Der Babadook

Originaltitel
The Babadook
Land
Jahr
2014
Laufzeit
90 min
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Simon Staake / 6. Mai 2015

In Amerika sagt man, es gebe nichts Neues unter der Sonne. Auf Film angewandt, könnte man sagen: Es gibt nichts Neues unter dem Blutmond des Horrorfilms, dem wohl abgeschmacktesten und unkreativsten aller Filmgenres. Umso schöner ist es, dass in diesem Frühjahr gleich mehrere Filme dieses oftmals zu Recht verunglimpften Genres sich daran machen, das Gegenteil zu beweisen. In ein paar Wochen folgt der grandiose „It Follows“, erst einmal darf aber der Babadook einen das Fürchten lehren. Aber wer oder was ist ein Babadook? Der Babadook ist die Hauptfigur eines Kinderbuchs, das eines Tages mysteriös auf dem Buchregal des jungen Samuel (Noah Wiseman) landet. Es könnte zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen, denn Samuel ist ein schwieriges Kind und der Stress als alleinerziehende Mutter eines solchen Kindes setzt Amelia (Essie Davis) enorm zu. Samuel droht der Verweis von der Schule, der seltsame Junge stapft mit selbstgebauten Waffen durchs Haus auf der Jagd nach imaginären Monstern – ja, und dann taucht zu allem Überfluss noch der Babadook auf. Als Samuel eines Abends die Gutenachtgeschichte aussuchen darf, holt er ein merkwürdiges Buch vom Buchregal, dass seine Mutter noch nie gesehen hat. „Mister Babadook“ ist ein krudes Pop-Up-Buch, das in denkbar kinderunwürdiger Weise vor seiner Hauptfigur warnt, die den Lesern des Buches erst das Fürchten beibringen und dann nach dem Leben trachten wird. Die Lektüre hat katastrophale Folgen für den ohnehin schon an Monster glaubenden Samuel und bald fragt sich auch die zunehmend labile Amelia, ob es den Babadook vielleicht wirklich gibt...

 

Was diese Mini-Welle an neuen, originellen Horrorfilmen auszeichnet, ist vor allem, wie diese Filme aus winzigen Budgets das Meiste herausholen, ohne auf die Spar-Tricks der billig produzierten found footage-Filme zurückzugreifen. Wie auch „It Follows“ ist „Der Babadook“ hervorragend gefilmt und holt in seiner traditionellen Arbeit mit Licht und Schatten und Bildausschnitten, in denen im Hintergrund oder an den Rändern dessen, was wir und Amelia und Samuel sehen können, etwas Unheimliches und Bedrohliches lauert, das Optimum aus seinen begrenzten Möglichkeiten heraus. Und so wie die jungen Darsteller von „It Follows“ jenen Film erfreulich frei von Teenie-Klischees halten, so ist „Der Babadook“ vor allem eine schauspielerische Bravourleistung von Hauptdarstellerin Essie Davis. Dies ist ihr Film, vor allem da „Der Babadook“ neben einer Horrorgeschichte über ein Monster aus einem Kinderbuch vor allem eins ist: das Porträt einer von allen Seiten belagerten Mutter am Rande des Nervenzusammenbruchs.

Der Horror hier ist vorrangig psychologischer Art und nicht nur ein wenig inspiriert von den realistischen Horrordramen des jungen Roman Polanski wie „Ekel“ und „Rosemarys Baby“. Dementsprechend spielt „Der Babadook“ hauptsächlich mit der Frage, ob und wieviel der gruseligen Attacken des titelgebenden Monsters eventuell nur in der Einbildung einer überforderten Mutter am Ende ihrer geistigen Kräfte stattfinden. Und dies muss man Regisseurin und Drehbuchautorin Jennifer Kent lassen: Während andere ähnlich gelagerte Filme die Katze schon früh aus dem Sack lassen und dem Publikum ziemlich deutlich zeigen, dass das Monster doch echt ist, lässt einen „Der Babadook“ über sehr lange Zeit im Ungewissen und das Drehbuch hat mit seinem Hinweis auf den Babadook als innere Gefahr in den Versen des Kinderbuchs seinen Teil dazu beigetragen. Über die längste Zeit kann man als Zuschauer nicht sicher sein, ob die Gefahr nun wirklich von etwas Übernatürlichem kommt – oder etwas viel Menschlicherem. Und auch das Ende lädt sicherlich zur Interpretation ein.

„Der Babadook“ bedient sich auch mal klassicher Horrofilmmotive wie der Alptraumsequenz, lotet ansonsten aber geschickt diese Schnittstelle zwischen Realität und Irrealität immer wieder aus. Ein perfektes Beispiel ist Amelias Besuch in der Polizeistation. Gestresste Frau mit Verfolgungswahn oder getriebenes Opfer böser Mächte? Seltsam aufgehängte Hut und Kleidung oder Machwerk des Babadook? Verwahrloste Fingernägel oder Zeichen des Bösen? Diese Fragen muss der Zuschauer selbst für sich beantworten.

