Anfang der 1960er Jahre herrscht bei der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA Katerstimmung, denn die Sowjetunion droht sie im Weltraumrennen abzuhängen. Den Russen gelingt es sogar erstmals, einen Menschen erfolgreich ins All zu schießen und nach einer Erumrundung wieder zurückzuholen, während die Amerikaner an solch einer Leistung nicht mal nah dran sind. In einem abgelegenen Hinterhaus des NASA-Geländes schiebt derweil eine Gruppe afroamerikanischer Frauen ihren Dienst unter Leitung von Dorothy Vaughan (Octavia Spencer). Sie sind Rechenexpertinnen, die jedoch aufgrund der noch immer existenten Rassentrennung in den USA nicht in denselben Räumlichkeiten wie ihre weißen Kollegen und Kolleginnen arbeiten dürfen. Unter ihnen ist auch Katherine Johnson (Taraji P. Henson), ein derart außergewöhnliches mathematisches Genie, dass sie trotz Rassentrennung schließlich als menschlicher Computer ins Allerheiligste der NASA berufen wird, ins Team von Al Harrison (Kevin Costner), unter dessen Leitung die fast übermenschlich komplizierten Berechnungen angestellt werden sollen, um eine erfolgreiche Weltraummission der USA zu ermöglichen. Während Katherine sich inmitten des alltäglichen Rassismus an ihrer neuen Arbeitsstätte zu behaupten versucht, will ihre Freundin und Kollegin Mary Jackson (Janelle Monáe) ebenfalls eine scheinbar unüberwindliche Rassengrenze überschreiten und setzt alles daran, den offiziellen Titel als Ingenieurin bei der NASA zu erringen, während Dorothy bewusst wird, dass dieses wundersame Riesen-Ding, das die Firma IBM gerade bei der NASA installiert, die Arbeitsplätze ihrer ganzen Abteilung obsolet machen könnte - es sei denn, sie und ihre Kolleginnen sind die ersten die lernen, wie man mit dieser riesigen Rechenmaschine eigentlich umgeht.
Die Heldinnen von "Hidden Figures" sind reale Personen, die durch unermüdlichen Einsatz und Beharrlichkeit tatsächlich die starren gesellschaftlichen Rassengrenzen durchstoßen konnten, Jahre bevor die Bürgerrechtsbewegung in den USA dafür auch die juristischen Grundlagen durchsetzte, und die damit ihren nicht unerheblichen Beitrag zum Gelingen des amerikanischen Weltraumprogramms leisteten, das schließlich bis zur ersten Mondlandung führte. Der Film ist dabei als eine Feelgood-Geschichtsstunde konzipiert, als Erbauungskino, das eine fast schon zu schöne Geschichte darüber erzählt, wieweit man (bzw. vor allem Frau) es trotz aller Widerstände bringen kann, wenn man (bzw. vor allem Frau) nur genug Einsatzwillen zeigt und sich nicht von seinem Ziel abbringen lässt. Das ist genau genommen eine ziemlich kalkulierte Angelegenheit, ein Film, der genau weiß, wie er bei seinem klar umrissenen Zielpublikum auf welche Knöpfe drücken muss, um seine Wirkung zu entfalten. Aber eine wohlberechnete Kalkulation ist das eine, man muss sie dann auch überzeugend praktisch umsetzen. Und so sehr man "Hidden Figures" auch vorhalten kann, eine etwas sehr gefällige, geradezu (im linksliberalen Sinne) populistische Hymne auf moralischen Anstand und Durchsetzungsfähigkeit zu sein - er macht seine Sache einfach verdammt gut.
Das ist vor allem seinen Darstellern zu verdanken, die durch die Bank hervorragende Arbeit leisten und gerade dadurch glänzen, dass sie sich gekonnt zurücknehmen. Hier spielt niemand "für die letzte Reihe", und gerade die Subtilität im Spiel verleiht ihm seine eigentliche Stärke, wenn z.B. Kirsten Dunst als weiße Vorgesetzte der schwarzen Rechenabteilung oder "Sheldon Cooper" Jim Parsons als Katherines Kollege, der ihr ihre Genialität neidet, in nur kleinen Gesten und schlichten Sätzen eben jenen Rassismus durchscheinen lassen, der damals noch derart gesellschaftlich verbreitet und "normal" war, dass ihn die Beteiligten nicht einmal als Rassismus erkannten. Taraji P. Henson, die den zentralen Handlungsstrang auf ihren Schultern trägt, bringt die nötige Ausstrahlung dafür mit und weiß auch in den Momenten zu überzeugen, wenn der Film zur Auflockerung phasenweise kurz in Sitcom-Gefilde abdriftet. Auch Octavia Spencer vermittelt eine stille Präsenz, die ihre diversen Filmpreis-Nominierungen als beste Nebendarstellerin für diesen Film mehr als rechtfertigt. Einfach herrlich anzusehen ist auch wieder der alte Recke Kevin Costner, der hier wieder einmal eine unvergleichliche Gravitas auf die Leinwand bringt. Wie er es schafft, den Eindruck zu vermitteln, als würde er nicht bloß eine Rolle spielen, sondern als hätte er tatsächlich schon seit Jahren in diesem Büro gelebt und gearbeitet, ist für sich genommen schon eine Lektion in großartigem Schauspiel.
Dieses großartige Ensemble weiß Glaubwürdigkeit und Mitgefühl auch in Momenten zu erzeugen, die hart an der Grenze zum Kitsch entlangschrammen, dank des Schauspiels und der sehr gelungenen Inszenierung es dann aber doch schaffen, ihr Publikum aufrichtig zu ergreifen. "Hidden Figures" versteht es hier wie anderswo dabei geschickt, aus kleinen Details große Wirkung zu generieren. Als Beispiel sei nur die Kaffeekanne in Katherines Großraumbüro genannt, die auf so schlichte wie prägnante Weise zum mächtigen Symbol für den alltäglichen Rassismus wird, dem sich diese Frauen in ihrem Leben ausgesetzt sahen. Damit sich das alles nicht zu schwer und problembeladen anfühlt, belässt "Hidden Figures" nicht nur seinen Heldinnen ihre konsequent würdevoll erhobenen Häupter, sondern lockert seinen sehr ernsten historischen Subtext auch immer wieder durch amüsantes Zeitkolorit auf, zum Beispiel in Form des scheinbar endlosen Aufbaus der riesigen IBM-Rechenmaschine, die einen ganzen Raum bei der NASA einnimmt. Eine amüsantes sprachliches Detail wird in diesem Zusammenhang in der deutschen Synchron-Version wohl leider verloren gehen, nämlich dass, wann immer hier jemand davon spricht, dass er einen "Computer" braucht, damit eben keine Maschine gemeint ist, sondern ein Mensch.
"Hidden Figures" ist Feelgood-Kino in Reinkultur, eine erbauliche wahre Geschichte mit der richtigen Mixtur aus Drama, Komödie und Geschichte, um es einem einfach wohlig warm ums Herz werden zu lassen. Ein so gut erzähltes Stück feine Unterhaltung, dass man sich am Schluss auch nicht mehr an dem doch sehr zurecht konstruierten dramatischen Höhepunkt stört, sondern bereitwillig mit dem Film diese Frauen feiert, die sich ihre späte Hommage als unbekannte Heldinnen des Kampfs für gesellschaftliche Gleichstellung mehr als verdient haben.
Neuen Kommentar hinzufügen