In diesem Film steckt Geld aus drei Filmförderungsfonds, vom ZDF, von Arte, von der Bertelsmann-Gruppe, KirchMedia, dem dtv-Verlag, Burger King und MTV. Daraus kann man schließen, daß Regisseur Christoph Stark und sein Produktionsteam von Central Film saugut darin sind, potentiellen Financiers eine Frikadelle ans Ohr zu labern. Oder daß wichtige Entscheidungsträger in all diesen Institutionen gefeuert gehören. Denn wenn den werten Damen und Herren tatsächlich ein Drehbuch dieses Machwerks vorgelegt wurde, und sie dennoch Kohle raus rückten, muß doch mehr als stark an ihrer fachlichen Kompetenz gezweifelt werden.
"Julietta" ist die Geschichte der gleichnamigen Hauptfigur, die kurz vor dem Abi zu ihrem Medizin studierenden Freund Jiri nach Berlin fährt, zur Love Parade. Nach einem Ecstasy-Ticket auf dem Bahnhof und einem Quickie in einem Fotoautomaten verlieren sich die beiden in der Menge und irgendwann fällt Julietta in einem Springbrunnen in Ohnmacht. Der Amateur-DJ Max rettet sie. Und für das nun folgende muß einfach die Inhaltsangabe aus dem Pressematerial zitiert werden: "Er ist fasziniert von Juliettas Schönheit und in einem, für ihn unwirklichen Moment zwischen Nacht und Morgen, schläft er mit ihr, während sie noch bewusstlos ist. Sechs Wochen später bemerkt Julietta ihre Schwangerschaft." (kurze Pause, um dem Leser Zeit zu geben, vor Lachen auf den Boden zu fallen und sich wieder aufzurappeln. Falls sich jemand fragt, wie man diese Szene inszenieren kann, ohne daß sie komplett lächerlich aussieht: Kann man nicht) Tja, scheiße sowas. Julietta rast flugs nach Berlin zurück (in der Annahme, Jiri sei der Vater, weil sie sich natürlich an nichts erinnert), wo Jiri und Max durch des Zufalls Güte inzwischen beste Freunde geworden sind. Und damit es hübsch kompliziert wird, verlieben sich Julietta und Max jetzt irgendwie ineinander. Und damit sie dafür auch genug Zeit haben, kommt Jiri völlig grundlos für zwei Tage nicht nach Hause. Und dann hält Max die Seelenqual irgendwann nicht mehr aus und gesteht die Vergewaltigung. Und wer sich diesen völlig dämlichen Blödsinn bis zum Ende antut, hat entweder selber Ecstasy genommen oder ist Filmkritiker.
Dieses "Ohnmacht-Vergewaltigung-Schwangerschaft"-Motiv ist übrigens Heinrich von Kleists "Marquise von O." entnommen, was die Sache aber keinen Deut besser macht. Peinlicher Schwachsinn bleibt peinlicher Schwachsinn, da hilft es auch nix, wenn sich das irgendwann mal ein großer Literat ausgedacht hat. Daß solcherlei Leute halt auch mal Mist schreiben scheint der ehemalige Germanistik-Student und jetzige Drehbuch-Autor Jochen Bitzer an seiner Uni nicht gelernt zu haben. Armes Stuttgart. Auf die völlig hohle Idee, dieses Motiv in die Jetzt-Zeit zu transferieren ist Bitzer aber wohl ganz alleine gekommen, womit der Preis für die dümmste Filmidee des Jahres konkurrenzlos ins Schwabenland geht. Armes Stuttgart, wirklich.
Es wäre gar nicht mal nötig, sich so lange aufzuregen über diesen Schmarrn und die Tatsache, daß dem intelligenten und sexuell schwer aktiven Teenager Julietta anscheinend jegliche Kenntnis von Verhütungsmitteln abgesprochen wird, würde der Rest des Films ein gewisses Potential aufweisen. Tut er aber nicht. Statt dessen macht er sich in schöner Regelmäßigkeit weiter lächerlich und untergräbt jeglichen Ansatz von Realitätsnähe. Der gute Max ist z.B. anfangs zwar noch so arm, daß er in einem (geklauten?) Krankenwagen wohnt, zieht dann Jiri gegenüber in eine abrissreife Wohnung, stellt diese aber dafür mit feinstem HiFi-Equipment voll, auf das jeder Technik-Freak neidisch wäre.
Beinahe eine Totalkatastrophe sind auch Charaktere und Darsteller. Einzig halbwegs positiv fällt da noch Lavinia Wilson als Julietta auf, die auch als einzige eine Figur spielt, der man mehr als drei Eigenschaften zuordnen kann. Auch wenn diese drei Eigenschaften im Laufe des Films des öfteren zu wechseln scheinen (Kontinuität, anyone?). Die anderen Figuren beschränken sich im Großen und Ganzen auf ein bis zwei Gesichtsausdrücke und scheinbar genauso viele Lektionen auf der Schauspielschule (besonderer Knaller: Jiri's recht aggressiver Koks-Dealer).
Was den eingangs erwähnten Geldgebern wahrscheinlich als hippes Generationsportrait mit Kultpotential angepriesen wurde (immerhin geht's um Techno, Drogen, Sex und spielt im gerade ultra-angesagten Berlin) entpuppt sich als erbärmlich zusammengekleistertes Nichts, entstanden aus einer halben und noch dazu schlechten Idee für ein Drehbuch (das übrigens 17mal umgeschrieben wurde), umgesetzt mit talentfreien Darstellern und ohne Konzept. Wenn dies das junge deutsche Kino sein soll, dann aber gute Nacht.
Originaltitel
Julietta
Land
Jahr
2001
Laufzeit
95 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
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