Sprichwörter sind deshalb in aller Munde, weil sie einen wahren Kern haben und meistens Recht behalten. "Schuster, bleib bei deinem Leisten" etwa soll daran erinnern, nichts zu versuchen, wofür man nicht
"Hey, du siehst aus wie Mariah Carey!" Dice (Max Beeseley) hat einen lichten Moment. |
geschaffen ist. Unter berühmten Menschen gibt es allerdings eine gewisse
Tendenz dazu, diese Weisheit zu ignorieren. So fühlen sich TV-Stars
berufen, grässliche Songs einzuspielen, Top-Models verunreinigen Bücherregale
mit erbärmlichen Romanen, und Musiker halten sich auf einmal für begabte
Schauspieler. Dass dies in fast allen Fällen ein Irrglaube ist, beweist
ein weiteres Mal "Glitter", der indes nicht nur aufgrund der
vollkommenen Abwesenheit jeglichen Schauspieltalents seitens seiner
Hauptdarstellerin Mariah Carey maßlos enttäuscht, sondern vor allem
dank des schon widerlich arroganten Glaubens der Produzenten, der
berühmte Name auf dem Plakat würde jede Form von kreativer Anstrengung
für diesen Film überflüssig machen.
Niemand hat sich hier Mühe bei der Handlung gegeben. Der Aufstieg
der armen, aber mit einer grandiosen Stimme gesegneten Billie Frank
von der Disco-Tänzerin zur gefeierten Pop-Prinzessin ist so nahe am
tatsächlichen Werdegang Mariah Careys, dass es ohnehin schon schwer
genug fällt, so etwas wie eine
Da waren sie noch glücklich: Billie und Dice beim komponieren. |
Rolle zu erkennen, die hier gespielt wird (den Rest erledigt dann
besagte Talentlosigkeit). Was dem Zuschauer hier indes an billigsten
Klischees vorgesetzt wird, ist so vorhersehbar und abgegriffen, dass
man sich sehnlichst eine Dokumentation über die wahre Mariah Carey
herbei wünscht. Das wäre auf jeden Fall wesentlich interessanter.
Besagtes Sangeswunder Billie, gebeutelt durch eine schwere Kindheit,
nachdem die Fürsorge sie ihrer Mutter weggenommen hat, wird Mitte
der 80er von dem angesagten DJ und Teilzeit-Produzenten Dice entdeckt
und landet nicht nur rasend schnell an der Spitze der Charts, sondern
auch in Dice's Bett. Das Weitere kann man sich schon blind ausmalen:
Billie wird zum umjubelten Star, der in den Hintergrund gedrängte
Dice wird zusehends eifersüchtiger und ihre Liebe so auf eine harte
Probe gestellt. Heute schon gegähnt?
Niemand hat sich hier Mühe beim Schreiben gegeben. Die einzige Verteidigung,
die einem beim Betrachten von "Glitter" für seinen Star noch in den
Sinn kommt, ist, dass es angesichts eines solch primitiven Drehbuchs
ohnehin unmöglich war, irgendeine schauspielerische Leistung abzuliefern.
In der Tat ist jede Dialogzeile des Films von einer solch banalen
Funktionalität, dass so etwas wie Charaktertiefe und -entwicklung
vollkommen utopisch bleibt. Was auch immer jemand sagt, es hat den
einzigen Sinn, den Plot voranzutreiben. So bedarf es lediglich zwei
kurzer Szenen und etwa acht Dialogzeilen, um Billie vom Status eines
Disco-Geheimtips zum Major-Plattenvertrag zu bringen. Wer sich ein
aufschlussreiches Portrait über den Aufstieg eines Superstars versprochen
hat, ist eindeutig im falschen Film.
Niemand hat sich hier Mühe beim Setting gegeben. "Glitter" spielt
in den frühen 80er Jahren, auffällig ist dies indes nur, weil die
DJ's Kassetten statt CD's verwenden. Großteile der Sets sind in hippem
90er-
das doch nur das einzige Problem ... |
Design gehalten, die von Billie produzierten Songs passen ungefähr
so gut in ihre Zeit wie Austin Powers ins Jahr 2000. Und ganz offensichtlich
wollte niemand der stilbewußten Miss Carey eine halbwegs authentische
Garderobe zumuten. Tatsächlich ist "Glitter" in punkto Ausstattung
eine solche Katastrophe, dass man sich mehr als einmal fragt, warum
der Film überhaupt in dieser Periode angesiedelt wurde. Wahrscheinlich
hat sich niemand die Mühe gemacht, die entsprechende Zeile aus dem
Skript zu streichen, um so für alle Beteiligten die Sache noch ein
bisschen einfacher zu machen.
Niemand hat sich hier Mühe bei den Details gegeben. Dazu nur drei
Beispiele von vielen: Billie trifft bei einer Award-Show auf einen
anscheinend unglaublich tollen und erfolgreichen Sänger, der heftig
mit ihr flirtet und mit dem sie schließlich ein Duett aufnimmt. Niemand
hat es dabei für nötig befunden, dieser Figur einen vernünftigen Namen
zu geben.
Als die kleine Billie von ihrer Mutter getrennt wird, drückt sie eine
rothaarige Katze an sich. Gut fünfzehn Jahre später wiederholt sich
die Szene, als die nun erwachsene Billie nach einem Streit aus Dice's
Apartment verschwindet, im Arm eben jenes Methusalems unter den Katzen,
der wie aus dem Nichts wieder aufgetaucht ist.
Um überhaupt mit Billie arbeiten zu können, muss Dice sie zunächst
aus einem lausigen Vertrag mit einem zwielichtigen Produzenten freikaufen,
für den stolzen Preis von 100.000 Dollar. Ein zentraler Konflikt des
Carey beim einzigen, was sie wirklich kann: Singen. |
Films entsteht aus der Tatsache, dass Dice diese Schulden nicht begleicht,
wobei nicht nur der Berg Kohle ignoriert wird, den Billie's Plattenverkäufe
einbringen, sondern auch, dass besagter Produzent nicht der Typ Mensch
ist, der den Vertrag vor der Auszahlung auflösen würde.
Niemand hat sich hier Mühe bei der Musik gegeben. Nein, noch nicht
einmal das. Mariah Carey ist sicherlich eine der großartigsten Sängerinnen
aller Zeiten und ihre Platten verkaufen sich nicht grundlos wie warme
Semmeln. Die hier beigesteuerten Songs klingen jedoch wie belangloser
Einheitsbrei und lassen schmerzlich die Kraft und Energie vermissen,
die Careys Arbeit für gewöhnlich auszeichnet.
Niemand hat sich hier Mühe mit irgendwas gegeben. "Glitter" seine
Formelhaftigkeit vorzuwerfen ist schon fast eine Beleidigung für alle
anständig ideenlosen Filme, deren Machern einfach nichts besseres
eingefallen ist. Bei "Glitter" hat noch nicht einmal jemand nachgedacht.
Er ist die wohl endgültige kreative Bankrotterklärung des Star-Vehikels,
und die Garantie dafür, dass Mariah Carey's Filmkarriere beendet ist,
bevor sie überhaupt angefangen hat. Denn wenn das einzig Bemerkenswerte
an diesem Film das Debüt eines Popstars ist, bleibt nicht viel, mit
dem man weitermachen könnte. Oder glaubt irgendwer an die Wirksamkeit
einer Werbezeile wie "Die zweite Hauptrolle von Mariah Carey"? Bitte
Mariah, geh zurück ins Studio. Bitte!
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