
Die "Brothers Strause" Colin und Greg arbeiten seit gut 15 Jahren als Spezialisten für visuelle Effekte in Hollywood und haben sich eine beeindruckende Filmografie erarbeitet. Vor drei Jahren durften sie dann das erste Mal bei einem Spielfilm selbst Regie führen und inszenierten das SciFi-Monster-Sequel "Aliens vs. Predator 2". Nicht gerade ein Film, der sich durch sonderliches Interesse an seinen menschlichen Figuren hervortut. Nun präsentieren die beiden Brüder mit "Skyline" ihre Version des klassischen SciFi-Themas "Außerirdische Invasion". Und zeigen, was dabei herauskommt, wenn man jeden Cent in die Effekte und keinen einzigen in die Story steckt. Nämlich: Ein so haarsträubend schlecht geschriebener Film, dass er fast schon wieder als Lehrbuchmaterial taugt - wie man es nicht machen sollte.
Der Film eröffnet direkt mit bedrohlichen, Effekte-geladenen Bildern von der Alien-Invasion - und provoziert sofort Erinnerungen an "Independence Day". Es wird nicht der letzte Genre-Klassiker bleiben, bei dem man sich hier stilistisch bedient hat. Man erlebt die fünf Hauptfiguren, wie sie des Nachts von der Invasion aufgeschreckt werden und ein paar beunruhigende Dinge erleben. Dann springen wir erstmal 15 Stunden zurück in der Zeit, um die so eben aufgescheuchten Protagonisten erstmal kennenzulernen. Ein solcher Zeitsprung rückwärts ist als dramaturgisches Werkzeug indes nur sinnvoll, wenn von der Eröffnung des Films die spannende Frage aufgeworfen wird: Wie sind die Figuren bis an diesen Punkt gekommen? Im Falle einer Alien-Invasion gibt es für die Filmhandlung wohl kaum eine Frage, die unspannender ist als diese. Und so wirkt schon diese Eröffnung wie eine entschuldigende Bitte ans Publikum, die folgenden 15 Minuten einfallslos konstruierter und langweilig-platter Charakter-Exposition durchzuhalten. Danach gibt's dann auch mehr lecker Effekte. Versprochen.
Die "Helden" dieses Films sind Jarrod (Eric Balfour) und seine Freundin Elaine (Scottie Thompson). Sie kommen nach L.A., um Jarrods alten Kumpel Terry (Donald Faison) zu besuchen, der es zu ordentlich Geld gebracht hat (wie und womit, wird nie so ganz klar; es schien den Autoren ziemlich egal gewesen zu sein). Er will Jarrod, der Spezialist für visuelle Effekte ist (oh, wie einfallsreich…), überreden für ihn zu arbeiten und nach L.A. zu ziehen. Elaine findet die Idee nicht so dolle, denn sie hat gerade gemerkt, dass sie schwanger ist. Terry ist mit der eigenschaftslosen Trophäen-Blondine Candice zusammen, vögelt aber heimlich nebenher seine Assistentin. Echt spannend, nicht wahr?
Diese fünf Leute erleben nach einer Party in Terrys Penthouse-Apartment nun gemeinsam die Alien-Invasion - und tun im Folgenden eigentlich nichts, außer zuhause zu bleiben und zuzugucken. Wie man es wohl auch nicht anders von eigenschaftslosen Charakteren mit Berufen von sehr geringem militärisch-strategischen Wert in solch einer Situation erwarten würde, wenn jeder Schritt vor die Tür fast sofort zum eigenen Ableben dank schieß- und fresswütiger Aliens führt.
Dass sie zur problematischen Gesamtsituation einer drohenden Invasion nicht wirklich etwas beizutragen haben, hindert die Herren und Damen aber nicht daran, sich zu benehmen als seien sie in einem Michael Bay-Film. Als Jarrod und Terry nach der ersten Invasions-Welle aufs Dach wollen, um sich einen besseren Überblick über die noch unklare Situation zu verschaffen, werden sie von ihren Frauen verabschiedet, als würden sie in den Krieg und den sicheren Tod ziehen. Bewaffnet mit einer Kamera (klar, Bilder machen ist immer wichtig, für Facebook und so) und einer Pistole (klar, der Schwarze hat eine Knarre zuhause) steigen die beiden aufs Dach. Beide Gegenstände erweisen sich im folgenden als komplett nutzlos. Dafür schaffen es die beiden, sich mit einer idiotischen Aktion auf dem Dach auszusperren und so zur Zielscheibe für die Aliens zu werden. Ja, solche Wege muss dieser Film gehen, um Action-Sequenzen zu kreieren, in denen seine Figuren auch eine Rolle spielen.
