Encounter

Jahr
2021
Laufzeit
108 min
Genre
Release Date
Streaming
Bewertung
6
6/10
von Matthias Kastl / 8. Dezember 2021

Mut und Cleverness sollte man würdigen. Für eine gewisse Zeit ist „Encounter“ ein mutiger und cleverer Film, der sein Science-Fiction-Setting rund um die Bedrohung durch außerirdische Parasiten gekonnt als Ausgangspunkt dafür nutzt, um ein nicht gerade einfaches Thema anzugehen. Dafür gebührt den Filmemachern Respekt. Allerdings setzt sich der Film damit auch selbst eine hohe Messlatte, denn mit dem, was man hier nachher inhaltlich in den Fokus rückt, kommt auch eine gewisse Verantwortung. Genau dieser wird „Encounter“, trotz starker Darstellerleistungen, aber am Ende nicht gerecht. Denn im letzten Drittel leistet man sich einige sehr ärgerliche Fehltritte, die viel (aber nicht alles) von dem kaputtmachen, was man sich vorher so schön aufgebaut hat.

Alien-Invasionen hat man in Filmen ja bereits oft gesehen. Selten waren diese Eindringlinge aber so klein wie in „Encounter“. Hier wird die Menschheit von winzigen außerirdischen Parasiten bedroht, die durch Insekten auf Menschen übertragen werden und diese in den Wahnsinn treiben. Der Ex-Marine Malik Kahn (Riz Ahmed, „Sound of Metal“, „Venom“) macht sich dabei vor allem um seine beiden noch nicht befallenen Kinder Jay (Lucian-River Chauhan) und Bobby (Aditya Geddada) Sorgen, die seit der Trennung bei ihrer Mutter leben. Angesichts der dramatischen Situation entscheidet sich Malik die Kinder auf eigene Faust in Sicherheit zu bringen. Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, bei der schon bald nicht nur aus der Tierwelt tödliche Gefahren drohen.

 

Es ist schon ein ziemlich spannendes Szenario, das „Encounter“ hier zu Beginn entwirft. Jedes offene Fenster oder die kleinste Bewegung an der Decke signalisieren bereits Gefahr. Gekonnt spielt die Inszenierung von Regisseur Michael Pearce hier mit der Bedrohung durch einen tödlichen Gegner, der in jeder Mücke oder jedem Käfer lauern kann. Angesichts der potentiellen Omnipräsenz des Feindes fühlt sich auch das Publikum schon bald so paranoid wie die Hauptfigur.

Für ordentlich Spannung ist also gesorgt, doch man merkt schnell, dass das Herz des Films eigentlich an etwas anderem hängt. Es ist die Beziehung zwischen Malik und seinen Kindern, die im weiteren Verlauf immer stärker in den Vordergrund tritt. Wie es sich für ein ordentliches Road-Movie gehört, sind während der Flucht so manche zwischenmenschliche Höhen und Tiefen zu meistern – denn so ganz können die noch sehr jungen Kinder natürlich nicht nachvollziehen, warum ihr Vater sie nachts über die Staatsgrenze bringen möchte.

 

Dieser Mix aus wohldosiertem Thriller und feinfühligem Familiendrama funktioniert in der ersten Hälfte ziemlich gut. Das liegt nicht nur an der Inszenierung, die eine gute Mischung aus Spannungsaufbau und ruhigen Charaktermomenten findet. Auch die Darsteller liefern eine ordentliche Leistung ab. Allen voran Riz Ahmed, der mit der nötigen Intensität glaubwürdig einen Familienvater am Anschlag portraitiert. Aber auch die beiden Kinderdarsteller sorgen mit ihrer empathischen Spielweise dafür, dass wir deren Rollen nicht nervig finden, obwohl ihr Verhalten für manche Komplikation auf der Reise sorgt.

Schließlich wäre da auch noch die sehr einfühlsam spielende Octavia Spencer („The Help“, „Shape of Water“), über deren genaue Rolle wir hier aber nicht im Detail sprechen wollen. Denn nach einer Weile entscheidet der Film sich dafür, ein ganz spezielles Thema in den Vordergrund der Geschichte zu stellen. Auf einmal kommt die Bedrohung für die Familie auch noch aus einer anderen Richtung und man darf diesen Ansatz durchaus als mutig bezeichnen, denn die Wahl zum massentauglichen Publikumsliebling wird dieser Ansatz sicher nie gewinnen. Auf einmal wird der Film so auf ein völlig neues und faszinierendes Level gehoben. Wer sich auf einen leichtfüßigen Sci-Fi-Abend eingestellt hatte, dürfte nun ziemlich irritiert, Freunde gehaltvoller Kost dagegen nun erst so richtig angefixt sein.

 

Keine Frage, „Encounter“ gewinnt nun eine ganz neue Dynamik und Stärke. Aber eben auch eine ganz neue Verantwortung, denn jetzt benötigt man definitiv eine noch ernsthaftere und feinfühligere Herangehensweise. Und genau hier stellt sich der Film nun selbst ein Bein. Wohl aus der Sorge, das Publikum zu verlieren, wird auf einmal die Feinfühligkeit aus dem Fenster geworfen und Stück für Stück billige Thriller-Elemente eingebaut. Das fängt mit dem Auftauchen von ein paar schießfreudigen Waffennarren an und steigert sich bis zu einem großen Militäreinsatz, der angesichts der delikaten Situation völlig unpassend wirkt. Diese künstlich erzeugten Konflikte wirken einfach nur aufgesetzt. Auch die Inszenierung passt sich dem an und wirkt im zweiten Teil deutlich reißerischer, was angesichts der sensiblen neuen Richtung der Geschichte einfach die falsche Herangehensweise ist.

Richtig ärgerlich wird es aber dann am Ende, wenn man sich für eine sehr simple Auflösung des ganzen Geschehens entscheidet. Und das hinterlässt dann schon ein sehr frustrierendes Gefühl, da das alles im echten Leben nun mal nicht so leicht ist, wie der Film hier suggerieren möchte. So lässt einen „Encounter“ mit einem sehr zwiespältigen Gefühl zurück. Hier steckt so ein toller Film drin und irgendwie möchte man ihn eigentlich für seinen Mut belohnen und eine Empfehlung aussprechen. Doch angesichts der gravierenden Fehltritte im Schlussakkord muss man gleichzeitig warnend den Zeigefinger heben. Und man kann sich die berechtigte Frage stellen, ob man, wenn man nicht bereit ist etwas wirklich bis zum Ende konsequent durchzuziehen, es vielleicht doch besser gleich lassen sollte.

Bilder: Copyright

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