
Dass er der einzige Mensch mit Superkräften zu sein scheint, nimmt der Rest der Bevölkerung ja noch ziemlich gelassen hin. Dass John Hancock aber nicht in der Lage ist, diese Fähigkeiten auch nur annähernd vernünftig einzusetzen, erzürnt die Leute zusehends. Gut, er steht zwar grundsätzlich auf der richtigen Seite, macht Gangster dingfest und rettet auch hier und da mal Menschenleben. Dabei geht allerdings regelmäßig ein großer Teil der Infrastruktur von Los Angeles zu Bruch und außerdem ist Hancock bei der Wahl seiner Mittel alles andere als zimperlich. Zur Rechenschaft ziehen lässt sich der dank Superstärke und Unverwundbarkeit nahezu Allmächtige dafür leider nicht, sondern kuriert stattdessen lieber seinen nächsten Rausch aus und schert sich anscheinend auch einen Dreck um sein öffentliches Ansehen. Als er aber eines Tages den engagierten PR-Agenten Ray Embrey (Jason Bateman) rettet, möchte dieser seine Dankbarkeit zeigen und macht Hancock ein Angebot, dass er letztendlich nicht ablehnen kann: Mit Rays Hilfe soll er endlich der allseits anerkannte Held werden, den das Volk liebt. Nur Rays Ehefrau Mary (Charlize Theron) ist aus irgendeinem Grund von dieser Idee alles andere als begeistert.
Will Smith ist so ziemlich die sicherste Bank für einen kommerziell erfolgreichen Film, die es zurzeit in diesem Business gibt. Direkt nach "I am Legend" bewegt er sich nun also erneut im phantastischen Bereich. Der originäre, nicht auf einer Comicvorlage beruhende "Hancock" bewegt sich dabei allerdings im deutlich leichteren Terrain der Komödie und präsentiert einen Mann, der mit seinen außergewöhnlichen Kräften nur Schindluder treibt. So scheint es zumindest und so suggeriert es ja auch jeder Trailer und jedwede Werbeaktion. Dass dem aber keineswegs so ist und der Film nach der Hälfte der Laufzeit einen kompletten Genrewechsel vollzieht, das ist die eigentliche Überraschung dieser Produktion.
Doch dazu später mehr, betrachten wir zunächst erstmal den Part, der dem Publikum genau das gibt was es eigentlich auch erwartet. Der versoffene und verkaterte Superman-Verschnitt, der sich beharrlich weigert ein Kostüm zu tragen oder auch nur die Mindestregeln des höflichen Umgangs mit seinen Mitmenschen zu beachten, ist nämlich tatsächlich ein ordentlicher Spaß und das war ja auch eigentlich nicht anders zu erwarten. Wenn John Hancock sich nur äußerst mürrisch und widerwillig von der Parkbank erhebt um ein paar Bankräubern die Leviten zu lesen, er bei jeder Landung einen mittleren Krater hinterlässt und freche kleine Kinder einfach mal kurz in die Stratosphäre befördert, dann ist das zwar simpel gestrickt und sehr plakativ, aber eben auch ein durchaus subversives kleines Vergnügen und schon interessanter als der gewohnte, stets klinisch rein daher kommende Verbrechensbekämpfer im schicken Kostüm. Schauspielerisch gab es für Will Smith sicher schon größere Herausforderungen, aber für diesen notorisch übel gelaunten Einzelgänger ist er schon eine ziemlich ideale Besetzung.
Allerdings wird sehr schnell deutlich, dass dieser Plot zwar ausreichend amüsant ist, aber auch keinesfalls genügt, um den kompletten Film zu füllen. Daher ist die Entscheidung, die Handlung irgendwann in eine andere Richtung zu lenken grundsätzlich nachvollziehbar. Aber trotzdem: Ganz so schnell hätte man die Läuterung des - im Kern natürlich von Grund auf gutmütigen - sozialen Autisten dann doch nicht durchziehen müssen. Von der Bereitschaft, sich auf Rays Plan einzulassen, bis zu dem von diesem vorhergesagten Moment der Bewährung braucht es nur wenige Minuten und Hancock zieht sich einen schmucken einteiligen Gummianzug über und ist rehabilitiert. Damit wäre die Geschichte im Prinzip erzählt und dafür brauchte man gerade mal die Laufzeit einer handelsüblichen TV-Episode.
Stattdessen der Wendepunkt: In einer rasanten Szene, die man (trotz dezenter vorheriger Andeutungen) so tatsächlich nicht kommen sieht, ändert sich plötzlich die Gesamtsituation und damit auch die Stimmung des Films. Auf das nun Folgende im Einzelnen näher einzugehen verbietet sich an dieser Stelle, aber soviel sei gesagt: Mit einem abrupten Genrewechsel verlassen wir das Terrain der Komödie für den Rest der Laufzeit und bewegen uns dafür in einer bierernst vorgetragenen Übermenschensaga, die um sich selbst einen Mythos auf dem Niveau der Highlander-Legende inszeniert. Und dabei sowohl deren inhaltlichen Kern als auch die entsprechenden offensichtlichen Logiklöcher adaptiert.
Da werden dann auch gleich die Bilder deutlich düsterer und vom sonnendurchfluteten Los Angeles bleibt nur noch eine von Sturm und Donner durchzogene Kulisse, die als Hintergrund für eine reichlich pathetisch vorgetragene Mär von Schicksal und Bestimmung dient. Starker und zeitweilig ziemlich anstrengender Tobak, der einem hier in der letzten halben Stunde serviert wird, und nicht nur deshalb kann dieser Schlussteil auch nur sehr bedingt überzeugen. Zumindest Charlize Theron darf dabei allerdings deutlich zulegen und es erschließt sich dann auch, warum man einen derart prominenten Namen für die Figur der Mary verpflichtet hat.
Aufgrund der Vermarktung des Films, in der, wie erwähnt, auf diesen radikalen Stimmungsumschwung nach halber Strecke nicht im Entferntesten hingedeutet wird, könnte man also einfach mal Respekt zollen und dies als raffinierte und mutige Entscheidung preisen. Bei näherer Betrachtung wird allerdings klar, dass es sich dabei wohl doch eher um die aus der Not geborene Maßnahme handelt, eine Produktion mit nicht abendfüllender Grundidee auf die benötigte Spielfilmlänge zu strecken. Denn es lässt sich eigentlich weder ernsthaft bestreiten, dass die beiden so grundverschiedenen Teile nicht zusammenpassen wollen, noch das die heitere erste Hälfte die deutlich stärkere ist. Selbst eine eigentlich obligatorische Fortsetzung bei Erfolg des Films ist nur sehr schwer vorstellbar, da eben am Schluss von der Ausgangsprämisse praktisch Nichts mehr übrig bleibt. Ein wirklich merkwürdiger Hybrid, den man dem Publikum hier vorsetzt und ganz sicher keiner, der als Ganzes überzeugen kann.
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