K-19: Showdown in der Tiefe

Originaltitel
K-19: The Windowmaker
Land
Jahr
2002
Laufzeit
138 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Patrick Wellinski / 11. Juni 2010

Als Robert Wise im Jahre 1954 sein Unterwasserabenteuer "U-23" auf Zelluloid bannte, ahnte er nicht, den Grundstein für ein neues Genre der filmischen Unterhaltung gelegt zu haben. Doch seit Veröffentlichung dieses Werks erfreuen sich die sogenannten "U-Boot-Filme" einer ungebrochenen Popularität, auch wenn sie gemeinhin von einer immergleichen Logik diktiert werden. Die Variablen und inhaltlichen Kernprobleme sind meistens Sauerstoffmangel, Wasserdruck und die Verfolgung durch den Feind. Können die Männer atmen, wird das Schiff zerdrückt oder werden Wasserbomben es zerstören?
In "K-19" befindet sich das gleichnamige U-Boot in technischem Sinne nicht in einer Kriegssituation, aber die Geschichte beinhaltet eine viel erschreckendere Gefahr: Wird der Atomreaktor des Bootes schmelzen, eine nukleare Explosion und mit ihr den eventuellen Dritten Weltkrieg auslösen?
Der Film spielt im Jahre 1961, dem Höhepunkt des Kalten Krieges, und basiert in seinen Grundzügen auf einem authentischen Zwischenfall. Um im Rüstungswettlauf mit dem Westen nicht zu unterliegen, schickt die russische Admiralität den Stolz der Marine, die mit Nuklearraketen bestückte K-19, in den Atlantik. Das Ziel der Mission liegt in dem Abschuss einer ballistischen Testrakete, die den Amerikanern zudem die militärische Macht des Ostens demonstrieren soll.
An Bord befinden sich der neue Kapitän Vostrikov (Harrison Ford) und sein entmachteter Vorgänger Polenin (Liam Neeson), der nach Hinweis auf die technischen Mängel des Schiffes sowie einer missglückten Trockenübung zum Ersten Offizier degradiert wurde. Vostrikov, eine Art russischer Kapitän Bligh, verfolgt von Beginn an einen autoritären Kurs und treibt Crew und Boot mehrfach an die Grenzen der Belastbarkeit. Ein Verhalten, welches stark mit dem eher kameradschaftlichen Führungsstil des ehemaligen Kommandeurs kontrastiert und während des gesamten Films zu Konflikten führt.
Nach der erfolgreichen Durchführung ihres Auftrages im Eis der Arkti, wird die Mannschaft vom russischen Politbüro zu einer Patrouillenfahrt entlang der amerikanischen Ostküste abkommandiert. Dort angekommen, offenbart sich alsbald die Konsequenz der hohen Anforderungen an das Boot: Ein Leck im Kühlsystem des Reaktors macht die K-19 zu einer tickenden Zeitbombe. Wenn nicht innerhalb weniger Stunden eine Reparatur gelingt, droht eine nukleare Katastrophe. Diese würde aufgrund der unmittelbaren Nähe zu einer Nato-Basis als Akt der Provokation ausgelegt werden, und die Welt an den Rand des Dritten Weltkrieges führen. Die Kernschmelze kann jedoch nur innerhalb des Reaktorraumes verhindert werden, was die Männer in direkten Kontakt mit der radioaktiven Strahlung versetzen würde ....

Regisseurin Kathryn Bigelow hat sich mit Filmen wie "Gefährliche Brandung" und "Strange Days" den zweifelhaften Ruf erarbeitet, eine der "männlichsten" Regisseurinnen Hollywoods zu sein. Ihre Erfahrung mit derartigen Stoffen spiegelt sich auch in dem handwerklich anspruchsvollen "K-19" wieder. Gemessen an den physischen Limitierungen innerhalb eines Unterseebootes, in dessen schmalen Gängen die Kamera im Wesentlichen nur vor und zurück bewegt werden kann, gelingt es der Regie, die an Bord vorherrschende klaustrophobische Atmosphäre überzeugend einzufangen.
Ebenso positiv fällt das für ein Hollywood-Projekt ungewöhnliche Unterfangen auf, die Geschichte komplett aus russischer Sichtweise zu erzählen. Die Russen werden nicht, wie in so vielen Filmen über den Kalten Krieg, als Feinde behandelt, sondern stellen die Charaktere dar, mit denen der Zuschauer sich identifizieren soll.
Auch die Besetzung der beiden Hauptdarsteller repräsentiert einen klugen Schachzug, da sich mit Ford und Neeson zwei einander ebenbürtige Ikonen des Schauspiels gegenüberstehen. Keiner der beiden widerstreitenden Seeleute scheint dem anderen unterlegen oder auch nur willens, von seinem vertretenen Standpunkt abzuweichen. Dieser Kompetenzgleichstand zweier Führungspersönlichkeiten weckt zwar Erinnerungen an Tony Scotts "Crimson Tide", gestattet es seinem Publikum jedoch nicht, die weitere Entwicklung der Ereignisse vorauszuahnen.
Der Schwachpunkt des Films liegt jedoch eindeutig in dem Drehbuch von Christopher Kyle, das es nicht versteht, die Handlungen seiner Protagonisten transparent zu gestalten. So erfahren wir zum Beispiel zu wenig über die persönlichen Motive eines Kapitän Vostrikov, der dem russischen System in falscher Nibelungentreue ergeben ist und auch dann nicht um amerikanische Hilfe bittet, als seiner Crew die radioaktive Verstrahlung droht. Die Chance auf ein wirklich fesselndes psychologisches Drama wird hier mangels ausreichender Charakterisierung verschenkt.
Des Weiteren muss sich der Film gegen Ende den obligatorischen Heldenklischees und dem Abfeiern der eigenen Moral beugen, was das ambitionierte Projekt über die im Angesicht größter Gefahr entstehende Brüderschaft an Bord eines U-Bootes dann in einem eher konventionellen Licht erscheinen lässt.
Dennoch ist Kathryn Bigelow hier spannende Unterhaltung gelungen, auch wenn es ihr nicht glückt, dem Genre wirklich neue Impulse einzuhauchen. Der überlange Film, der zudem drei- oder viermal zu enden scheint, folgt gerade in der ersten Stunde dem Standard aller U-Boot-Abenteuer und verschenkt hier zu viel Zeit. Als es dann zum Reaktorunglück kommt, sieht man einen deutlich besseren und interessanter gestalteten Film, der nicht zuletzt aufgrund des intensiven Schauspiels seiner Stars zu überzeugen weiß.


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