Uncle Boonmee who can recall his past lives

Originaltitel
Lung boonmee raluek chat
Land
Jahr
2010
Laufzeit
113 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Patrick Wellinski / 31. Oktober 2010

 

Nicht jeder will mit auf diese Reise. Diejenigen, die im Kino die Geradlinigkeit eines Plots und die klare Figurenzeichnung favorisieren, werden sicherlich zu Hause bleiben. Auch die, die die Langsamkeit im Kino scheuen, werden nicht mitkommen wollen. Selbst Roger Ebert weiß nicht so recht, ob er diese Bilderreise mag oder nicht. Es ist aber egal, wie viele Menschen sich auf Apichatpongs Weerasethakuls neusten Film "Uncle Boonmee who can recall his past lives" einlassen werden, denn auf dieser Reise ist man zu aller erst - allein.

Allein mit Onkel Boonmee (Thanapat Saisaymar), einem alten, sehr kranken Mann, der schon bald an Nierenversagen sterben wird. Er spürt, dass seine Zeit gekommen ist und begibt sich für seine letzten Tage in sein Heimatdorf im Norden Thailands. Dort leistet ihm seine Schwester (Jenjira Pongpas) ein wenig Gesellschaft. Doch schon bald kommen auch Boonmees verstorbene Frau und sein verschollener Sohn - letzterer als Affenmonster mit leuchtend roten Augen - um den sterbenden Mann auf den Tod vorzubereiten.

Immer wieder wird das langsame Sterben Onkel Boonmees durchbrochen von scheinbar völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Episoden. Wie die eines entflohenen Büffels oder die einer Prinzessin, die in einem magischen Teich von einem verhexten Wels (!) begattet wird. Boonmee meint sich an seine vorherigen Leben zu erinnern. Was er aber genau gewesen ist, kann der Mann nicht sagen. Er hätte der Büffel sein können, ein Waldgeist, der Wels oder die Prinzessin. Was er allerdings weiß ist, dass sein Lebenslauf in einer alten Höhle seinen Anfang nahm. Dort will er nun hin um zu sterben.

Apichatpong Weerasethakul - der in Interviews immer wieder sagt, dass seine Freunde ihn gerne "Joe" nennen dürfen - gilt schon seit längerem als Heilsbringer des Kunstkinos. Mit seinen ersten Filmen "Blissfully Yours" und "Tropical Malady" hat er sich auf dem internationalen Festivalmarkt etabliert und fast im Handumdrehen die Herzen vieler Kritiker erobert. Dabei ist der Thailänder, der in Bangkok Architektur und dann Film in Chicago studiert hat, eigentlich kein reiner Kinomacher. Weerasethakuls Wurzeln liegen eher in der Kunst der Installation und der Fotografie. Für ihn ist das Kino eine Spielwiese, die nicht nur dazu da ist Geschichten zu erzählen, sondern ein Ort der Transzendenz. Ein Ort, an dem der Zuschauer wieder etwas Neues erfahren soll.
Weerasethakuls Kino zeigt sich deshalb widerspenstig gegenüber gängigen Dramaturgien und Erzählmustern. Die Filme sind geprägt durch eine lose, episodenhafte Struktur, die allerdings durch eine - im Unterstrom mit schwimmende - mystische Spannung zusammengehalten werden. Für diese Leistung gab es dieses Jahr die Goldene Palme beim Filmfestival in Cannes. Das wichtigste an dieser - durchaus umstrittenen - Jury-Entscheidung ist in erster Linie, dass jetzt vielleicht ein etwas größeres Publikum in den Genuss der Filme dieses Regisseurs kommt.

"Uncle Boonmee ..." entstand als Teil von Apichatpongs multimedialem Installationsprojekt "Primitive Project". Dafür zog es den Regisseur in den Nordosten seiner Heimat, in das Dorf Nabua. Dort entstand in Zusammenarbeit mit den jungen Bewohnern des Dorfes der Kurzfilm "Ghosts of Nabua", der bereits den Ton und Rhythmus von "Uncle Boonmee ..." vorwegnahm. Geister und der Glaube an Seelenwanderung sind im buddhistischen Thailand nichts ungewöhnliches, doch besonders im Nordosten ist die Kultur durch den Glauben der Khmer beeinflusst. Deshalb spielt der Glaube an die enge Bindung zwischen Seele und Natur eine wichtige Rolle in der Arbeit des thailändischen Filmemachers. Was noch eine wesentliche Rolle spielt, ist der Einfluss von Seifenopern. In Thailand gehören schräge Seifenopern zum Fernsehalltag. Eine Welt, die uns westlichen Beobachtern verschlossen bleibt und dennoch einen ungeheuer faszinierenden Eindruck ausübt.

Man muss das alles nicht unbedingt wissen, um "Uncle Boonmee" genießen zu können. Man muss, um in das filmische Universum eines Weerasethakuls einzudringen, kein Thailand-Experte oder Fan von Video-Art sein. Seine Werke funktionieren auch auf einer wesentlich simpleren - man ist fast schon geneigt zu sagen: einer primitiveren - Ebene. Sie konzentrieren sich nämlich komplett darauf, uns in einen Alles-ist-möglich-Zustand zu versetzen. Damit gelingt es ihnen uns das Gefühl zu vermitteln, wir säßen gerade zum ersten Mal im Kino und wüssten nicht, welche Macht dieses Medium eigentlich hat.

Bilder: Copyright

"Seelenwanderungsdrama" ist ein Genre?

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Das dachte ich mir auch gerade.
Mein erster Gedanke war "Seelenwanderungsdrama - Was ist das denn für ein Genre?"
Wie viele Filme gibts in diesem Genre? Einen ;-)?

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