It's a free world

Originaltitel
It's a free world
Jahr
2007
Laufzeit
97 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Patrick Wellinski / 11. Juni 2010

Der letzte Film von Ken Loach hieß "The wind that shakes the barley" und führte den Zuschauer in die Untiefen der Geschichte des irischen Befreiungskampfes. Leider hat das Ergebnis damals nicht in allen Punkten überzeugt und sicherlich zählte dieser Film dann doch nicht zu den überzeugendsten Arbeiten des britischen Regisseurs. Mit "It's a free world" kehrt Loach zurück in die Gegenwart und beweist eindrücklich wo seine wahren Stärken liegen, nämlich in der exakten Beobachtung des Lebens im englischen Arbeitermilieu.
Im Zentrum seiner Geschichte steht Angie (Kierston Wareing), die gerade frisch entlassen worden ist. Aus Frust über den Bruch mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber und über die nun bevorstehende Arbeitslosigkeit, überredet Angie ihre Studienfreundin Rose (Juliet Ellis) dazu, eine Leiharbeitsfirma auf die Beine zu stellen und billige Arbeitskräfte aus Osteuropa an diverse Fabriken und Betriebe im Londoner Umland zu vermitteln. Die beiden Frauen mühen sich nach Kräften das Unternehmen zum Laufen zu bringen, doch schon bald geraten sie mit den Zahlungen an die Arbeiter in Rückstand und sehen sich mit völlig neuen Gefahren konfrontiert.

Machen wir es kurz: "It's a free world" ist einer der besten Loach-Filme seit vielen Jahren. Solide und souverän präsentiert er uns das Schicksal von Angie, die sich langsam selber in eine Spirale voller moralischer Widersprüche katapultiert. Angie ist eine Frau, die ziemlich kalt und immer sehr rational Entscheidungen fällt und dabei keine Skrupel zeigt. So versammeln sich jeden Morgen die Arbeiter in einem kleinen Hinterhof, da die beiden Frauen noch keine Büroräume mieten können. Von hier aus sortieren Angie und Rose die Männer in zwei kleine Lastwagen und fahren sie zu den jeweiligen Arbeitsstätten. Dabei bekommt man das Gefühl nicht los, dass bei dieser täglichen Prozedur die Arbeiter als billige Ware angesehen und behandelt werden. Das zeigt sich besonders gut am äußerst harschen Umgang, den Angie gegenüber den Arbeitern an den Tag legt.
Doch wer jetzt denkt, dass Loach die einseitige Geschichte einer Frau erzählt, die mit der Zeit zur eiskalten und zynischen Menschenhändlerin aufsteigt, liegt völlig falsch. Dank des grandiosen Drehbuchs von Paul Laverty (welches 2007 auf dem Filmfestival von Venedig ausgezeichnet wurde) bleibt Angie als Filmfigur immer vielschichtig und wirkt nie eindimensional. Ihre Stärke und die mitunter sehr ruppige Durchsetzungsfähigkeit sind nur gespielt. Es ist eine Maske, damit Angie wenigstens den Schein der Kontrolle über die Männer bewahren kann. Doch wenn sie mit der Zahlung in Rückstand gerät, da ist auch dieser Schutzschild wirkungslos.
Dabei ist Angie eine Frau, die es vielleicht nicht nötig hätte solch ein Projekt in Angriff zu nehmen, aber sie hat auch einen Sohn (Joe Siffleet), der derzeit bei den Großeltern wohnt und seine Mutter eigentlich so gut wie gar nicht mehr zu sehen bekommt. Doch für seine Zukunft und aus dem unbegründeten Glauben heraus, alles allein schaffen zu müssen, begibt sich Angie mit der Zeit sogar in Lebensgefahr. Es ist der Vater, der seiner Tochter immer wieder zu sagen versucht, dass ihr Sohn nicht das Geld der Mutter braucht, sondern die Mutter selbst.
Die wenigen Gespräche zwischen Vater und Tochter gehören zu den stärksten Momenten des Films. Wie überhaupt die Dialoge in "It's a free world" eine großartige Tiefe besitzen und dabei nie fremd oder unpassend wirken. Ganz im Gegenteil: Vielmehr spiegeln sie die Ausweglosigkeit und die Komplexität eines der größten Probleme der aktuellen europäischen Gesellschaft wider, ohne moralinsauer oder belehrend daher zu kommen. "Was erwartet deinen Sohn, wenn er die Schule verlässt und in die Welt raus muss? Er wird im Wettbewerb stehen mit Kosovaren und Rumänen", sagt Angies Vater. "Ich geb ihnen wenigstens eine Chance", antwortet Angie etwas naiv und wenig überzeugend, worauf der Vater wiederum sagt: "Schullehrer, Ärzte, Krankenschwestern kommen zu uns und arbeiten als Kellner, für einen Hungerlohn. Was ist daran denn eine Chance?"

Es ist schlicht und einfach bewundernswert, wie klug und reflektiert Ken Loach das Thema der billigen Arbeitskräfte in einem Film verarbeitet, ohne dabei unbedingt immer eine bedrohliche und depressive Atmosphäre erzeugen zu müssen. "It's a free world" - den Titel werden wir wohl ziemlich zynisch verstehen müssen - hat durchaus seine hellen und witzigen Momente. Dennoch lässt er seinen eigentlichen Gegenstand nie aus den Augen. Loach findet aber keine Antworten, wie man all die skandalösen Entwicklungen aufhalten oder verhindern könnte. Das muss er auch nicht. Warum sollte er auch? "It's a free world" beweist einzig und allein wie wundervoll es aussehen kann, wenn sich ein brillanter Filmemacher seiner eigenen Umwelt bewusst ist und mit den einfachsten Mitteln die aktuelle geistige Verfassung einer Gesellschaft einfängt und direkt auf die Leinwand bringt.


3
3/10

naja hätte gedacht der wär besser

Permalink

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.