Käpt'n Blaubär - Der Film

Originaltitel
Käpt'n Blaubär - Der Film
Jahr
1999
Laufzeit
80 min
Regie
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Frank-Michael Helmke / 22. März 2011
Ein wirklich guter Zeichentrickfilm schafft es, alle Altersgruppen anzusprechen. Das vielzitierte „Erlebnis für die ganze Familie“ ist es, das die Kassen so richtig klingeln läßt. Nicht umsonst heißt der erfolgreichste Trickfilm aller Zeiten nach wie vor „Der König der Löwen“, der erste Disney-Streifen, der über einen vollständigen, wenn auch unterschwelligen Erwachsenen-Konflikt verfügte. Bei der Produktion eines solchen Films steht man daher vor der Aufgabe, das ganze auch für die Nicht-Kinder unter den potentiellen Zuschauern interessant zu machen. Ein Beispiel dafür, wie man das nicht machen sollte, ist „Käpt’n Blaubär – der Film“.

Das liegt allerdings nicht an der Story, denn die ist simpel gestrickt. Der alte Seebär sitzt mit seinen beiden Neffen und der Nichte sowie seinem getreuen Matrosen Hein Blöd auf dem Trockenen und trauert den goldenen Zeiten seiner Jugend hinterher. Ansonsten ist alles wie aus der Fernsehserie bekannt: Hein ist blöd, der Käpt’n erzählt wilde Geschichten, und die Kleinen glauben kein Wort. Das wird sich ändern, denn völlig unverhofft taucht Blaubär’s Erzfeind und Fernschach-Gegner Dr. Feinfinger auf (kongenial synchronisiert von Helge Schneider) und entführt die kleinen Bärchis. Und so machen sich der Käpt’n und Hein Blöd auf zur Rettung, was sich als schwierig gestaltet, wenn man seit Jahrzehnten kein Wasser mehr unterm Kiel hatte. Der Weg zu Feinfinger’s Geheiminsel entpuppt sich bereits als sehr abenteuerlich, und auch den Kleinen wird in der Gefangenschaft nicht langweilig, da Feinfinger alles daran setzt, ihren Willen zu brechen und sie zu seinen Gefolgsleuten zu machen.
Soweit zur Grundstruktur, und die wird angefüllt mit wirklich witzigen Einfällen. So wird ein sehr wichtiger Schlüssel bewacht von einem „vielzuvieläugigen Felsdämon“, Blaubär wird attackiert von Wellenzwergen, Seeschatten und Furz-Maulwürfen. Feinfingers Armada umfasst so tolle Geräte wie den Gedanken-Absaug-Helm, das mit radioaktiven Steckrüben betriebene Personen-Fax oder den Kalorienstrahler (der seine Opfer in Folienkartoffeln verwandelt). Das alles kontrolliert er von seiner „Weltbeherrschungs-Hammond-Orgel“ aus, wo auch die Umerziehungs-Versuche mit den kleinen Bären beginnen, mit solchen Sätzen wie „So, jetzt üben wir manisches Lachen“. Die besten und komischsten Szenen gehören eindeutig Feinfinger, und das liegt allein an Helge Schneider. Nicht viele Leute in Deutschland verfügen über eine Stimme, die einen sofort zum Lachen bringt, aber Schneider gehört eindeutig dazu.
Über gute Gags kann man sich also wirklich nicht beschweren, und im großen Rahmen sind diese auch noch für das kleine Publikum verständlich. „Käpt’n Blaubär – der Film“ besitzt allerdings einen ganz eigenen visuellen Stil, und da hört das breite Verständnis dann auch schon auf.
Am Anfang ist das noch recht harmlos. Eine Flashback-Sequenz, die von Blaubärs Kindheit erzählt, besteht nur aus unsauberen Rohzeichnungen, was ganz lapidar begründet wird: „Damals war alles noch in schwarz-weiß.“ Als es ganz mächtig zu regnen anfängt, da tropft es bei den Außenaufnahmen von den Wolken runter, als wären diese Flächen, auf die das Wasser drauffällt. Das sieht lustig aus, aber alsbald steht die Frage im Raum, was das soll. In weiteren Verlauf befeuert der Film seine Zuschauer mit einer ganzen Schiffsladung an perspektivischen Spielereien. So ist Käpt’n Blaubärs Schiff in jeder Szene, in jeder Einstellung verschieden groß und teilweise anders geformt. Das gilt auch für alle anderen auftauchenden Schiffe, Inseln und Gebäude. Besonders verwirrend wird es im Inneren von Feinfingers Gemäuern. Wenn dieser in einer Szene mit seinem Zepter diskutierend eine Freitreppe hinunterschreitet, dann scheint diese gar kein Ende mehr zu nehmen. Als dann endlich umgeschnitten wird, steht Feinfinger urplötzlich am Fuß der Treppe, die jetzt relativ kurz aussieht. So geht es munter weiter, und die Verwirrung steigt permanent.
Während diese Spielereien anfangs noch recht abwechslungsreich und witzig wirken, fangen sie schnell an, ganz unheimlich zu nerven. Dem Zuschauer werden gezielt sämtliche Fixpunkte genommen, was zwar wirksam für die angebliche Absicht dieser Masche ist (nämlich einen Bruch mit der Realität herzustellen. Wieso das in einem Zeichentrickfilm überhaupt nötig ist, sei mal so in den Raum gestellt), das Zuschauen aber auf Dauer nicht gerade erleichtert. Ich habe auf der Homepage dieses Films lesen können, was der Regisseur damit beabsichtigte. Das ist ihm weder geglückt, noch ist ersichtlich, wozu das überhaupt notwendig sein sollte. Interpretiert als Versuch, die ganze Sache für das erwachsene Publikum interessant zu machen, ist es eindeutig gefloppt. Schlimmer: Wenn man als volljähriger und erfahrener Zuschauer von dem ganzen nur leidlich verwirrt und angenervt ist, so dürfte die Wirkung auf die kleinen Zuschauer (und die werden mit Sicherheit in der Mehrheit sein) wesentlich verstörender ausfallen. Die teilweise arg grausligen Ungeheuer, die auftauchen, sind für manche zarte Kinder-Seele schon Zumutung genug. Aber so besteht die Gefahr, daß auch noch das Verständnis flöten geht.

