Smile - Siehst du es auch?

Originaltitel
Smile
Land
Jahr
2022
Laufzeit
115 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Marc Schießer / 29. September 2022

Das gruselige Grinsen muss definitiv zu den lukrativen Gesichtsausdrücken der Popkultur des letzten Jahrzehnts gehören. Bill Skarsgards debil-teuflisch lächelnder Pennywise etwa machte „Es“ zum kommerziell erfolgreichsten Horrorfilm aller Zeiten und zog eine (ziemlich misslungene) Fortsetzung nach sich, der ein Budget und ein Aufwand zugeteilt wurde, wie sie ansonsten gigantischen Superhelden-Blockbustern vorbehalten bleiben. Gleichzeitig fluten unaufhaltsam unzählige Inkarnationen von Batmans Nemesis Joker die Leinwände und Bildschirme, die seine ikonisch grimassierenden Mundwinkel mal als so entstellende wie rätselhafte Narben, mal als psychischen Defekt eines unfreiwilligen Lachens stets ins Zentrum des ikonischen Looks der Figur stellen.

Es war also ein ziemlich genialer Schachzug von Paramounts Marketing-Abteilung, Autor/Regisseur Parker Finns Langfilm-Debut „Something's Wrong with Rose“ den schlichten Titel „Smile“ zu verpassen und das diabolisch-verstörende Lächeln zum Aufhänger einer schwer kreativen Marketingkampagne zu machen. So wurden z.B. wahnsinnig in die Kamera grinsende Schauspieler in Smile-T-Shirts engagiert, die sich bei einem realen Baseballspiel unters Publikum mischten und direkt nach den TV-Ausstrahlungen natürlich als kurze Clips bei Twitter viral gingen.

Der Film selbst steigt dann auch mit einer sehr starken Sequenz ein, in der eine junge Psychotherapie-Patientin (Caitlin Stasey) mit besagtem Gesichtsausdruck ihrem Leben auf so grauenvolle, wie spektakuläre Weise ein Ende setzt. Und das vor den Augen der überarbeiteten Psychiaterin Dr. Rose Cotter (Sosie Bacon), die von dem Vorfall tief verstört wird und ihr Leben fortan als Kette von beunruhigenden Wahnvorstellungen mit permanenten Besuchen böse grinsender Menschen wahrnimmt. Schnell steht die Theorie eines Fluchs im Raum, welcher durch Selbstmord vor den Augen eines Zeugen übertragen wird. Gemeinsam mit ihrem Ex-Freund Joel (Kyle Gallner) versucht Rose die Kette aus Tod und Leid zu ihrem Ursprung zu Verfolgen und gleichzeitig einen Weg zu finden, das ihr drohende Unheil abzuwenden.

Zugegeben, Smile ist in keinem Aspekt sonderlich originell. Über das schon hundertfach verwendete visuelle Gimmick des Bösen ging es schon im ersten Absatz, und bereits in der Eröffnungsszene, wenn die Mechanik der geisterhaften Erscheinungen im Detail offengelegt wird, werden starke Erinnerungen an "It follows" wach. Diesem Konzept wird dann ziemlich beat für beat die Erzählstruktur von „The Ring“ übergestülpt, inklusive sieben Tage Countdown bis zum drohenden Ende, versöhnlich stimmender Ermittlung mit dem Ex-Partner und Last Minute-Strategiewechsel den Fluch doch noch auszutricksen, im letzten Akt.

Im Rahmen dieser etwas reißbretthaften Dramaturgie möchte „Smile“ dann auch noch ein bisschen etwas zu Traumabewältigung und der Maske, die sich psychisch kranke Menschen im Alltag aufsetzen müssen, erzählen. Allerdings nicht wirklich substanziell, wie einige der sogenannten „Elevated-Horrofilme“ wie beispielsweise "Midsommar" oder "Der Babadook" es in den letzten Jahren versucht haben. Während diese neue Generation von Schockern auf einer stark metaphorischen Ebene arbeiten, erzählt „Smile“ wesentlich klassischer von seinen tiefer gehenden Themen schlichtweg als Auslöser, an den das spezifische, übernatürliche Regelwerk des Films gekoppelt ist.

Während Rose dabei ist, eben dieses zu ergründen, kommt es im Mittelteil dann auch zu einer recht zähen Passage, die sich sehr lange mit „Das Böse ist hier, warum könnt ihr es nicht sehen, bitte glaubt mir doch endlich“ beschäftigt. Szenen dieser Art gab es in letzter Zeit ziemlich viel zu sehen, beispielsweise verbringt Olivia Wilde in ihrem furchtbaren „Don´t worry Darling“ ganze 90 Minuten damit, weswegen die Spannung in diesem Abschnitt leider deutlich durchhängt.

Das klingt jetzt alles ziemlich negativ, doch dieser Rezensent ist der Meinung, dass sich der Erfolg eines Horrorfilms aller inhaltlichen Abgedroschenheit zum Trotz vor allem auch an der Effektivität seines Grusels bemessen lässt. Und auf der Ebene einer spaßigen Geisterbahnfahrt liefert Parker Finn dann auch voll ab. Der Film enthält mindestens ein Dutzend clever aufgebauter Gruselszenen, die gekonnt ein Level an dauerhafter Grundspannung aufbauen und die Zuschauer immer wieder aus Neue überraschen und erschrecken. Wer mit Jump-Scares nichts anfangen kann, sollte „Smile“ dann auch tunlichst meiden, denn die Frequenz, mit der die oft sehr lautstarken Erschrecker hier abgefeuert werden, dürfte zu den höchsten in den letzten Jahren gehören.

Aber eben auch zu den Effektivsten, denn die selbstsichere Inszenierung erinnert mehr als einmal an die frühen James Wan-Werke wie „The Conjuring“ oder „Insidious“. Mit einer stilsicheren und eleganten Kameraführung, gut getricksten handgemachten Effekten und vor allem einer tiefen Kenntnis des Genres schafft es Parker Finn immer wieder die Zuschauer auf die falsche Fährte zu locken, um den Schockmoment dann trotz aller Erwartbarkeit doch überraschend zu variieren.

Die wahren Stars dieser gelungenen Zurschaustellung von gut funktionierendem Handwerk sind aber vor allem Elliot Greenbergs Schnitt und Christobal Tapia de Veers Musik. Der Schnitt springt oft ohne jede Vorahnung abrupt in eine andere Szene und erzeugt zusammen mit der aggressiven, dissonanten, geradezu verstörenden und gelegentlich mit dem Sounddesign verschwimmenden Musik eine nervöse Anspannung, die genau die tiefe Verunsicherung widerspiegelt, die unsere Protagonistin Rose empfindet.

Diese Verunsicherung und die Spirale in den Wahnsinn, die sich aus ihr ergibt, verkörpert Hauptdarstellerin Sosie Bacon dann auch so engagiert wie überzeugend, weswegen man ihr bereitwillig ins düstere Finale in die eigene Vergangenheit folgt. Hier dreht „Smile“ nochmal richtig auf, liefert ein paar saftige Gore-Effekte und creepy Designs, die sich definitiv nicht zu verstecken brauchen und jetzt schon neugierig machen, was Parker Finn wohl als Nächstes fabrizieren wird.

Deswegen gibt es für alle Freunde ehrlichen Grusels dann auch abschließend eine klare Kino-Empfehlung für „Smile“, wenn auch bitte niemand erwarten sollte, dass das gruselige Grinsen hier neu erfunden wird.

Bilder: Copyright

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