Am Ende des letzten Teils hat Harry Potter (Daniel Radcliffe) beim Trimagischen Turnier die Rückkehr des Dunklen Lord Voldemort (Ralph Fiennes) miterlebt und dabei hilflos zusehen müssen, wie der böse Magier seinen Mitschüler Cedric umgebracht hat. Doch an die Auferstehung des dunklen Meisters scheint die breite Zaubergemeinde und allen voran das Zauberministerium nicht so recht glauben zu wollen.
Und so beginnt das fünfte Schuljahr für Harry düsterer und gefährlicher als alle zuvor: Nachdem er seinen dämlichen Cousin vor zwei Dementoren gerettet hat, muss er sich von einer Ministeriumsversammlung rechtfertigen, die ihn im schlimmsten Fall aus Hogwarts herausschmeißen kann. Doch Harry darf weiter zur Schule, merkt aber, dass längst ein Krieg tobt. Der geheimnisvolle "Phoenix-Orden", dem auch Harrys Patenonkel Sirius Black (Gary Oldman) angehört, kämpft gegen das sture Ministerium an, welches die Rückkehr von Lord Voldemort immer noch nicht wahrhaben will. Und dieser Kampf macht auch vor den Toren von Hogwarts keinen Halt. Denn in Person der eigentlich sehr zierlichen Großinquisitorin Dolores Umbridge (Imelda Staunton) bekommt die Schule eine neue Direktorin verpasst. Ab jetzt weht ein anderer Wind in Hogwarts….
Das fünfte Buch "Harry Potter und der Orden des Phoenix" ist mit Abstand das bisher längste der Reihe. Auf den 1020 Seiten hat die Autorin Joanne K. Rowling zwar nur relativ wenig Geschichte zu erzählen (weshalb das Buch wohl auch als schwächster Teil der Reihe gilt), dafür aber umso erstaunlicher von den berstenden inneren Konflikten ihres Zauberschülers zu berichten. Das Buch spielt sehr mit dichten Atmosphären und psychologischen Kämpfen. Daher war es interessant zu sehen, wie das Filmteam rund um Regieneuling David Yates sich des Stoffes annimmt. Ist das Kino nicht geradezu prädestiniert dafür, packende Atmosphäre in große Bilder zu fassen?
Wie schon bei den vorherigen Teilen konnte allerdings nur ein in sich funktionaler Film dabei entstehen, wenn die Macher sich nicht sklavisch an die Vorlage halten und sich mit dem Drehbuch ein wenig vom Bestseller emanzipieren. Das scheint Autor Michael Goldenberg anfänglich auch gut zu gelingen. In der ersten Stunde können sowohl noch die Liebhaber der Bücher dem Film folgen, als auch alle, die Harry Potter bisher nur von der Leinwand kennen. Doch dann wird der Karren leider wieder langsam in den Dreck geschoben und der Film offenbart merkliche Schwächen.
Das Drehbuch entfernt einige Charaktere völlig, verdichtet viele kleine Handlungsstränge zu einem großen, fügt wiederum völlig neue hinzu und legt den Fokus, wider dem Buch, allein auf den Plot, der halt im fünften Band relativ dünn und nicht der wesentliche Mittelpunkt war. Yates zeigt in aller Ausführlichkeit das Formieren der "Dumbledore Armee", in der Harry einige Mitschüler in der Verteidigung gegen die dunklen Künste ausbildet, und natürlich den Machtwahn von Dolores Umbrigde, die den ganzen Hass der Schule samt Lehrkörper auf sich zieht.
Was dabei auf der Strecke bleibt (und das ist wirklich ärgerlich) sind die inneren Konflikte Harrys. Seine Wut gegen Hermine und Ron, die ihn den ganzen Sommer über nicht kontaktiert haben. Die Schuldgefühle, Cedrics Tod nicht verhindert zu haben. Die Hetzkampagne des "Tagespropheten" gegen seine Person. Das Nichternstgenommenwerden durch Dumbledore, der ihn phasenweise einfach ignoriert. Die langsame Entfremdung gegenüber Sirius, der in ihm nur seinen Vater sehen möchte. Die immer größer werdenden Zweifel über seinen Vater, der anscheinend doch nicht so edel war, wie sich Harry ihn immer vorgestellt hat. Und schließlich seine Gefühle für seine Mitschülerin Cho Chang (Katie Leung), die in ihm aber immer nur das letzte Bindeglied zwischen ihr und ihrem Ex-Freund Cedric sieht. Da kann man nur verzweifeln. Viele dieser Konflikte kommen zwar im Film vor. Aber die meisten versucht das Drehbuch durch Dialoge zu vermitteln, da erscheinen diese Themen, gewaltig wie sie sind, nur marginal und skizzenhaft, fast unbedeutend.
Dass dies nicht immer so sein muss, beweist der Regisseur allerdings auch. Einmal wandert Harry allein durch die Wiesen von Hogwarts, aus dem Off spricht er den Inhalt eines Briefes, den er an Sirius schreibt, in dem er sagt: "Ich war vielleicht noch nie so allein in Hogwarts." Die Kamera macht in diesem Moment einen furiosen Rückwärtsschwenk und dann erscheint dieser Teenager, nur wie ein verlassener kleiner Punkt - einer unter vielen - in Mitten von gewaltigen Bergen und dunklen Wäldern. Ein tolles Bild für die Einsamkeit von Harry Potter, aber auch für die Einsamkeit eines Teenagers in der Pubertät.
