Wenn
ein deutscher Regisseur mit einer deutschen Hauptdarstellerin einen
Film über den Streik der Danziger Werftarbeiter von 1980 dreht,
der zur Gründung der Gewerkschaft Solidarnosc (Solidarität)
und damit zum Anfangspunkt des Umsturzes des polnischen Sozialismus
(und dem Ende des Ostblocks) führte, so ist Ärger eigentlich
vorprogrammiert. Volker Schlöndorff stellt in "Strajk
- Die Heldin von Danzig" eine historisch bedeutsame Kranführerin
in den Mittelpunkt, die außerhalb Polens bis dato fast unbekannt
war. Jetzt hätte man eigentlich Schimpfe vom damaligen Frontmann
und späteren Friedens-Nobelpreisträger Lech Walesa erwartet
(es kam aber nur Lob) und gleichzeitig Lob von der spät geehrten
Dame (es kam aber nur Schimpfe). Vom polnischen Regiemeister Andrzej
Wajda, der die Ereignisse in seinem Film "Mann aus Eisen"
schon 1981 filmisch verarbeitet hatte (und dafür die Goldene
Palme in Cannes erhielt), hätte man auch annehmen können,
es gebe Schimpfe (es gab aber nur … jawohl, Lob).
In Polen sind die Ereignisse des Augusts 1980 bis heute nicht richtig
aufgearbeitet. Die Frage, wer damals die Schergen, die Helden und
wer die Bauernopfer waren, zehrt immer noch an diesem nationalen
Mythos. Aus diesem Grund wird Schlöndorffs Film in Polen auch
mit gemischten Gefühlen gesehen.
"Strajk"
basiert auf der Geschichte der (hier in Agnieszka Kowalska umbenannten)
Kranführerin Anna Walentynowicz, deren fristlose Entlassung
auf der Danziger Lenin-Werft den historischen Streik auslöste.
Agnieszka (Katharina Thalbach) ist eine kleine, aber resolute Frau:
Sie erzieht ihren Sohn allein, verliebt sich in einen Trompeter
(Dominique Horwitz), arbeitet hart und erfüllt immer mehr als
ihr Soll auf der Werft. Ihr aufrührerisches Engagement beginnt
mit einem Kampf um warme Suppe für die Arbeiter in ihrer Halle
und endet viele Jahre später schließlich in einem Streik,
der die Nation verändert. Den Vortritt als Redner und Spitze
der Bewegung überlässt sie dabei einem Mann: Lech Walesa
(Andrzej Chyra, "Leben in mir").
Zuerst einmal muss Katharina Thalbach für ihre Darstellung
der couragierten Hauptfigur gelobt werden. Sie beherrscht das Bild
immer und überall und wurde zu Recht mit dem Bayerischen Filmpreis
ausgezeichnet. Trotzdem bleibt immer eine leichte Irritation beim
Zuschauer, da Thalbach ohne sichtbare Veränderungen durch die
Maskenbildner ihre Figur über eine Zeitspanne von 20 Jahren
spielt. Thalbach ist zwar gut, aber ihr haftet immer etwas Spitzbübisches
an, was mit der übergroßen Ernsthaftigkeit der Inszenierung
von "Strajk" kollidiert. Die Hauptfigur darf zudem nicht
einmal eine wirkliche Entwicklung durchlaufen: Anfänglich ist
sie fleißig, couragiert und katholisch, im Mittelteil fleißig,
couragiert und katholisch und schließlich - man kann es sich
denken.
Des
Weiteren ist die Symbolik des Films überaus plump. Auf der
einen Seite wird auf ausgelutschten Symbolen träge herumgekaut,
auf der anderen Seite zeigt Schlöndorff die tatsächlichen
Hintergründe dieser spezifischen Geschichte in einem ungünstigen
Licht. Wenn eine friedliche Revolution von Werftarbeitern im Film
in einer Szene fast als Lynchmob dargestellt wird, so kann man den
Ärger der echten Anna Walentynowicz gut verstehen.
Die Einbindung dokumentarischen Bild-Materials in "Strajk"
löst nur müdes Gähnen aus, hat doch Andrzej Wajda
das schon 1981 in seinem "Mann aus Eisen" wesentlich besser
eingesetzt (Wajda musste damals nicht nur konsequent eine Verhaftung
während der Dreharbeiten befürchten, sondern sich die
realen Aufnahmen heimlich und auf vielen Umwegen beschaffen). Die
Kamera von Andreas Höfer ("Sommer vorm Balkon") ist
gut, besonders die Werft wird interessant eingefangen. Auch der
Schnitt von Peter Przygodda (Stamm-Cutter von Wim Wenders) ist sehr
gut. Doch das chronologische Gerumpel durch die Jahrzehnte und die
stellenweise Spannungslosigkeit der braven Erzählung kann auch
die Montage nicht übertünchen.
Es
gibt nur einen Punkt, der noch übler aufstößt als
die langweilige Erzählung: die Musik. Die Sache ist einfach:
Die Wahl von Elektro-Avantgardist Jean-Michel Jarre, der 2005 ein
Live-Konzert zum 25. Jubiläum der Solidarnosc in der Danziger
Werft gab, leuchtet zwar ein, aber entweder mag man die eigenwilligen
elektronischen Klänge seiner Filmmusik, welche die industrielle
Werftkulisse untermalt, oder man findet sie einfach nervtötend.
Ein bisschen Mäßigung wäre vielleicht keine schlechte
Idee gewesen.
So ist "Strajk" mehr Schein als Sein. Der Film verursacht
mediales Interesse wegen gerichtlicher Klagen und Diskussionen über
die "wahren" Ereignisse und Personen, ist aber filmisch
gesehen weit entfernt von den Höhepunkten im Werk Schlöndorffs.
Wer sich gern einen Film über den Streik ansehen möchte,
dem sei Andrzej Wajdas "Mann aus Eisen" ("Czlowiek
z zelaza", 1981) ans Herz gelegt, der jedoch nur als DVD-Import
in gut sortierten Film-Bibliotheken erhältlich ist. Doch auch
wenn Wajda den besseren Film über diesen Stoff drehte, so triumphierte
Schlöndorff schon zuvor an anderer Stelle: Wajda war einst
die erste Wahl für die Verfilmung der "Blechtrommel",
doch Günter Grass und der Regisseur scheiterten in ihrer Zusammenarbeit
schon am Drehbuch. Volker Schlöndorff übernahm den Job
und gewann schließlich mit dem Film den ersten deutschen Auslands-Oscar.
Schlöndorffs nächstes Projekt ist die Verfilmung des historischen
Romans "Die Päpstin" von Donna Cross. Er kann aufatmen:
Diesmal wird es ganz bestimmt keinen Ärger mit der realen Hauptfigur
geben.
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