Mission geglückt. Mit "Casino Royale" vor zwei Jahren wollte man alles anders, und vor allem besser machen. Ein neuer, härterer, realistischerer James Bond in einem neuen, härteren und realistischen Umfeld. Selbst die größten Optimisten hätten wohl kaum vorhersagen können, wie erfolgreich "Casino Royale" und vor allem der neue (und im Vorfeld verlachte und gescholtene) Bond Daniel Craig dies umsetzten. Auch wenn einige ewig Gestrige nach den absurden und albernen Mätzchen der zunehmend belangloseren Reihe verlangten und erklärten, dies sei eben kein "richtiger" James Bond. Die dürfen dann auch weiterhin im Kämmerlein hocken und sich an ihrer Bond-DVD-Kollektion erfreuen, denn "Ein Quantum Trost" macht genau da weiter, wo "Casino Royale" aufgehört hat, sowohl im Wort- als auch im übertragenen Sinne. Und damit sind die Zeiten des Cocktail-Bond à la Roger Moore und Pierce Brosnan endgültig vorbei, ebenso wie die Bösewichter, die aus irgendwelchen Eispalästen oder Raumstationen die Welt unterjochen wollen. Dies wollen die Gegner Bonds zwar immer noch, aber wesentlich perfider und weitaus realistischer.
Und um eben jene Gegner geht es hier, denn eine von Bonds Hauptaufgaben in "Ein Quantum Trost" ist es, herauszufinden, wer die geheimnisvolle Organisation ist, für die Le Chiffre, sein Gegner in "Casino Royale" arbeitete. Und dafür wird flugs der im Schlussmoment des Vorgängers von Bond ins Bein geschossene Mr. White nach rasanter Verfolgungsjagd zum Verhör gebracht (der Film beginnt also tatsächlich wenige Minuten nach dem Ende von "Royale"), kann jedoch entkommen. Fortan jettet Bond in bester Tradition um die Welt (bei der die jeweilige Location mit sehr netten, dem Ambiente angepassten Schriftzügen vorgestellt wird) und versucht, der immer noch namenlosen Verbrecherorganisation, die Mitglieder in international höchsten Regierungskreisen hat, auf die Spur zu kommen. Dabei trifft er immer wieder auf Dominic Greene (Matthieu Almaric, "Schmetterling und Taucherglocke"), einen vorgeblichen Umweltschutzwohltäter mit durchaus nicht wohltätigen Plänen, sowie die mysteriöse Camille (Olga Kurylenko), die wie Bond von Rache getrieben scheint. Denn Bonds eigentliche Mission - die seinem Boss M (Judi Dench) partout nicht gefällt - ist natürlich Rache für den Verrat und die Ermordung seiner Geliebten Vesper Lynd aus "Casino Royale". Kann ein Bond, der zunehmend außer Kontrolle zu geraten scheint, Greene und sein Quantum-Projekt stoppen?
Worum es bei diesem Quantum-Projekt genau geht, soll natürlich nicht verraten werden, aber auch hier gilt: Man liegt am Puls der Zeit. Ressourcen statt Laserwaffen oder sonstiger Ungetüme der albernen alten Zeit werden hier gejagt, und dabei nicht unbedingt die, die man erwartet. Überhaupt spielt die geopolitische Situation eine wichtige Rolle und ihre moralische Ambiguität wird auch entsprechend verhandelt. "Wenn wir nicht auch mit Bösewichten verhandeln würden", sagt ein hoher Regierungsbeamter der empörten M, "dann hätten wir niemanden, mit dem wir Handel treiben könnten". Dementsprechend sind die Bösen dann hier Biedermänner in einflussreichen Positionen, nicht die flamboyanten Verbrecherkönige von anno dazumal.
