„Der Mann in Schwarz floh durch die Wüste und der Revolvermann folgte ihm“. So begann einst Stephen King seinen Roman, der auf Deutsch den Titel „Schwarz“ trägt und der deutlich anders daher kam als die bis dahin vom „Großmeister des Horrors“ veröffentlichten Publikumserfolge. Etwas abseitig, teils in einer surrealen fremden Welt angesiedelt und insgesamt deutlich mehr Fantasy als Grusel. Damals ahnte auch King selbst noch nicht, dass sich dieses scheinbare Nebenprodukt zu seinem umfangreichsten Werk überhaupt ausdehnen und einmal einen zentralen Platz in seiner Bibliographie einnehmen würde. Nach sieben, über viele Jahre verteilt erschienenen Bänden war das Epos dann vorläufig abgeschlossen, auch wenn der Autor immer mal wieder in diese Welt zurückkehrt. Und weil es eh ein Gesetz der Branche zu sein scheint, dass praktisch jedes King-Werk auch irgendwann verfilmt wird, kam man am „Dunklen Turm“ natürlich erst recht nicht vorbei. Wobei im Prinzip klar war, dass man diese Geschichte kaum in einen einzigen Kinofilm wird zwängen können. Und so wurden über die Zeit immer wieder neue Konzepte zu Mehrteilern oder TV-Serien ent- und auch wieder verworfen. Nun ist es aber so weit, Stephen Kings Hauptwerk kommt ins Kino und zwar als.... in sich abgeschlossener, gerade mal 95 Minuten langer Film. Wie soll das denn bitte funktionieren?
Der Revolvermann Roland (Idris Elba) und der in Schwarz gekleidete Walter (Matthew McConaughey) stehen sich in einer feindseligen, größtenteils zerstörten Welt als erbitterte Feinde gegenüber. Der Mann in Schwarz verfolgt rücksichtslos sein Ziel, den „Dunklen Turm“ zu Fall zu bringen, der das Universum im Innersten zusammen hält. Die Erschütterungen, denen der Turm dabei ausgesetzt wird, sind auch auf unserer Erde zu spüren. Und der zwölfjährige Jake (Tom Taylor) erahnt als einer der wenigen die Zusammenhänge, hat er doch schon seit langem Visionen und Träume von den Kontrahenten aus der fremden Welt. Die ihm allerdings niemand glaubt, sondern lieber als psychische Störungen abgetan werden, bis Jake eines Tages konkret ins Visier von Walters Helfern gelangt. Er flieht und entdeckt dabei tatsächlich einen Zugang zur „Mittwelt“ genannten Parallel-Erde. Dort trifft er schließlich auch auf den desillusionierten Roland, der genau wie sein Widersacher erkennt, dass in diesem Jungen etwas Besonderes steckt.
Der Elefant kreiste viele Jahre, um schließlich nicht mehr als eine Maus zu gebären. Das Entsetzen und die Empörung unter den „Dark Tower“-Fans (es sind nicht ganz so viele wie von Tolkiens Mittelerde) war nach den ersten Vorführungen gewaltig, denn das kann es doch wohl nicht sein: Was der dänische Regisseur Nicolaj Arcel („Die Königin und der Leibarzt“) unter der Aufsicht von Produzent Ron Howard („Rush“, A Beautiful Mind“) abgeliefert hat ist eine Art „Best of“ der umfangreichen Romanvorlage, ein Extrakt aus deren verschiedenen Handlungsebenen und Schauplätzen sowie eine vereinfachte Version ihrer zentralen Charaktere. Dabei wurde nicht etwa das erste Buch nach dem üblichen Motto „Fangen wir damit mal an und schauen ob wir dann weitermachen“ adaptiert, sondern Elemente aus diversen Bänden übernommen, kräftig durchgeschüttelt und zu einem wilden Mix verbraten. Einen, der für die Kenner der Romane in der Tat ziemlich unverdaulich sein dürfte, die sich vermutlich doch eher den „Herr der Ringe“-Ansatz eines Peter Jackson gewünscht hätten.
Für neutralere Beobachter ist es aber durchaus interessant einmal den umgekehrten Weg zu betrachten, wo die Vorlage eben nicht extrem ausgewalzt, sondern stattdessen stark zusammengedampft wird. Und ist es für den unvorbelasteten Kinogänger auf der Suche nach Unterhaltung nicht sogar befriedigender eine in sich abgeschlossene Geschichte serviert zu bekommen, anstatt den viel versprechenden Auftakt einer Reihe, die aber eventuell nie fortgesetzt wird, wie ja gerade in diesem Genre in den letzten Jahren oft geschehen?
Betrachten wir nämlich einfach mal möglichst unvoreingenommen den Film an sich, so sehen wir einen handwerklich gut gemachten Fantasy-Beitrag, mit durchaus originellen Schauplätzen und einer zudem ausgezeichneten Besetzung. Der – was die reine Leinwandzeit angeht - eigentliche Hauptdarsteller Tom Taylor gehört erfreulicherweise zu der Sorte Kinderdarsteller, die in der Ausgestaltung ihrer Rolle nicht übertreiben oder nerven, und die beiden Schauspieler, die man für die prägnantesten Figuren ausgesucht hat, lassen zu keiner Zeit Zweifel an der Richtigkeit dieser Wahl aufkommen. Idris Elba besitzt zwar nicht die gleiche Hautfarbe wie der Revolvermann aus den Romanen, aber dafür absolut die körperliche Präsenz und Aggressivität, die seine Figur benötigt. Und Matthew McConaughey als „Mann in Schwarz“ ist ein einziger Genuss, der hier mit einer Bösartigkeit und geradezu beiläufigen Grausamkeit agiert, wenn er sich etwa lästiger Störenfriede mit einem einfachen „Hör auf zu atmen“ entledigt. Der einst auf leichte Komödien festgelegte „Schönling“ Connaughey hat sich ja in den letzten Jahren bereits zum ernsthaften Charakterdarsteller entwickelt, hier fügt er seiner Bandbreite nun eine weitere Facette hinzu.
Die Actionszenen in beiden Welten sind sauber und kurzweilig inszeniert und große Längen sind bei der knapp bemessenen Laufzeit eh nicht drin. Klar, der dunkle Turm selbst steht hier nur vom übrigen Geschehen abgeschottet einsam in der Gegend rum, aber das dürfte selbst für die Kenner der Materie nur noch eine Marginalie sein, werden diese doch bereits aufgrund des Grundkonzepts mit dem Kopf gegen die Wand schlagen und sich fragen, ob diese „Verfilmung“ des verehrten Werks denn ein Witz sein soll.
Zwar ist eine sich anschließende TV-Serie immer noch in Planung, allerdings nicht definitiv sicher und nach der nun erfolgten Vorgabe inhaltlich eh ein großes Mysterium. Wen allerdings diese Hintergründe allesamt nicht kümmern und wer lediglich einen soliden neuen Fantasy-Film mit originärer Story sehen möchte, der wird mit diesem „Dunklen Turm“ eigentlich ordentlich bedient.
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