Die Mischung aus traditionellem Horror und knallhartem Psychodrama sorgt allerdings dafür, dass sich die Zuschauer darauf einstellen müssen, dass angesichts der Subtilität, die Kent hier an den Tag legt, der Film zweifellos seine langsamen und weniger horror-affinen Passagen hat. Wie auch „It Follows“ ist dies ein bisschen eine love-it-or-hate-it-Angelegenheit. Für manche Zuschauer war dies der langweiligste Horrorfilm überhaupt, auch wenn dieses Urteil dem Rezensenten schon deshalb schleierhaft bleibt, weil die immer wieder geschickt gesetzten Spannungsspitzen zweifellos funktionieren. Jedenfalls erheblich mehr als die alten „jemand springt ins Bild mit lautem Geräusch dazu“.

Eventuell hängt der Erfolg von „Der Babadook“ auch von Alter und Situation der Zuschauer ab, denn dies ist eindeutig kein Film für ein Teenager- oder sehr junges Publikum. Ein älteres Publikum wird dagegen nicht nur die altmodische Machart und Referenzen an klassische fantastische Filme (von Mélies zu deutschen Expressionisten) zu schätzen wissen, sondern auch den allegorischen Aspekt der Geschichte. Denn wer selbst Kinder hat, kann Amelias Situation schon eher nachvollziehen und wird von den hier teilweise brutalen Sequenzen zwischen Mutter und Sohn am Ehesten getroffen. Wenn etwa die durch Schlafentzug und Stress völlig am Ende scheinende Amelia dem nach Essen jammerndem Samuel ein schockierendes „Friss Scheiße!“ entgegenschreit, ist dies der wohl Angsteinflößendste Moment dieses Films, und das ganz ohne Monster. Oder mit Monster, je nach Sichtweise.

„Der Babadook“ ist ein ausgesprochen gelungener Mix aus klassischem Monsterhorror und psychologischem Drama, aber – man hat es verstanden – nicht für jedermann. Als gelungenes Beispiel dafür, wozu das Horrorgenre (noch) fähig ist, taugt dieser Film aber allemal.

Bilder: Copyright

8
8/10

Vielen Dank für die Rezension, die ich in allen Punkten teilen kann. Leider auch in Bezug auf die Publikumseinschätzung. Schlimm genug, dass der Film hier nur im Multiplex läuft, aber wenn die gelangweilte Nacho-und-Bier Fraktion dann auch noch meint lautstark Kommentare während des Films abgeben zu müssen, ist das Vergnügen leider etwas getrübt. Der Film ist mit viel Liebe zum Detail eingefangen, was man sowohl am superben Sounddesign als auch an der Kameraführung erkennen kann. Figuren- und Konfliktzeichnung sind nicht wirklich subtil, aber immerhin noch 10mal intelligenter ausgeführt als im 0815-Horrorfilm der letzten 20 Jahre, Wobei sich wirklich die Frage stellt, ob Der Babadook überhaupt ein Horrorfilm sein will, oder nicht eher ein stimmig inszeniertes Psychogramm einer völlig überforderten alleinerziehenden Mutter, ein Thema, dem sich letztlich die wenigsten bierseligen Kinobesucher an einem Wochenende stellen wollen.

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Mir und meiner Freundin hat der Film überhaupt nicht gefallen, das Kind war nervig und unsympathisch, die Mutter verrückt und ebenso unsympathisch.
Wir haben uns fast schon gewünscht, dass die vom Babadook erwischt werden.

Die Atmosphäre, naja, wirkte als ob die 30er Jahre in die Neuzeit projiziert wurde, auf mich unglaubwürdig.
Was war eigentlich mit dem Arbeitskollegen aus dem Altenheim, man hatte das Gefühl der würde noch ne Rolle spielen, einer der wenigen in dem gesamten Film der nett und "normal" wirkte, aber er kam nicht mehr zum Einsatz.

Komisch, ich hab im gesamten Internet nicht eine einzige negative Kritik über diesen Film gelesen.

Vermutlich können wir uns aber auch einfach nicht mehr über selbstgemachten Independenthorror freuen und meine Freundin und ich sind die Banausen, während alle anderen Recht haben.

Bei mir hat der Film leider nicht funktioniert.

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furchtbar.
aber furchtbar schlecht, die Mutter war an ihren "Geräuschen" gemessen eher dabei, ein Kind zu bekommen, das Kind war nur nervtötend und allgemein war jegliche Animation furchtbar schlecht gemacht.

Definitiv nicht empfehlenswert!

