The harder they fall

Land
Jahr
2021
Laufzeit
130 min
Genre
Release Date
Streaming
Bewertung
7
7/10
von Matthias Kastl / 2. November 2021

US-Historikern zufolge war nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges jeder vierte Cowboy im amerikanischen Westen schwarz. Eine Tatsache, die von Hollywood nicht nur während der Blütezeit des Western-Genres immer sehr gerne ignoriert wurde. „The harder they fall“ möchte hier mit seinem fast komplett schwarzen Schauspielensemble nun eine lange überfällige Kurskorrektur vornehmen. Allein dadurch bringt der Film schon eine dringend benötigte Auffrischung in das lange so farbenblinde Genre. Dank unglaublich charismatischer Schauspieler*innen und einigen flotten Dialogen ist der Film auch ein durchaus kurzweiliges Vergnügen geworden. Doch die etwas blasse Inszenierung und die Tatsache, dass der Film am Ende doch deutlich konservativer ist als er zu sein gibt, berauben „The harder they fall“ der Chance ein noch eindrucksvolleres Statement zu hinterlassen.  

Jede Menge eindrücklicher und vor allem blutiger Statements setzt auf jeden Fall die Hauptfigur des Films, der Cowboy Nat Love (Jonathan Majors). Als Kind musste Nat den kaltblütigen Mord an seinen Eltern durch den skrupellosen Banditen Rufus Beck (Idris Elba, „Der dunkle Turm“, „Molly's Game“) erleben. Seit diesem Tag ist Nat auf nicht gerade jugendfreiem Rachefeldzug und schickt die Mitglieder von Rufus' Gang nach Herzenslust in die ewigen Jagdgründe. Als Rufus selbst schließlich von den ehemaligen Weggefährten Trudy Smith (Regina King, „One Night in Miami“, „Ray“) und Cherokee Bill (LaKeith Stanfield, „Knives Out“) aus dem Knast befreit wird, sieht Nat endlich die Chance für seine große Abrechnung gekommen.

 

 

Für sein Spielfilmdebut „The harder they fall“ bedient sich der britische Musikproduzent und Singer-Songwriter Jeymes Samuel als Regisseur gewissermaßen bei sich selbst. Bereits 2013 inszenierte er den Kurzfilm „They Die by Dawn“, in dem eine zum großen Teil schwarze Cast (unter anderem der kürzlich leider verstorbene Michael Kenneth Williams aus „The Wire“ und „Breaking Bads“ Giancarlo Esposito) den Wilden Westen aufmischt. Nun gibt es das Ganze also in einer Nummer größer und auch hierfür hat er sich wieder ein nicht minder spannendes Darstellerensemble zusammengestellt.

Ausgangspunkt für die Story sind dabei reale Vorbilder aus der oft vernachlässigten Geschichte afroamerikanischer Westernhelden, wie der Rodeoreiter Nat Love oder die erste schwarze Postkutscherin Mary Fields. Doch eine Texteinblendung zu Beginn stellt gleich klar, dass deren Lebensgeschichte hier lediglich als lose Inspirationsquelle verstanden werden sollte. Was dann auch gleich eindrücklich durch die Einführungssequenz unterstrichen wird, in der unser Protagonist einen Gegenspieler zu cooler Rapmusik und dem Einsatz stylischer Freeze Frames über den Jordan schickt – lässige Oneliner natürlich inklusive.

 

 

So liegt der Fokus von „The harder they fall“ eindeutig darauf seine ungewohnte Ausgangssituation für eine möglichst coole Rachegeschichte zu nutzen, anstatt sich tiefergehend mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen zu wollen. Das ist natürlich völlig in Ordnung, allerdings auch ein bisschen schade. Denn in den wenigen Momenten, wo das Thema auf den Tisch kommt, zeigt sich welches enorme Potential darin steckt. Das schönste Beispiel hierfür ist Nats Ausflug in die sogenannte White Town – eine Stadt, in der nur Weiße leben und geduldet werden. Das ist visuell faszinierend gelöst, da die ganzen Häuserfassaden komplett in weiß gehalten sind und so eine prickelnde Atmosphäre entsteht, wenn Nat dort einmarschiert. Aber viel mehr als eine kleine Schießerei passiert dann nicht und das wirkt angesichts des interessanten Szenarios doch eher wie eine verpasste Chance.  

