Roberto Benigni ist weder
ein sonderlich guter Schauspieler noch ein sonderlich
guter
Regisseur. Diese Tatsachen hat die Filmwelt nach der
Veröffentlichung
von "Das Leben ist schön" im Jahr 1997 erfolgreich
verdrängt, sich Hals über Kopf in einen Film
verliebend,
den man einfach mögen muss - und wie das so ist,
überstürztes
Verliebt sein führt zu reichlich irrationalen
Entscheidungen.
Der Oscar für den besten fremdsprachigen Film an "Das
Leben ist schön" zu vergeben war noch halbwegs
nachvollziehbar,
Benigni aber auch noch als besten Hauptdarsteller zu
küren
verdient einen Ehrenplatz in den Annalen der
peinlichsten Academy-Entscheidungen.
Man kann
es den Amerikanern nicht wirklich vorwerfen: Beim
ersten Kontakt
mit Benigni muss man den Kerl einfach mögen - ein
solches
hyperaktives, immerfröhliches Energiebündel kann
schlechterdings
niemandem unsympathisch sein. Dass der Benigni im Film
dem Benigni
im wahren Leben entspricht und ergo von einer
Schauspiel-Vorstellung
selten bis gar nicht die Rede sein kann, diese
Erkenntnis trifft
dann ein wenig spät ein.
"Das Leben ist schön", dessen Qualität man
als rühmliche Ausnahme und nicht als die Regel in
Benignis
Gesamtwerk sehen sollte, garantierte dem italienischen
Alleinunterhalter
mit seinem internationalen Erfolg die Mittel für sein
persönliches
Traumprojekt, eine weitere Filmadaption von Carlo
Collodis legendärem
Kinderbuch "Pinocchio". Es sind schon viele Leute
an ihrem Wunschtraum gescheitert. Selten jedoch
stürzte
jemand dabei derart ab wie Roberto Benigni. Sein
"Pinocchio"
ist Filmemachen auf geradezu peinlichem Niveau,
ruiniert durch
eine erbarmungslos schlechte Regie-, Autoren- und
Darstellerleistung,
die im direkten Kontrast zu der gekonnten Kameraarbeit
von Dante
Spinotti ("Insider",
"Roter
Drache") und
der zum Teil beeindruckenden Ausstattung schon fast
eine Beleidigung
für die restlichen Beteiligten darstellt.
Größter Fehler des sich hier gnadenlos selbst
überschätzenden
Maestros ist bereits die Übernahme der Hauptrolle:
Benigni,
just runde 50 Jahre alt geworden, in der Rolle des
vermeintlich
KLEINEN HolzJUNGEN Pinocchio zu sehen, stellt eine
Herausforderung
an die "suspension of disbelief" dar, der kein
Zuschauer
gewachsen ist. Von seiner ersten bis zur letzten Szene
an wirkt
diese Selbstbesetzung albern und unverständlich, da
hilft
es auch nichts, dass alle weiteren vermeintlichen
Kinderrollen
ebenfalls mit erwachsenen Männern besetzt wurden.
Was
diese peinliche Selbstverliebtheit bereits grundlegend
versaut,
kann der Rest der Inszenierung nicht mehr retten: Über
eineinhalb Stunden lang plärrt Benigni wie ein
hyperaktives
kleines Kind herum, gönnt sich und den Nerven des
Zuschauers
keine Ruhepause in seiner überzogenen Darstellung und
hält
noch nicht einmal dann die Klappe, wenn zwischendurch
immer
mal wieder seine Ehefrau Nicoletta Braschi als Fee mit
den blauen
Haaren auftaucht. Woher die wiederum weiß, dass es
Pinocchios
größter Wunsch ist, ein richtiger Menschenjunge zu
werden, bleibt indes auch rätselhaft: eine
entsprechende
Erwähnung wurde im Drehbuch geflissentlich vergessen.
Was dort auch vergessen wurde, ist jegliche Form von
inhaltlicher
Kohärenz: Zwar orientiert sich der Film stark an
seiner
literarischen Vorlage, jedoch nur soweit, als dass
Pinocchios
zahlreiche Abenteuer - in denen er stets landet,
anstatt wie
ein braver Junge zur Schule zu gehen - eines nach dem
anderen
abgehandelt werden. Eine vernünftige Verbindung sucht
man
indes vergebens, ebenso wie auch nur den Hauch einer
Entwicklungslinie.
Konzeptlos und unbedarft springt der Film von einer
Sequenz
in die nächste, ohne wirklich zu wissen wieso, und
hinterlässt
so einen Haufen einzelner Episoden, die weit davon
entfernt
sind, eine zusammenhängende Erzählung darzustellen.
Die
komplett simplifizierten Dialoge, in denen alles
grundsätzlich
auf den einfachsten Nenner gebracht wird und jeder
Charakter
am besten gleich erzählt, wie es ihm gerade so geht
(erspart
die Notwendigkeit, dies schauspielerisch zu
transportieren),
mag man als Anpassung an das kindliche Publikum
entschuldigen,
in anderen Kinderfilmen funktioniert das jedoch auch
auf weniger
plumpe Weise.
Eine durch und durch katastrophale Leistung von Roberto Benigni also, doch die Italiener lieben ihn immer noch: "Pinocchio" feierte dort seit seinem Start im Oktober letzten Jahres für italienische Kino-Verhältnisse beispiellose Erfolge und hat einen Großteil seines 40-Millionen-Euro-Budgets bereits auf dem heimischen Markt wieder eingespielt. Als Dämpfer für Benignis übermütige Selbstüberschätzung kann dieses Ergebnis also nicht taugen. Dafür kann man sich ausnahmsweise einmal auf die Amerikaner verlassen, bei denen der Film - trotz marketing-technisch geschicktem Weihnachts-Start - gnadenlos baden ging. Denen ist ihr Benigni-Abfeiern nach "Das Leben ist schön" inzwischen wirklich ein bisschen peinlich. Allerdings bei weitem noch nicht so peinlich, wie Benigni dieser Film sein sollte.
Neuen Kommentar hinzufügen