber auch der ist eben keine Frage des Alters. Und so wird Nancy Meyers wohl auch in zehn Jahren noch überzuckerte, nette aber auch belanglose Filme mit reichlich nahem Verfallsdatum machen. Und eben nicht die Sachen, die das Filmliebhaberherz wirklich begehrt.
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