
Zu Anfang von "Kindsköpfe" gibt es eine Szene, die mit hoher Wahrscheinlichkeit so oder ähnlich tatsächlich passiert ist und die Inspiration für diesen Film geliefert hat: Da sitzt Adam Sandler mit seinen zwei verzogenen Söhnen im Wohnzimmer einer Hollywood-Luxusvilla und beobachtet, wie seine Jungs ein ultrabrutales Videospiel zocken und ihrem Kindermädchen drei Räume weiter eine SMS schicken, dass sie ihnen heißen Kakao bringen soll. Der Vater seufzt und denkt sich, wie viel anders seine Kindheit doch aussah - simpler, normaler, geerdeter. Wenn man diesen reichen Gören doch nur die Freuden einer einfachen Kindheit vermitteln könnte….
Das ist letztlich der Kern von "Kindsköpfe", und dass Adam Sandler hier nicht sich selbst, sondern einen erfolgreichen Hollywood-Agenten namens Lenny Feder spielt, ist eine Marginalie, die man getrost ausblenden kann. Der Film atmet durch und durch die sehr wertkonservative, melancholische Rückbesinnung von langsam in die Jahre kommenden, gut situierten Familienvätern, die ihre eigene Kindheit als die besten Jahre ihres Lebens glorifizieren und zu gerne sehen würden, wie der eigene Nachwuchs dieselben Dinge erlebt.
Das klingt bis jetzt überhaupt nicht wie die leicht brachiale Männerkomödie, die der Trailer suggeriert hat? Stimmt, denn das ist "Kindsköpfe" eigentlich auch nicht. Ja, hier laufen fünf von Amerikas führenden Slapstick-Komikern gemeinsam auf, keiner von ihnen für sonderlich subtilen Humor bekannt, und die kumpelig-profanen Männerwitze von "Kindsköpfe" drehen sich oft und gerne um Fäkal- und Sex-Themen, allerdings immer in einer ausreichend abgemilderten Form, dass sich niemand ernsthaft auf den Fuß getreten fühlen kann - hier sagt niemand jemals "Fuck" oder "Tits" (auch wenn es mehr als genug Anlässe dafür gibt), und der Film bringt das Kunststück fertig, trotz ständiger Gags über die exzessiven Bettspielchen eines der "Helden" mit seiner deutlich älteren Frau sich redlich eine komplett harmlose Altersfreigabe ab null Jahren zu verdienen.
Dass bis jetzt noch kein Wort über die Handlung des Films verloren wurde, liegt daran, dass er eigentlich fast keine hat. Der grobe Aufhänger: Fünf Kindheits-Freunde treffen sich anlässlich der Beerdigung ihres ehemaligen Basketball-Trainers wieder, die praktischerweise mit dem Wochenende rund um den amerikanischen Nationalfeiertag am 4. Juli zusammenfällt. Gemeinsam mit ihren Familien verbringen die Freunde die nächsten drei Tage in einem beschaulichen Haus an einem See, wo sie die idyllischsten Tage ihrer Kindheit verlebt haben, gefangen genommen von sanfter Nostalgie und mehr oder minder erfolgreich versuchend, dem eigenen Nachwuchs simple Kindheitsfreuden näher zu bringen, für die man keinen Strom, keinen Handyempfang und keinen Internetanschluss braucht.
Was folgt, ist eine Ansammlung von Szenen und Episödchen, die ganz nett anzuschauen ist, aber nicht im Ansatz so etwas wie eine runde Geschichte erzählt. Darauf scheint hier auch niemand wirklich wert gelegt zu haben - die fast schon desinteressierte Beiläufigkeit, mit der das Drehbuch hier notdürftigste "dramatische" Wendepunkte schnellstmöglich abhakt und wegerzählt, um sich der nächsten, letztlich weitgehend sinnfreien Spaß-Sequenz widmen zu können, ist mehr als bezeichnend. Dementsprechend dünn bleibt auch die Ausgestaltung der Charaktere, was besonders bei den Damen auffällt: Salma Hayek, Maria Bello und Maya Rudolph, die die drei mehr oder weniger normalen Ehefrauen im Ensemble spielen, agieren eigentlich alle auf verlorenem Posten, da sie kaum mehr als Stichwortgeber für die Aktionen und Gespräche ihrer Männer sind.
Was aber alles nicht bedeuten soll, dass man an "Kindsköpfe" keinen Spaß haben kann. Im Gegenteil: Man kann sich hier sogar ziemlich gut amüsieren und auch eine ganze Menge lachen. Voraussetzung dafür ist allerdings zum einen, dass man wohlmeinend über eine nicht geringe Menge an absoluten Rohrkrepierern von Möchtegern-Witzen hinweg sieht (ein Running Gag des Films besteht darin, dass Lenny die ganze Zeit versucht, das junge asiatische Kindermädchen seiner Söhne gegenüber seinen weniger wohlbetuchten Kumpels als Gaststudentin auszugeben - was komplett unlustig ist und mit jeder Wiederholung nur noch blöder wirkt), und zum anderen den Sprachwitz erfassen kann, mit dem sich die Männer gegenseitig verarschen und beleidigen, wie man es eben nur unter echten Kumpels tut. Da die angestrebte Altersfreigabe richtige "böse Wörter" verbietet, wird hier teilweise sehr hübsch bildhaft, zweideutig und metaphorisch geflucht und beschimpft - eine Spaßquelle, die allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit in der deutschen Synchronfassung zum Großteil versiegen wird, da die Sprüche in wortwörtlicher Übersetzung selten ihren Sinn behalten, die Synchronautoren sich also eigene Gags ausdenken müssen - was erfahrungsgemäß nie sonderlich gut gelingt (in der Pressevorführung lief der Film auf Englisch mit deutschen Untertiteln, und die Diskrepanz zwischen Original-Witzen und komplett unkomischer Übersetzung war hier bereits enorm).
Trotz der konsequenten, gegenseitigen Verarscherei der Hauptfiguren und dem nicht geringen Anteil an albernem (und wirkungsvollem) Slapstick-Humor bleibt "Kindsköpfe" in seiner Essenz jedoch ein zutiefst von uramerikanischen Familienwerten durchzogener Film, der mit zunehmender Laufzeit mehr und mehr zu einem extrem flach erzählten, kitschig-konservativen Moralstück wird, das sich bestens dazu eignet, all jene Familienmenschen in ihren Ansichten und Lebensentscheidungen zu bestärken, die sich diesen Streifen an einem lauschigen Sonntagnachmittag mit ihren Bälgern im Fernsehen ansehen. Denn: Auch wenn man an "Kindsköpfe" trotz der Nicht-Existenz einer relevanten Handlung durchaus seinen Spaß haben kann, ins Kino muss man dafür wirklich nicht gehen.
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