Trickfilme aus Deutschland existieren in zwei Welten: Produktionen, die wirklich nur für ein älteres Publikum da sind (wie „Das kleine Arschloch“ oder die „Werner“-Filme) und auch nur diese als Zielgruppe haben. Und Produktionen, die ganz klar den Kinder-Markt bedienen, und auch dementsprechend aufgebaut sind. Das Meisterstück der Disney-Studios, in jeden Film eine mehr oder weniger auffällige Erwachsenen-Note einzubringen und so das Zielpublikum auf die gesamte Bevölkerung auszubreiten, ist hierzulande noch nicht geglückt. „Käpt’n Blaubär – der Film“ stellt einen Versuch dar, diese Grenze zu überschreiten. Leider vernachlässigt er bei seinen Bemühungen, interessant auszusehen, die Bedürfnisse seines ursprünglichen, kindlichen Publikums. Und die erwachsenen Besucher werden das schwerlich rausreißen, denn die Erwartungshaltung bei einer Kinoadaption von „Käpt’n Blaubär“ geht ganz klar in eine Richtung, und die heißt Kinderfilm. Produzenten und Regisseur hätten besser auf sicher gespielt und die Erwartungen befriedigt, als sich künstlerisch auszutoben. Denn so haben sie einen Film vorliegen, der letztendlich keine Zielgruppe hat. Und wenn man auch nur eine müde Mark verdienen will, ist das eine ganz schlechte Voraussetzung.