Glücklicherweise gelingt es dem Film aber trotzdem das Publikum bei der Stange zu halten. Denn man hat vor allem ein großes Ass im Ärmel: das besagte Schauspielensemble. Auf der Seite der “Guten“ gelingen dabei Jonathan Majors oder Veteran Delroy Lindo ziemlich souveräne Darbietungen. Doch selbst die verblassen schon fast gegenüber dem, was sich auf der anderen Seite des moralischen Spektrums abspielt. Gerade das Dreigestirn aus Idris Elba, Regina King und LaKeith Stanfield bringt nahezu in jeder seiner Szenen den Bildschirm zum Knistern. Das Idris Elba unglaubliches Charisma entfalten kann ist nun wirklich keine Überraschung. Welche eindrucksvolle Ausstrahlung aber King in ihrer Rolle als knallharte Banditin entwickelt, selbst wenn sie nur irgendwo im Hintergrund still in der Ecke steht, ist schon beeindruckend. Und der verschmitzte Lausbuben-Charme von Cherokee Bill (LaKeith Stanfield) ist geradezu ansteckend, auch wenn man sich von der humorvollen Schlagfertigkeit dieser Figur besser nicht täuschen lassen sollte.

 


Der genauso skrupellose wie wortgewandte Cherokee wirkt dann auch wie eine typische Figur aus einem Tarantino-Streifen, was uns dann auch zu den Schwächen des Films bringt. Bereits die stylische Einführung von Nat hat gezeigt, wen Regisseur Samuel sich hier zum Vorbild auserkoren hat. Doch das Niveau eines Tarantino erreicht die Inszenierung bei weitem nicht. Während die ersten Minuten noch relativ schwungvoll daherkommen, kommt der Motor im weiteren Verlauf hier leider deutlich ins Stocken. Man hat das Gefühl, dass Samuel nicht so ganz weiß, wie er die Coolness seiner Figuren auch optisch auf den Bildschirm bringen soll. Die visuellen Einfälle nehmen im Verlauf der Story immer weiter ab und wirken, wie auch der Einsatz der Musik, oft sehr beliebig und selten so belebend und cool, wie es angesichts dieses staubigen Genres ja eigentlich sein müsste.   

Gerade Western leben ja auch davon, dass vor allem durch die Bildkomposition und den Schnitt selbst kleinste Momente eine unglaubliche epische Wucht entfalten. Doch das ist hier leider nie der Fall. Viele Bilder wirken eher flach und langweilig und auch im großen Shoot-Out am Ende will nicht so richtig Dramatik aufkommen. Irgendwie ist es auch bezeichnend, dass alle Figuren eigentlich immer wie aus dem Ei gepellt aussehen. Staub und Schmutz sucht man hier vergebens. So kommt „The harder they fall“ visuell meist einfach eine kleine Spur zu glatt und brav daher, um auch optisch gefallen zu können (mit der Ausnahme von White Town).

 

 

Bei genauem Blick zeigt sich ebenfalls, dass der Film auch etwas konservativer ist als er vielleicht zugeben möchte. Zumindest was das Frauenbild angeht. Die dürfen hier durchaus gleichberechtigt zur Waffe greifen. Doch am Ende ist es eine Dame, deren Leichtsinnigkeit den Mann wieder einmal dazu zwingt, den großen Helden spielen zu dürfen. Womit wir dann doch wieder im letzten Jahrhundert gelandet wären. Keine Frage, „The harder they fall“ ist vor allem dank der Darsteller und einiger cooler Dialoge trotzdem eine ziemlich unterhaltsame Angelegenheit geworden. Aber so ein bisschen steht man sich hier schon selbst auf den Füßen und verhindert so am Ende den ganz großen Wurf.

Bilder: Copyright

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