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10
10/10

Alles richtig gemacht!
Aber wirklich ALLES!
Kann mich dieser Rezension nur 100% anschließen und bin zudem begeistert, dass der Rezensent alle Winks und Nods genau so begeistert erkannt hat wie ich. Der Kern des Films ist eine hervorragende Hommage an Polanski's "Der Mieter", und nebenbei wird von Mélies über Spielberg und den deutschen Expressionismus nebenbei den wundervollsten Meisterwerken gehuldigt - aber nicht wie im Sinne von Tarantino als bloßes Zitat, sondern einfach, weil hier jemand ein verdammt gutes Auge für Details hat und weiß, wann solche Einschübe dem Film dienen können. Apropos Auge fürs Detail: Allein in den ersten 10 Minuten erzählt der Film in Form kleiner Vignetten SO dermaßen viel und sorgt für ein so betonsolides Setting, dass es fast schon atemberaubend ist. Und die Art und Weise, wie hier die Normalität in den Wahnsinn überkippt ist so verdammt gut gemacht, wie ich es bei keinem Horrorfilm der letzten 20 Jahre gesehen habe. Die Leistungen der Darsteller sind überirdisch gut. Der visuelle Part absolut erhaben. Die Finsternis kommt hier nicht über dösige CGI, sondern durch Atmosphäre.
Das es SO etwas noch gibt, ist wirklich erstaunlich.
Ich habe viele gute Stimmen zu diesem Film im Vorfeld gehört, aber DAS habe ich nicht erwartet. Als beinharter Horrorfan, der so gut wie keinen Beitrag zum Genre verpasst, auch wenn er noch so dämlich ist, bin ich versucht zu sagen, dass der Babadook möglicherweise der beste surreal angehauchte Psychohorror ist, den das Genre seit den 70er Jahren hervorgebracht hat.
An die beiden "Gäste" da über mir: sorry, Ihr solltet Euch mehr mit Film als Kunstwerk beschäftigen und nicht nach billiger Schock-Unterhaltung geiern.... Euch entgeht was.
Dieser Film zumindest ist für Kenner des Genres ein echtes Labsal und absolutes Must-See. Ich bin hin und weg.

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4
4/10

Wir haben den Film mit großen Erwartungen angesehen, aber ganz ehrlich: Nö. Das hat mal überhaupt nicht funktioniert.

Zunächst gab es direkt zwei unglaublich nervige Hauptdarsteller, mit denen man sich absolut nicht identifizieren konnte. Der Junge war schlimmer als das Psychokind aus "Looper" und die Mutter hatte keinerlei Bezug zur Realität und hat viel zu spät darauf reagiert, dass der Kleine offensichtliche Probleme hat. Es brauchte gar keinen Babadook.

Man kann sagen, dass Sinn und Entstehung des Babadooks im Dunkeln gelassen werden und damit interpretationsfähig bleiben. Man kann aber auch sagen, dass es hier einfach keine Idee gab. Was will der Babadook? Wen sucht er heim? Ist er an ein Haus gebunden? Könnte man nicht wenigstens einen Anhaltspunkt geben, wann, wieso und zu wem er kommt?

Abgesehen vom Klischee, dass Darsteller in Horrorfilmen einfach nicht logisch handeln wollen, gab es auch ansonsten eine Aneinanderreihung typischer Szenen, die es schon zig Mal gab (knarrende Türen, man sieht jemanden, der auf den zweiten Blick nicht mehr da ist, Glühbirnen brennen durch, der Keller ist der gefährlichste Ort, ein seltsames Geräusch stellt sich als harmlos heraus etc.). Nicht nur aus Horrorfilmen wurde zitiert: Stellenweise hat mich der übertrieben handwerklich begabte Junge an "Kevin allein zu Haus" erinnert.

SPOILER
Ich kann echt keine Leute mehr sehen, die besessen sind und deshalb im Zeitraffer hin und her ruckeln und tiefe Stimmen bekommen. Was ist denn daran neu? Und was sollte das Ende? Der ohnehin schon schwer psychisch gestörte Junge ist damit einverstanden, dass das Monster im Keller wohnt und wie ein Haustier gefüttert wird? Während er gleichzeitig damit klarkommt, dass seine Mama sein echtes Haustier umgebracht hat?

Mag ja sein, dass alles eine Metapher sein sollte. Aber so einfach kann man es sich echt nicht machen.
Übrigens gefiel mir "It Follows" sehr gut, eben weil ich keine typischen Horrorfilme mag. Aber das hier war einer.

Positiv: Kamera und Licht waren wirklich sehr gut, ihre Schauspielleistung ebenfalls (beim nervigen Kind weiß ich aber nicht, ob das so übertrieben sein sollte oder ob der Junge einfach schlecht gespielt hat), die Illustrationen waren auch sehr gut.

Zum Schluss die Frage: Wieso ab 16?! Das würde ich niemals einem Jugendlichen zeigen.

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