Leider sind solche Sequenzen Mangelware. Aber hier spürt man, was für ein Film "Harry Potter V" hätte werden können. So schleicht sich beim Sehen des fünften Potter-Films ein wenig Wehmut ein. Selbst ein Quidditch-Spiel bekommt man nicht zu sehen. Und die Fragezeichen in den Köpfen des Betrachters häufen sich: Viele Wendungen und Erklärungen (auch der obligatorische Dumbledore-Monolog) wirken eher irritierend, und allen, die nicht die Buchvorlage kennen, wird sich das wahre Geheimnis um eine mysteriöse Prophezeiung nur schleierhaft enthüllen.
Doch es ist natürlich nicht alles schlecht im neuen Potter-Film, mitnichten. Es ist wieder diese unglaubliche Liebe zum Detail, die immer wieder das Ruder herumreißt. Die Filmemacher (und hier muss man die grandiose Leistung des Kameramanns Slawomir Idziak hervorheben, der es wahrlich versteht, große Kinobilder zu erzeugen) haben sich wieder einmal große Mühe gegeben, den ganzen Kosmos, der Rowlings Kopf entsprungen ist, prachtvoll zu visualisieren. Wenn dann beispielsweise das Geheimquartier des Phoenix-Ordens sichtbar wird, oder die Kamera lustvoll das Treiben im Zauberministerium zeigt, ist das mit seiner leidenschaftlichen Detailverliebtheit einfach betörend. Und der Showdown ist, was den Actionanteil angeht, gewohnt spannend und ereignisreich. In einigen 3D-Kinos wird man diesen sogar mit 3D-Brille bewundern dürfen, so dass man nun ohne weiteres wirklich die Illusion vermittelt bekommt, man kämpfe an Harrys, Rons und Hermines Seite gegen das Böse. Doch im Nachhinein darf man berechtigter Weise fragen, ob denn die Entscheidung, den fünften Potter mit einem 3D-Teil auszustatten, nicht einfach nur über den ungeschickt aufgebauten Plot hinwegtäuschen soll? Eine Art Technik-Spektakel ohne viel Inhalt.
Aber das würde der Harry Potter-Reihe nicht gerecht werden. Schließlich gibt es hier immer noch Figuren, die von menschlichen Schauspielern gespielt werden, und die machen ihre Arbeit wieder einmal vorzüglich. Allen voran Imelda Staunton als Dolores Umbridge. Sie legt in ihren Charakter so unfassbar viel Widerlichkeit, dass man die Professorin auch als Zuschauer einfach nur verabscheut. Und das muss man erst einmal schaffen. Grandios ist auch wieder Alan Rickman als Professor Severus Snape, doch das Drehbuch lässt seine wichtige Stellung und Wirkung in dieser Episode leider nur erahnen. Auch ein positives Lob verdienen sich die beiden Jungdarsteller Emma Watson und Rupert Grint, die Hermine und Ron verkörpern. Sie gehen mit vielen Dialogstellen so wunderbar spielerisch um, dass ihr Potential sofort sichtbar wird. Rupert Grint hat jetzt schon seine Mimik und Gestik so perfekt unter Kontrolle, dass man von dieser jungen Karriere noch viel erwarten kann.
Das einzige Sorgenkind bleibt Daniel Radcliffe. Er vermag es nicht, die ganzen inneren Zerreißproben seiner Figur darzustellen. Dabei kann man dem Darsteller nur bedingt einen Vorwurf machen. Die Anforderungen übersteigen eigentlich seine Fähigkeiten. Hier würde sogar ein erfahrener Schauspieler seine Schwierigkeiten haben.
"Harry Potter und der Orden des Phoenix" ist ein äußerst zweischneidiges Schwert geworden. Auf der einen Seite kann man den Mut der Filmemacher nur loben, weil sie sich deutlich von der Buchvorlage distanziert haben und nicht mehr die Zeilen des Romans Wort für Wort auf die Leinwand pressen wollten (woran vor allem die ersten beiden Verfilmungen krankten), doch das Ergebnis dieses Mutes ist ein zu unausgegorenes, ein fast schon unfertiges Drehbuch geworden. Auch die düstere Atmosphäre, die den tollen Vorgänger geprägt hat, wird nicht vertieft. Vielleicht hatte man Angst, man würde bei noch dunkleren Szenen eine zu hohe Altersfreigabe erhalten und so viele junge Fans verprellen. Doch das bedeutet, dass sich die Film-Reihe mit dem fünften Teil im Gegensatz zur Buchvorlage nicht weiterentwickelt hat, sondern vielmehr einen kleinen Schritt zurückgegangen ist.
Nun ist aber noch nicht aller Tage Abend. "Harry Potter und der Orden des Phoenix" bietet für eingefleischte Potter-Liebhaber und Freunde der Bücher immer noch genug Gründe, um sich eine Kinokarte zu sichern, und man darf nach wie vor gespannt sein, was einen im nächsten Film und dann auch im endgültig letzten Buch erwartet.
Neuen Kommentar hinzufügen