Berlin im Jahre 2001. Ein alter Mann spaziert eher ratlos um sich
blickend durch die Stadt. Es ist Jochen Epstein (Mario Adorf), der
nach 15 Jahren aus dem Gefängnis entlassen wurde. Als er dann
gerade dabei ist den Hausstand seiner alten Wohnung aufzulösen,
steht plötzlich eine ältere Dame mit französischem
Akzent im Zimmer. Sie behauptet Ihr Name sei Hannah Liebermann und
Epstein habe nach ihr suchen lassen.
Rückblende
ins Jahr 1986: Die beiden jüdischen Brüder Adam und Karl
Rose schleppen gemeinsam mit ihrem langjährigen Freund Jochen
Epstein einen überdimensionalen Weihnachtsbaum in ihre Wohnung.
Die Roses haben zur Weihnachtsfeier eingeladen und werden dabei
tatkräftig von ihrer Haushaltshilfe Paula unterstützt,
die der verschüchterte Adam immer wieder als "Hannah"
anspricht. Jochen und Adam erklären sich schließlich
bereit Paulas Tochter zum Singen in der Gemeindekirche zu begleiten.
Doch während des Gottesdienstes erstarrt Epstein plötzlich
und verlässt dann fluchtartig die Kirche. Zuhause angekommen
erklärt er schließlich dem ungläubigen Karl was
er gesehen zu haben glaubt: Der Pfarrer der Berliner Gemeinde sei
der ehemalige SS-Hauptsturmführer Giesser, der die drei Freunde
vor Jahrzehnten grausam gequält hatte, sie an Hinrichtungen
teilnehmen ließ und auch für Adams anhaltende geistige
Verwirrung verantwortlich ist, denn dieser befindet sich seit dieser
Zeit auf der verzweifelten Suche nach seiner im Lager verschollenen
großen Jugendliebe Hannah. Am nächsten Morgen kommt es
dann schließlich zur Gegenüberstellung mit dem vermeintlichen
Kriegsverbrecher, doch der behauptet sein Name sei Groll und er
habe mit dem verhassten Giesser nichts zu tun.
Genau,
es kommt am MORGEN zur finalen Konfrontation, die das Leben aller
Beteiligten einschneidend verändern wird, aber "Epsteins
Morgen" hörte sich in den Ohren der Macher wohl nicht
so toll an. Und auch bei den für die Geschichte nicht ganz
unbedeutenden Jahreszahlen kommt es leider manchmal zu Widersprüchen,
denn mal war Epstein zehn Jahre hinter Gittern und dann wieder 15.
Das ist aber natürlich nicht das entscheidende Bewertungskriterium
für diesen Film. Diesen Anspruch erhebt nämlich die Umsetzung
der selbst gestellten Aufgabe, die großen Themen Schuld, Freundschaft
und Verantwortung im Kontext einer Aufarbeitung der Nazi-Zeit zu
behandeln. Und da liefert "Epsteins Nacht" ein zwiespältiges
Ergebnis.
Die Figur des Groll/Giesser bleibt einfach zu eindimensional um
mehr als das Abziehbild eines typischen Nazi-Schurken zu bieten.
Wobei dies keinesfalls an der Darstellung des großartigen
Günter Lamprecht liegt - aber wer ihm Klischeesätze wie
"Ich bin immer anständig geblieben" oder "Ich
hab das doch alles längst wieder gut gemacht" in den Mund
legt, unterbindet damit leider die ernsthafte Auseinandersetzung
mit diesem Charakter schon im Ansatz.
Die
Leistungen der hier versammelten Schauspielerriege sind aber in
der Tat eine der Stärken des Films. Der in viel zu vielen immer
gleichen Fernsehrollen mittlerweile arg verschlissene Mario Adorf
hat nämlich endlich mal wieder die Gelegenheit, eine wirklich
interessante Figur darzustellen. Einen Charakter voller Widersprüche,
Emotionen und Unsicherheit hinter einer rauen Fassade. Denn auch
Epsteins Vergangenheit und sein damaliges Verhalten im Lager bieten
durchaus Ansätze zur Kritik und seine Freunde erfahren Dinge,
die sie vielleicht nie wissen wollten. Aber auch hier eben nur "Ansätze"
einer ambivalenten Charakterzeichnung, denn viel zu schnell erfolgt
die Rechtfertigung und wird alles Fragwürdige wieder zur Seite
gewischt.
Während es also "Epsteins Nacht" nicht gelingt,
sein schwieriges Thema adäquat anzugehen, so bleibt doch eine
weitere positive Feststellung zu machen: Die über eine halbe
Stunde in Anspruch nehmende Konfrontation der Beteiligten in der
Kirche ist einfach ungemein spannend in Szene gesetzt, auch wenn
der Zuschauer aufgrund der Eröffnungssequenz ja schon ahnen
kann worauf das Ganze letztendlich hinauslaufen wird. Überraschend
spannend sogar, angesichts dessen was das Publikum wohl von einem
derartigen Film erwartet.
Wo dieser also auf einem Gebiet letztendlich doch eher scheitert,
überzeugt er auf anderem Terrain. Und dass der Verleih Constantin-Film
sich zudem entschloss, eine eigentlich typische Fernsehproduktion
wie "Epsteins Nacht" - trotz eher mäßiger Erfolgsaussichten
- auf die große Leinwand zu bringen ist dann ebenfalls noch
eine positive Erwähnung wert.
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