
Offensichtlich hat Seth MacFarlane nichts dazu gelernt. Schon sein Spielfilmdebüt „Ted“ krankte an einer 08/15-Dramaturgie, konnte diese aber in den ersten beiden Dritteln mit vielen wirklich gelungenen, häufig sehr derben Gags kaschieren. Offenbar bereitete es dem kreativen Kopf hinter den beiden großartigen Animationsserien „Family Guy“ und „American Dad“ jedoch Schwierigkeiten, eine Geschichte nicht nur über 20, sondern über mehr als 100 Minuten zu erzählen. „Ted“ wurde dennoch zum Hit, spielte weltweit mehr als eine halbe Milliarde Dollar ein und ermöglichte MacFarlane einen zweiten Ausflug ins Kino. Für „A Million Ways to Die in the West“ hat er sich aber leider nur das schwache letzte „Ted-“Drittel zum Vorbild genommen und zudem einen tödlichen Fehler begangen: sich selbst für die Hauptrolle zu besetzen.
Jener Albert ist die Witzfigur im Wilden Westen. Er züchtet Schafe, aber nicht besonders gut, ist feige, arm, kann nicht schießen und – besonders schlimm – trägt keinen Bart. Freundin Louise (Amanda Seyfried) möchte sich deshalb lieber anderweitig orientieren und gibt ihm den Laufpass. Als Albert dann auch noch feststellen muss, dass sich der arrogante, aber reiche Bartträger Foy (Neil Patrick Harris) seine Ex-Freundin gekrallt hat, verliert sein Leben zunehmend an Sinn. Eine mysteriöse neue Frau in der Stadt namens Anna (Charlize Theron) weckt jedoch den Kampfgeist in ihm. Er will Louise – warum auch immer – zurückerobern und fordert Foy zum Duell auf. Die überraschend gute Schützin Anna gibt alles, um Albert auf den scheinbar aussichtslosen Kampf vorzubereiten, fürchtet gleichzeitig jedoch die Ankunft ihres Mannes, des kaltblütigen Mörders Clinch (Liam Neeson).
Der große Erfolg von „Ted“ ist wohl recht einfach zu erklären: Ein saufender, pöbelnder und nicht erwachsen werden wollender Riesenteddybär taugt als Prämisse. Es ist das, was der Trailer verspricht, und das, womit der Film auch punktet. Im zweiten Spielfilm von MacFarlane gestaltet sich die Sache nun wie folgt: Trailer und Titel versprechen ein ziemlich brutales und wildes Treiben im Wilden Westen; der Hinweis auf den Regisseur lässt zudem heftige Zoten erwarten. Doch weit gefehlt.
„A Million Ways to Die in the West“ ist in allererster Linie die Geschichte eines Mannes, der von seiner Freundin verlassen wird, sie aber zurückerobern möchte. Dabei ist ihm eine Frau behilflich, die deutlich sympathischer ist als seine Ex-Freundin. Wie mag diese Geschichte wohl enden? Genau. Böse formuliert hat MacFarlane eine Standard-Hollywood-RomCom gedreht, nur eben im 19. Jahrhundert. Natürlich sind die Gags hier ein bisschen böser und ist der Bodycount auch deutlich höher als in den meisten romantischen Komödien (also größer als Null) – doch kann beides kaum darüber hinwegtäuschen, dass wir es hier mit einer erschreckend kitschigen, harmlosen, ironiefreien und vorhersehbaren Lovestory zu tun haben.
Und so gewöhnt man sich auch irgendwann daran, dass es minutenlange Szenen ohne einen einzigen ernsthaften Versuch gibt, irgendeinen Witz unterzubringen. Und bemüht sich MacFarlane dann mal, lustig zu sein, dann ist es meist eben genau das: furchtbar angestrengt. Einfach ein paar Sexwitze in den Wilden Westen zu packen, ansonsten aber jegliches Gespür für die Eigenheiten des Genres vermissen zu lassen, reicht halt nicht aus. Und Albert erzählen zu lassen, dass ein Charakter beim nächsten Furz stirbt und diesen Charakter drei Sekunden später furzen und sterben zu lassen, ist auch nicht wahnsinnig kreativ. Diese häufig vorkommenden Szenen nach dem Muster „Erzählen und Zeigen“ sind nur ein Beispiel für Gags, die in animierter Form vermutlich besser funktioniert hätten. Offenbar fremdelt MacFarlane noch mit manchen Einschränkungen des Realfilms oder hat schlicht nicht kapiert, dass das zwei paar Schuhe sind.
Die schlimmste Fehlentscheidung traf der Autor und Regisseur MacFarlane jedoch, als er sich entschloss, den Darsteller MacFarlane für die Hauptrolle zu besetzen. Es ist unerklärlich, wieso niemandem rechtzeitig aufgefallen ist, dass der geübte Synchronsprecher (der im Original von "Ted" selbst den Teddy sprach) als fleischgewordener Schauspieler selbst in einer anspruchslosen und eindimensionalen Rolle wie der des dumpf-sympathischen Farmers Albert komplett überfordert ist. Sein einziger Gesichtsausdruck besteht im Prinzip aus einem latenten Dauergrinsen. Alles, was Richtung Überraschung, Betroffenheit, Mitgefühl oder anderen Gefühlsregungen neigt, hätte von irgendeinem der Schafe vermutlich überzeugender dargestellt werden können.
MacFarlane ist nicht der erste TV-Macher, der sich schwer damit tut, auf Spielfilmlänge zu wechseln. Aber selten ist jemand so offensichtlich damit gescheitert. Natürlich heben Mimen wie Liam Neeson oder Charlize Theron sowie der eine oder andere ganz passable bis wirklich gute Gag „A Million Ways to Die in the West“ auf ein gerade noch erträgliches Niveau. Ein passenderer Filmtitel wäre jedoch gewesen: A Million Ways to Have Langeweile in the West.
PS: Die FSK war sehr großzügig und hat der ungeschnittenen Fassung eine Freigabe ab 12 erteilt. Eltern gibt das die Möglichkeit, Kinder im Alter von sechs Jahren mitzunehmen. Darauf sollten sie in Anbetracht einiger (schon im Trailer zu begutachtenden) Szenen, die eher eine Freigabe ab 16 hätten vermuten lassen, jedoch verzichten.
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