
Völkerball. Wer kennt sie nicht diese Sportart (wenn man sie denn überhaupt so nennen will), die meistens nur im Sportunterricht oder in katholischen Ferienfreizeiten gespielt wird und deren Sinn darin besteht, so viele gegnerische Spieler mit einem Ball abzuwerfen, bis diese vollständig dezimiert worden sind. Und nachdem das Kino jede professionelle Sportart auf die Leinwand gebracht hat, ist es jetzt auch für eben dieses Spiel soweit, sein Leinwanddebüt zu geben. Allerdings unter dem amerikanischen Namen: Dodgeball.
Peter
LaFleur (Vince Vaughn) ist Besitzer des schlecht gehenden Fitnessstudios
"Joe´s Average", in dem sich zahlreiche illustre
Gäste tummeln: Von einem Typen, der sich für einen Piraten
hält, bis hin zu einem männlichen Möchtegern-Cheerleader.
Doch Peters Studio steht vor den finanziellen Ruin und droht von
seinem Erzfeind White Goodman (Ben Stiller), einem notorischen Fitnessfreak,
und seinem Fitnessgroßunternehmen Globo-Gym übernommen
zu werden, wenn Peter nicht bis zum Monatsende 50.000 Dollar auftreibt.
Zu diesem Zweck nehmen er und sein Team, das sich aus eben jenen
kauzigen Mitgliedern seines Studios zusammensetzt an einem Dodgeball-Turnier
in Las Vegas teil, dessen Gewinn genau 50.000 Dollar beträgt.
Das Grundproblem dieses Filmes besteht darin, dass er sich nicht entscheiden kann, ob er Sportfilmsatire oder Sportkomödie sein will. Will man eine Sportkomödie drehen, sollte man den Sport, über den der Film handelt, ernst nehmen und ihn nicht ins Lächerliche ziehen. Denn es ist nicht der Sport, der hier der Ursprung des Witzes seien sollte, sondern die Figurenkonstellation. Zum anderen sind hier die Sportszenen grundlegende Elemente des Films. Dreht man hingegen eine Satire oder eine Parodie über Sportfilme, muss man den dargestellten Sport nicht verschonen, kann getrost das Sportgeschehen kritisch betrachten und die Stereotypen eines jeden Sportfilmes demontieren.
Leider gelingt "Voll auf die Nüsse" keines von beidem:
Er zeigt für einen Sportkomödie eindeutig zu wenig Sportszenen
und das Dodgeball-Turnier wird auch nur verkürzt dargestellt.
Da werden selbst entscheidende Spiele in ihrer Dramatik nur kurz
angerissen und man bleibt mit dem Gefühl im Kinosessel zurück,
relativ wenig Sportliches auf der Leinwand gesehen zu haben. Darüber
hinaus begeht Regisseur
Rawson Marshall Thurber den großen Fehler, die Charakterzeichnungen
seiner Protagonisten zu vernachlässigen. Denn die Figurenkonstellation
bietet hier trotz aller angesprochenen Skurrilitäten wenig
Ungewöhnliches. Sie werden im Film lediglich kurz angerissen.
Ursprung für einen gelungenen Witz sind sie in den seltensten
Fällen. Und so fragt man sich, warum Thurber, der auch für
das Drehbuch verantwortlich zeichnet, überhaupt solch skurrile
Charaktere geschaffen hat, wenn er sie nicht nutzt.
Das alles wäre kein Problem, wenn der Film sich im Laufe zu
einer guten Satire entwickeln würde. Doch das tut er nicht.
Indiz für einen satirischen Vorsatz gibt es genug. Zu nennen
sei hier z.B. die Figur Ben Stillers, der ein übersteigertes
Abbild des Fitnesswahns darstellen soll: Er isst seine Mahlzeiten
nicht mehr, er riecht nur noch daran. Und er stützt seine ganze
Persönlichkeit auf seine Muskeln und versucht damit seine Komplexe
zu überdecken. Ein weiteres Anzeichen ist die Wahl der Sportart
selbst. Diese zeigt am deutlichsten, wohin der Film sich wohl hätte
entwickeln sollen und können. Denn gerade eine Randsportart
wie Völkerball eignet sich perfekt, um dem Profisport und den
klassischen Sportfilmen einen Spiegel vorzuhalten. Und das tut Thurber
auch anfangs. So stellt er dem Team mit dem Charakter der abgehalfterten
Dodgeball-Legende Patches O´Houlihan (Rip Torn) eine perfekte
Karikatur des "harten Trainers" aus zahlreichen Sportfilmen
zur Seite, der mit seinen sadistischen Trainingsmethoden ("Wenn
du einem Schraubenschlüssel ausweichen kannst, kannst Du auch
einem Ball ausweichen!") von sich reden macht. Und auch den
Sport nimmt Thurber nicht sichtlich ernst, wenn dieser selbst zur
Zielscheibe wird.
Doch
gleichzeitig begeht Thurber den Fehler, an die Botschaften eines
08/15-Sportfilmes wie "Glaube an Dich selbst!", "Vertraue
Deinen Mitspielern!" oder "Erinnere Dich an die Worte
des Trainers!" zu glauben und diese ernst zu nehmen. Bestes
Beispiel hierfür ist der ein wenig deplazierte Auftritt von
Lance Armstrong, der Peter LaFleur bei einem Bier davon überzeugt,
an seine Chance im Turnier zu glauben, denn so habe er auch seinen
Krebs besiegt.
So vermittelt der Film eben diese Regeln des Genres, das er eigentlich
unter komödiantischen Beschuss nehmen wollte, und versucht
dem Besucher diese nahe zu bringen. Damit scheitert auch die Satire.
Denn für ein mehr als ein paar lahme Gags reicht es zum Schluss
auch nicht mehr und die wenigen Guten hat man schon im Trailer gesehen.
Auch die Schauspieler können da nicht mehr viel ausrichten,
wobei sich auch bei ihnen die Grundproblematik zeigt: Möchte
Vince Vaughn noch den Loser darstellen, der ganz im klassischen
Sinne des Genres über sich hinauswächst, überzieht
Ben Stiller hingegen sein Spiel satirisch. Doch auch dieses kann
nicht zünden, da es an den fehlenden lustigen oder innovativen
Ideen scheitert. Denn für eine glaubhafte Satire nach dem Motto
"Viel Muskeln, wenig Hirn" bedarf es dann doch mehr, als
Ben Stiller in einem Gespräch immer den Satz seines Gegenübers
wiederholen zu lassen oder Sprichwörter falsch anzuwenden.
"Voll auf die Nüsse" will auf zwei Hochzeiten tanzen und scheitert folglich. So bleibt der Film letztlich nicht mehr als eine Komödie mit viel zu wenig Lachern. Und auch ein Aufschwung der Sportart Völkerball jenseits des Sportunterrichtes kann nach diesem Film ausgeschlossen werden.
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