Ride with the Devil

Originaltitel
Ride with the devil
Land
Jahr
2000
Laufzeit
138 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Simon Staake / 17. Januar 2011

Ein neuer Film Ang Lees, das bedeutet eigentlich immer ein ganz neues Genre, das der Taiwanese ansteuert und seinem Gesamtwerk hinzufügt. Nach der Entmottung und ironischen Modernisierung des Jane Austen-Klassikers „Sinn und Sinnlichkeit“ und dem messerscharfen Sezieren des Amerikanischen (Alb-)Traums im grimmig-unterkühlten „Der Eissturm“ (und noch vor dem mystischen Eastern „Tiger and Dragon“) untersucht Lee den amerikanischen Bürgerkrieg – das einschneidendste und prägendste Ereignis der verhältnismäßig jungen Geschichte der Vereinigten Staaten. Dass er damit am Puls der Zeit liegt, weil er nicht nur das damalige Amerika als innerlich tief zerrissen skizziert, sondern betont, daß auch heute noch „die Nation sich selbst und ihre Freiheit noch nicht ganz erobert hat“ ist angesichts der jüngsten Katastrophenwahl im Land der Unendlichen Möglichkeiten ohne weiteres nachzuvollziehen. 

1862, in der Grenzregion zwischen Kansas und Missouri: Während die Union und die Konföderierten auf ausgesuchten Schlachtfeldern ihre Armeen gegeneinander werfen, tobt der Krieg hier auf andere Art: Frühere Bürger, Bauern oder auch vagabundierende Banditen haben sich in Guerillatruppen zusammengefunden, aufgeteilt in die den Norden unterstützenden „Jayhawkers“ und die den Südstaaten zugehörigen „Bushwhackers“. Erzählt wird das Schicksal von vier dieser „Bushwhackers“: Jake Roedel (Tobey Maguire), armer Sohn eines deutschen Einwanderers, und Jack Bull Chiles (Skeet Ulrich), Sohn eines reichen Plantagenbesitzers, sind Freunde seit Kindestagen. Zu ihnen gesellen sich der romantische Südstaatenaristokrat George Clyde (Simon Baker) und sein befreiter Slave, der stille Daniel Holt (Jeffrey Wright). Während die vier Männer ihr Winterquartier beziehen, lernt Jack Bull die junge Witwe Sue Lee Shelley (Jewel) kennen und lieben, er wird jedoch bei einem nächtlichen Angriff schwer verwundet und stirbt. Nachdem Jake und Holt Sue Lee in Sicherheit gebracht haben, ziehen sie erneut in den Kampf. Die versammelten Bushwhackertruppen greifen die Stadt Lawrence in Kansas an, die Hochburg der Abolitionistenbewegung und Stützpunkt der Union. Was als wildes Quasi-Selbstmordkommando geplant war, wird zu einem sinnlosen Blutbad gegen alte Männer und Kinder und das nachfolgende Rückzugsgefecht gegen Unionstruppen wird in den Reihen der „Bushwhacker“ viele Opfer fordern ...

Wer von „Ride with the Devil“ ein dramatisches Westernepos erwartet, wird nicht enttäuscht werden. Wer von dem für seinen Außenseiterblick hochgelobten Lee eine neue Sichtweise erwartet, letztlich auch nicht. Und doch: Beides klappt nicht hundertprozentig, und wie sehr einem dieser Film gefallen wird, hängt auch davon ab, was für Erwartungen er erfüllen soll. Als klassischen Konventionen folgender Western hat der Film zuwenig Drive, ist mit 138 Minuten zwar episch lang, aber stellenweise eindeutig zu langatmig geraten. Was an Lees Erzähltempo liegt, der seinen Film als Charakterdrama angelegt hat und der Zeichnung einzelner Figuren dementsprechend breiten Platz einräumt. Weswegen sich zwar stellenweise eine enorme, fast lyrische Stimmungsdichte bildet, der Film aber in mehrere, sich in der Wirkung gegenüberstehende Action- und Dramasequenzen zerteilt, die sich gegenseitig bremsen. Zudem ist das Timing des Films gerade am Schluss etwas unglücklich. Nach dem Höhepunkt des Films, dem historisch verbürgten Massaker von Lawrence am 21. August 1863, muss der Film zwangsläufig noch einige Erzählstränge verknüpfen – gerade den um die von Jewel mit überzeugend einfühlsamer Zurückhaltung gespielten Sue Lee – und kann daher eigentlich nur als Antiklimax herüberkommen. Zudem gibt es in der verhältnismäßig schwachen letzten halben Stunde einige hart am Rande des Kitsch stehende Bilder (der endgültig freie Sklave reitet in den Sonnenuntergang), auf die man gut hätte verzichten können.