Die Synchronsprecher Wolfgang Völz und Peter
Hoppe bei der Blaubär-Premiere in Hamburg
Das Interview mit Regisseur Hayo Freitag
filmszene: Ist „Käpt’n Blaubär“ dein erster richtiger Spielfilm?
Freitag: Nein. Also mein erster abendfüllender Film, ja. Aber ich habe schon lange Kurzfilme und so gemacht, seit 15 Jahren. Und drei Fernsehserien habe ich entwickelt. Eine davon heißt „Pigs next door“ und wird gerade in den USA von Fox Family realisiert. Die Serie thematisiert Fremdenfeindlichkeit. In eine saubere und ruhige Wohngegend zieht eine neue Familie, die halt aus Schweinen besteht, und das sorgt dann für einigen Ärger.
Beeindruckend. Kommen wir mal auf „Käpt’n Blaubär“ zu sprechen. Wieso hast du diese ganzen perspektivischen Spielereien in deinen Film eingebaut?
Ich möchte betonen, wie ich das in diesem Zusammenhang immer tue, daß das vornehmlich ein Walter Moers-Film ist.
Aber der Regisseur ist doch keine unwichtige Position. Da ist doch schon so etwas wie eine persönliche Note zu erkennen, oder? Die Unterschiede zu Moers‘ eigenen Werken sind doch recht deutlich.
Das ist schon richtig. Diese Sache mit den visuellen Tricks war auch dazu da, den Film weniger textlastig zu machen. Das erste Drehbuch, daß Walter [Moers] mir geschrieben hat, war viiiiel zu lang. Da hätte man einen Drei-Stunden-Film draus machen müssen. Also habe ich sehr viel gekürzt, worüber Walter unheimlich sauer war. Der ist mit seinen Texten sehr empfindlich, da ist jedes Komma heilig. Aber ich konnte ihn doch überzeugen. Dann hat er nochmal an meinen Änderungen gekürzt, so wurde die Länge langsam akzeptabel, doch das ganze war immer noch zu textlastig. Um das abzubauen, kam mir halt der Geistesblitz mit dieser Theater-artigen Inszenierung. Also überdurchschnittlich lange Einstellungen, wenig Schnitte, und auch diese Brechung der Realität.
Das ist ja schon eine etwas untypische Herangehensweise für einen Animationsfilm. Wo siehst du die Zielgruppe für diesen Film, also für welches Alter würdest du ihn empfehlen?
Also, ich selbst bin 49, und ich finde, daß er für meine Altersgruppe am besten geeignet ist. Ich meine, ich habe keine Kinder, und kann daher auch nicht sagen, wie was auf Kinder wirkt. Natürlich unterscheidet sich der Kino-Blaubär vom Fernseh-Blaubär, aber dieser ironische Unterton ist ja auch im Fernsehen da, sonst wäre diese Sendung wahrscheinlich gar nicht zu ertragen. Und Verständnis für Ironie entwickeln Kinder ja so mit acht bis neun Jahren. Jüngere sollten das sicher nicht gucken, wir machen hier ja keine Billig-Unterhaltung auf Teletubbies-Niveau. Moers hat heute im FOCUS sinngemäß gesagt: Es ist besser, Kindern etwas zu erzählen, was sie nicht verstehen, denn das bleibt länger hängen. Ich finde das durchaus richtig.
Würdest du nochmal mit Walter Moers zusammenarbeiten?
Aber auf jeden Fall!
Wenn jetzt jemand auf die Idee käme, „Adolf, die Nazisau“ fürs Kino zu adaptieren, würdest Du dafür also bereit stehen?
(beinahe entsetzt) Nein!
Wieso nicht?
Ich finde, dieser Stoff funktioniert als Film nicht. Im Comic hast du diese hohle, leere Figur, die die faschistoiden Tendenzen in unserer Gesellschaft darstellt, da ist das noch vertretbar. Aber im Film muß so eine Figur mit Charakter gefüllt werden. Das kann und will ich nicht machen, das geht dann womöglich in die völlig falsche Richtung. Ich stehe der dramatischen Verarbeitung des dritten Reiches sowieso sehr kritisch gegenüber. Diese Zeit muß noch viel gründlicher aufgearbeitet werden, bevor man da wirklich Filme drüber machen sollte.
Du glaubst also, daß „Adolf, die Nazisau“ als Comic funktioniert, als Film aber nicht?
Ja. Bei Comics gehen die Leute mit so einer Einstellung an die Sache ran, daß sie das gar nicht ernst nehmen. Aber beim Film schon. 
Aber bei „Das kleine Arschloch“ hat es doch auch geklappt.
Das ist was anderes.
Hast Du schon irgendwelche neuen Projekte auf dem Plan?
Also, dieser Film war schon ziemlich anstrengend, daher mache ich jetzt erstmal zwei Monate Urlaub. Und dann schaue ich mal, was für Projekte so auf dem Schreibtisch liegen. Aber ein festes Ziel vor Augen habe ich momentan nicht.
Regisseur Hayo Freitag
Bilder: Copyright

10
10/10

Der Herr Rezensent hat wohl schon lang keinen Spaß mehr gehabt oder ...(nicht mehr zugelassen).

Allein für das manische Lachen hat der Film seine 10 Augen mehr als verdient.

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