Die meiste Zeit tun sie das darum auch nicht. Als das Militär zum Gegenschlag ausholt und ein kleiner, mutiger Bomber sich bewundernswert durch unzählige gegnerische Angreifer manövriert, um eine Atom-Bombe auf das große, böse Mutterschiff abzuwerfen, dann wissen wir als Zuschauer nicht einmal, wer das Teil eigentlich fliegt, denn unsere "Helden" stehen nur am Fenster und gaffen.
Sonderlich gut informiert sind sie dabei nicht, denn die Aliens scheinen schon mit ihrer ersten Angriffswelle zielsicher sämtliche Fernsehstationen des ganzen Landes außer Gefecht gesetzt zu haben. Radio oder Internet scheinen in diesem Film schlicht nicht zu existieren.
Was der Film offensichtlich versucht, ist eine Kopie des "Die Katastrophe aus der Perspektive einiger totalen Normalos"-Konzepts, welches "Cloverfield" praktiziert hat. Statt der Invasion eines Godzilla-artigen Monsters ist es diesmal die Alien-Variante. Und tatsächlich hilft "Skyline" dabei, dass man erst so richtig zu schätzen lernt, wie gut und originell "Cloverfield" tatsächlich war in der Umsetzung seiner neuartigen Erzählperspektive auf das alte Genre-Thema Invasion, inklusive Handkamera-Optik - eben die Kamera des totalen Normalos.
"Skyline" scheitert auch darum auf ganzer Linie, weil es ihm nicht gelingt, seine Figuren auch nur ansatzweise fürs Publikum interessant zu machen. Sie bleiben bloße austauschbare Pappkameraden, und da ist es schon bezeichnend, dass die größte Überraschung in der Filmhandlung darin besteht, noch vor Halbzeit zwei der fünf zentralen Figuren zu killen. Womit sich einer der beiden zuvor eingeführten Handlungsstränge um unsere "Heldentruppe" auch schon wieder erledigt hat. Ja, so egal sind diesem Film seine eigenen Figuren.
Dass so gut wie jeder Cent des schmalen 10-Millionen-Dollar-Budgets des Films in die Effekte gesteckt wurde, ist offensichtlich: Die krampfhaft konstruierte Beschränkung auf ein Hochhaus-Apartment und das direkte Drumherum als Sets, der winzige Cast mit nicht mehr als zehn relevanten Sprechrollen, die komplette Abwesenheit von Statisten in den Außenszenen (jenseits von kleinen, Computer-animierten Männchen in der fernen Distanz) - hier wurde an allem gespart, was nicht direkt etwas mit den Aliens zu tun hat. Die wiederum erweisen sich als krudes Sammelsurium aus Elementen anderer SciFi-Monster, zusammengepuzzlet aus den Insekten aus "Starship Troopers", den Tentakel-Maschinen der "Matrix" und dem "Aliens"-Muttertier. Das Ergebnis ist ein Wesen irgendwo zwischen Schleim-Monster und Roboter. Da wüsste man schon gern, wie wohl die Evolution auf dem Alien-Heimatplaneten abgelaufen ist.
Am Ende schafft es "Skyline" doch noch, sein Heldenpaar auf Tuchfühlung mit den Invasoren zu bringen, und präsentiert zunächst eine finale Konfrontation von Mensch vs. Alien, die in ihrer grandiosen Trashigkeit kaum zu überbieten ist. Was dann folgt, ist ein geradezu bizarres Ende, das weit mehr an die Auswüchse von "Alien 4" als an "Independence Day" erinnert. Zum Rest des Films passt dieser lächerliche Schluss so gut wie Tiramisu ins China-Restaurant.
Kurz und gut: "Skyline" ist nicht mehr als billiger, dämlicher Genre-Trash, der auch als DVD-Premiere noch ein schlechter Witz wäre, als Kinofilm für bis zu 10 Euro Eintritt aber schlicht eine Unverschämtheit ist. Also nicht von den schnieken Postern und Trailern täuschen lassen - das hat nämlich leider schon in den USA funktioniert: Dort war "Skyline" zwar schon nach drei Wochen wieder von den Leinwänden verschwunden, hatte zu dem Zeitpunkt aber bereits genug ahnungslose Leute in die Kinos gelockt, um das Doppelte seines Budgets einzuspielen. Dass amateurhafter Mist wie dieser auch noch Erfolg hat, ist definitiv keine schöne Schlussnote fürs Kinojahr 2010.
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