Der große Pluspunkt von „Ride with the Devil“ ist Ang Lees bereits erwähnter Außenseiterblick. Aus einer in dieser Konsequenz so noch nicht da gewesenen Perspektive beschreibt er den Bürgerkrieg als einen lokalen Krieg unter Nachbarn. Die wahren Schlachtfelder sind das Gehöft des Nachbarn oder die eigene Heimatstadt, der Krieg selbst ist hier eine blutige Vendetta, dessen Auswirkungen keiner der Protagonisten überschauen kann. Lediglich in einer einzigen Szene – einer der besten – hat eine Figur eine prophetische Ahnung über Ausmaß und Ausgang des Krieges. „Sie (die Nordstaatler) werden gewinnen, weil sie Dinge verändern wollen, weil sie wollen, das wir wie sie leben. Wir dagegen verteidigen nur das, was wir haben. Und wir haben nichts mehr.“ philosophiert der Südstaatenfarmer Evans und hat den Kernpunkt des Bürgerkrieges, das Aufeinandertreffen zweier sozialer und wirtschaftlicher Systeme, bei dem sich das modernere durchsetzte, genau umrissen. Gleichzeitig wirft diese Einzelszene die Frage nach der Relevanz von „Ride with the Devil“ auf, die so mancher vielleicht stellen möchte. Der Wunsch nach etwas für den Bürgerkrieg Bedeutenderem als „nur“ ein Charakterdrama über Einzelschicksale ist verständlich, das Fehlen einer umfassenderen Handlung oder einer weitergehenden Moral dem Film jedoch nicht vorzuwerfen. Schließlich hält Lee seinen Ansatz aus der Sicht des kleinen Mannes konsequent durch. Und zum Krieg selbst ist ihm auch nicht viel Neues eingefallen. Krieg ist sinnloses Blutbad, die Jungen verlieren die Unschuld. Wurde so schon gezeigt und ist auch hier nicht falsch. Aber eben auch nicht neu oder anders aufbereitet.

Interessanter sind da denn doch die Einzelheiten der Geschichte, wie etwa der Ausnahmefall eines Schwarzen, der für die sklavenhaltenden Südstaaten kämpft. Die Figur des Holt, von Jeffrey Wright mit traurigen Augen und passender Passivität gespielt, ist die wahrscheinlich Interessanteste. Die Freundschaft zu Jake Roedel, ein Zusammenhalten zweier Außenseiter, wird zum Hauptaugenmerk der zweiten Hälfte von „Ride with the Devil“. Dennoch verlieren sich beide Figuren manchmal in zu hölzernen, fast dem Theater entlehnten Dialogen, die ein wirkliches Verständnis und einen wirklichen Zugang zu ihnen verwehren. Tobey Maguires Leistung ist hier zwar patent, seine sich ständig gleichenden Charakterisierungen ermüden jedoch langsam. Dabei gibt sich der Film alle Mühe, dies zu verschleiern. Verwegene Haarmähne und Dreitagebart gaukeln vor, bei uns Toby handle es sich hier um einen harten Burschen. Aber in den weniger stilisierten Momenten bleibt Maguire der Inbegriff dessen, was er immer spielt: Ein der Welt leicht entrückter, emotional stark kontrollierter Naivling. Dass er für Derartiges die erste Adresse ist, ist zwar mittlerweile weitestgehend bekannt, interessanter wird aber, herauszufinden, was er denn sonst noch spielen kann.

„Ride with the Devil“ ist ein in allen Bereichen – von den beeindruckenden Bauten und Kostümen bis hin zur manchmal zu epischen Musik – solider bis guter Streifen, der aus einem interessanten Blickwinkel heraus stimmungsvoll den Bürgerkrieg betrachtet. Wer also auf Charakterkino und Dramatisches steht, darf sich diesen Film getrost zu Gemüte führen. Auch – oder gerade – wenn der „Teufelsritt“ bisweilen eher ein gemütliches Traben ist. 


8
8/10

Ein Film mit Tiefgang. Zuschauer mit historischen Background sind mehr gefangen als solche, die eher unterhaltsames Kino suchen. In seiner Konsequenz durchaus übertragbar auf andere Konflikte. Für jede Generation beginnt der Konflikt an einer anderen Stelle, wer ist Sieger, wer Verlierer. Interessant, das Drama um Lawrence aus der Sicht der Verlierer zu erleben.

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