Grossstadtklein

Jahr
2013
Laufzeit
98 min
Genre
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Volker Robrahn / 14. August 2013

gsk 1So übel findet Ole (Jacob Matschenz) das unbeschwerte Leben mit seinen Kumpeln Ronny (Kostja Ullmann) und Marcel (Pit Bukowski) in der Provinz von Meckpomm eigentlich gar nicht. Doch die Familie beschließt trotzdem den etwas antriebslosen jungen Mann mal zur Fortbildung in die Großstadt Berlin zu schicken. Dort soll er bei dem ihm wenig vertrauten Cousin Rokko (Klaas Heufer-Umlauf) unterkommen und sich endlich um einen vernünftigen Job bemühen. Zwar erweist sich die Metropole Berlin nicht unbedingt als der alles verschlingende Moloch aus Party und Gewalt, den ihm seine Freunde prophezeit haben, und mit der quirligen Fritzi (Jytte-Merle Böhrnsen) bahnt sich auch schnell die erste Liebschaft an. Doch so richtig rund läuft es da dann doch nicht und vor allem einige seit Jahrzehnten schwelende Familienstreitigkeiten sorgen immer wieder für Stress. Schließlich wird es Ole zu bunt und er beschließt die Streithähne, allen voran seinen widerspenstigen Onkel Manni (Tobias Moretti) zur klärenden Aussprache zu bewegen. Es wird jedoch einiger Mühen und Verwicklungen bedürfen, bevor wieder alles ins Lot kommt und jeder Topf seinen Deckel findet.

gsk 2Der Name „Til Schweiger“ steht mit auf dem Plakat und es ist auch ganz furchtbar viel Til Schweiger drin in dieser neuen deutschen Komödie, die Deutschlands immer noch populärster Kino-Schauspieler allerdings lediglich mit produziert hat. Das mag für den einen ein Kauf- für den anderen eher ein Fluchtargument sein. Dass der Rezensent sich dabei eher der distanzierten Haltung des Feuilletons anschließt, sollte durch die Verwendung des Adjektivs „furchtbar“ bereits deutlich geworden sein. In der Praxis bedeutet das: Eine etwas verpeilter, aber grundsympathischer Hauptcharakter, umgeben von deutlich schrägeren Nebenfiguren mit diversen komischen Macken, eine Lovestory mit Umwegen, das alles unterlegt mit aktueller Popmusik aus der Nachmittagsschiene von NDR 2 bzw. dem entsprechenden Wohlfühlsender jedes anderen Bundeslandes. Fehlt noch was? Ach ja, so eine Art originelles „Thema“ als Überbau, in diesem Fall der ziemlich an den Haaren herbeigezogene Konflikt/Gegensatz zwischen Dorf und Großstadt, welcher dem Film dann auch seinen geistreichen Wortspieltitel gibt, der sich in der Tat nahtlos in die  „Kokowääh“-und Dreiohrspatzen-Tradition einreiht.

gsk 3Was sich nun sicher ein wenig böser anhört als es gemeint ist, denn auch „Grossstadtklein“ tut schließlich niemandem weh, aber man muss ja andererseits auch nicht unbedingt Bewunderung oder Respekt zollen, wenn ein Film so derart offensichtlich nach dem zur Zeit gültigen Baukastenprinzip der deutschen Standardkomödie (nur echt vom Marktführer) zusammengeschustert daherkommt. Als Regisseur zeichnet in diesem Fall Tobias Wiemann verantwortlich, der für sein Kinodebüt einen eigenen Kurzfilm aufgreift und diesen dann mit den genannten Zutaten  ̶a̶̶u̶̶f̶̶b̶̶l̶̶ä̶̶s̶̶t̶ anreichert. Und dazu gehören dann naturgemäß auch ein paar nicht mehr so ganz frische Witze und Sprüche, denn was für eine Antwort folgt wohl vom Papa auf Mutters Aussage „Wir schicken ihn nicht in den Krieg, wir schicken ihn nur zur eigenen Familie“? Wer auf „Wo ist da der Unterschied?“ tippt, hat zwar absolut Recht, erhält aber leider trotzdem keine Punkte, da die Aufgabe schlicht zu einfach war. Ob es so wahnsinnig komisch oder gar niedlich ist, einem kleinen Jungen bei seiner Geburtstagsparty den Kuchen zu klauen, mag ebenfalls jeder für sich selbst beantworten, aber so wie diese Szene hier inszeniert und präsentiert wird muss man glauben es handele sich um den unumstrittenen Brüller des Jahres. Und warum nehmen Oles Freunde beim Besuch in der Hauptstadt ihre Mofas lieber mit hoch in die Wohnung um dort dann eine qualmende Reparatur zu veranstalten? Na, Berlin ist schließlich eine Hochburg der Kriminalität, da muss man ja mit allem rechnen.

gsk 4Mit derart zeitgemäßen Klischees hangelt man sich durch und fragt auch schon gar nicht mehr, warum Rokko eigentlich seinen Cousin, der er seit 15 Jahren nicht gesehen hat und dessen Familienzweig er nicht leiden kann, so widerspruchslos bei sich aufnimmt? Und man freut sich dann einfach gemeinsam mit Ole, dass die allererste Frau die er nach wenigen Minuten in Berlin trifft natürlich auch gleich seine ganz große Liebe wird. Herr Schweiger pflegt auf solche Art Logikfragen und Erbsenzählerei gerne zu antworten, dass das Publikum, für das seine Filme gedacht sind, sich solche Gedanken nicht macht, das täten nur die humorlosen Kritiker. Womit er vermutlich recht hat, aber was soll man machen wenn man bei der Pressevorführung zwar aus Sicherheitsgründen mittlerweile stets seine Taschen und technischen Geräte an der Garderobe abgeben muss, das Hirn aber immer noch mit rein darf.

Doch bleiben wir sachlich und konstatieren, dass die beiden Hauptdarsteller Jacob Matschenz und Jytte-Merle Böhrnsen nicht unsympathisch sind und zumindest Tobias Moretti ein paar recht amüsante Szenen hat. Der aus einigen schrägen TV-Shows wie „neoParadise“ und "Circus Halligalli" sowie als gelegentlicher Sidekick von Harald Schmidt bekannte Klaas Heufer-Umlauf kann dagegen nicht nachdrücklich beweisen, dass er ein „richtiger“ Schauspieler ist. Die „Ich verletze mich selbst bei der Schamhaarfrisur“-Szene wäre aber auch für erfahrenere Kollegen eine eher undankbare Aufgabe gewesen. Aufgelockert durch solche Art Slapstick-Momente dauert es dann schließlich knapp 100 Minuten bis sich sämtliche eh nicht besonders dramatischen Konflikte in Luft aufgelöst haben, sowie Gross- und Kleinstadt harmonisch vereint sind. Das sollte doch zumindest für eine Million Kinobesucher reichen.  

Bilder: Copyright

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