Die Einsamkeit. Ein grausames Schicksal. Menschen, die einsam sind, bauen sich ihre eigene Welt. Sie verschließen sich vor anderen und grenzen sich ab. Manche nehmen ihr Schicksal fast schon gelassen hin, andere wiederum können nur schwer mit der Isolation umgehen. Wenn nun zwei Einsame aufeinander treffen, wie in "Snow Cake" von Mark Evans, dann kann es im besten Falle dazu kommen, dass sie einander Trost spenden. Und in dem sie dies machen, gelingt es ihnen vielleicht, ein paar von ihren selbst errichteten Mauern wieder abzubauen. Einer der einsam ist und auch einsam sein will, ist Alex (Alan Rickman) zu Beginn des Films. Wie er da an der Autobahnraststätte an einem kleinen Tisch sitzt und sich mit seiner Zeitung zudeckt, signalisiert eindeutig: Ich will allein sein. Doch Vivienne (Emily Hampshire) ist das egal. Die junge Tramperin setzt sich zu Alex und hat ihn nach ein paar sympathischen Sprüchen so weit, dass er sie mit nimmt. Ein schrecklicher Autounfall, aus dem nur Alex lebend herauskommt, führt den Mann zu Viviennes Mutter. Linda (Sigourney Weaver) ist eine, die einsam ist und auch mehr oder minder einsam sein muss. Linda ist Autistin, und die Ignoranz, mit der sie den Tod ihrer einzigen Tochter aufnimmt, schockiert Alex, so dass er länger bei ihr bleibt, als er eigentlich wollte. Einen
Autisten zu verkörpern, dass ist eine wahre Herausforderung
für einen Schauspieler. Unvergessen bleibt Dustin Hoffmans
Verkörperung des autistischen Raymond in Barry Levinsons Oscar-gekröntem
Film "Rain Man" von 1988. Auf der anderen Seite neigen
viele Schauspieler beim Darstellen kranker oder behinderter Menschen
oft zum Overacting. Sie transportieren in ihre Figur zu viel Energie,
wollen damit den Zuschauer emotional an sich ketten. Mit Authentizität
hat dies dann beileibe nichts mehr zu tun. Das dies immer wieder funktioniert, liegt aber auch an Alan Rickman, einem der derzeit vielleicht besten englischen Schauspieler. Mit und durch ihn erkunden wir die Welten, in denen Linda sich aufhält. Mit ihm können wir aber auch ihre Umwelt wahrnehmen, wozu sie ja nicht in der Lage ist. Die Reaktionen ihrer Nachbarn oder auch die ihrer Eltern bleiben Alex nicht verborgen. Und mit der Zeit fängt auch der kühle Alex an sich zu öffnen. Peu a peu verliert sich seine Verschlossenheit (grandios untermalt von Rickmans anhaftender britischer Reserviertheit). Er legt seinen ruppigen Schutzmantel vielleicht nie ganz ab, aber er lässt zögerlich durchsickern, dass das Leben aus ihm diesen verschlossenen und einsamen Menschen gemacht hat, und wenn er später im Film genau erzählt was ihm widerfahren ist, versteht man wieso er den besten Draht zu Linda hat. Evans behandelt seine Figuren zart und mit viel Liebe. Davon profitieren
dann auch die beiden Hauptdarsteller, und es kommt zu grandiosen
Dialogen wie: "Gibt es Menschen die sie mögen, Alex?"
/ "Nicht viele." / "Das wundert mich gar nicht. Es
liegt an ihrer Brille. Sie haben ein langes Gesicht und diese Brille
lässt sie zwielichtig aussehen." / "Wirklich?"
/ "Ja." Es sind diese Dialoge, gepaart mit der unglaublichen
Präsenz der beiden Darsteller, die wirklich zu berühren
und entzücken wissen. Der Film hat formal betrachtet keine
wirklichen Schwächen. Es mag sein, dass durch die durchschlagenden
schauspielerischen Leistungen von Weaver und Rickman die restlichen
Figuren des Films zu sehr an den Rand gedrängt werden, aber
das verliert sich fast unmerklich in der schönen Landschaft.
Die ganze Tragikomödie spielt in einem verschlafenen und vor
allem verschneiten Dorf in Kanada. Fast abgeschnitten von der Welt.
Da ist sie wieder, die Metapher der Einsamkeit. |
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