Dazu passt auch der diesmalige Bösewicht Greene, der wie Le Chiffre im vorherigen Teil nur ein Mitarbeiter der ominösen Organisation ist. Mit dieser Organisation hat man sich sowieso in eine geschickte Position gebracht, denn bis Bond dieser auf den Grund gegangen ist, können noch einige Filme dazukommen und müssen wohl noch einige Bösewichter beseitigt werden. Die nahe Bindung zum Vorgänger verweist auch noch mal darauf, wie sehr man sich mittlerweile vom Klassenprimus in Sachen Agententhriller, der "Bourne"-Reihe inspirieren lässt. Auch dort war jeder Film ja nur ein Teil der Geschichte, auf den der nächste aufbaute, und die Konsequenzen aus einem Film waren auch in der Folge zu spüren. "Ein Quantum Trost" ist dementsprechend wie die Fortsetzungen von "Die Bourne Identität" als ein Teil der Serie zu begreifen, und auch wenn Neuankömmlinge per Dialog über das Notwendigste unterrichtet werden, so empfiehlt es sich doch unbedingt, "Casino Royale" vorher gesehen zu haben, um diesen Film komplett zu genießen. Zu der Geschlossenheit der Reihe gehört auch das Wiedersehen mit alten Bekannten aus "Royale", von denen wir dann wiederum nicht alle im nächsten Teil wiedersehen werden.
Der "Bourne"-Einfluss gilt aber nicht nur für die Struktur der Story, sondern - und hier wird's ein bisschen heikel - auch für die Umsetzung der Actionszenen. Die von vielen gefürchtete Wackelkamera wird beizeiten ebenfalls eingesetzt, wenn auch bei weitem nicht so viel wie bei den Bournes, und ganze Sequenzen (die Tunnelverfolgungsjagd ganz zu Anfang und der Faustkampf im Hotel in Haiti) sind eindeutig von Herrn Bourne und seinen Filmen inspiriert. Es gilt also: Wer die Bourne-Filme mochte, wird auch mit "Ein Quantum Trost" glücklich werden. Wem der dort gezeigte Realismus und die entsprechende Ästhetik zu viel war, dem dürfte Bonds neues Abenteuer nicht zusagen. Denn "Ein Quantum Trost" ist im Grunde noch radikaler als "Casino Royale", verweigert sich diesmal komplett der im dort noch geschickt eingeflochtenen Traditionen wie das Vorstellen als "Bond, James Bond." Einzig eine kurze, ausgesprochen nette Referenz an "Goldfinger", den vielleicht besten Film der Connery-Ära, gibt es, und das Geheimnis von Bonds Martini wird gelüftet.
Die im Realismus-Stil gefilmten Actionszenen wissen zu gefallen, sind nicht überlang und überzogen wie zu den schlechtesten Zeiten der Bond-Reihe, daher fehlt ihnen allerdings auch das "Aha"-Erlebnis der sonstigen Bond-Actionhighlights. Aber einige der schönsten Momente sind sowieso die ruhigeren Szenen inmitten der mannigfaltigen Verfolgungsjagden zu Lande, Wasser und Luft ("Ein Quantum Trost" bietet hier die volle Auswahl). Kurze Dialogszenen, in denen die Drehbuchautoren, unter ihnen Paul Haggis, geschickt Bonds Figur mit Emotionen unterfüttern, kurze politische Spitzen abgeben und es insgesamt nie langweilig werden lassen, wie ja leider doch in einem Großteil der Reihe geschehen. Vielleicht liegt es auch an der für Bondverhältnisse knackigen Laufzeit, dass es hier immer rasant und interessant zugeht.
Bleibt als großer Streitpunkt für Puristen natürlich wieder mal Daniel Craig und seine Darstellung des neuen Bond. Auch hier gilt: Wem seine ausgezeichnete Vorstellung in "Casino Royale" schon nicht gefiel, der wird auch hier nicht glücklich. Denn Craig treibt die in den Buchvorlagen Ian Flemings übrigens vorgesehene und vorgegebene Kaltblütigkeit Bonds auf die Spitze, ist ein knallharter, wortkarger Killer und nicht die witzelnde Karikatur der Moore- und Brosnan-Jahre. Nicht mal Oneliner gibt es mehr, Bond erledigt die Gegner, wischt sich noch das Blut ab und das war's.
Bisweilen ähnelt Craig hier, auch dank ähnlicher Storyzuspitzung, dem rachsüchtigen Timothy Dalton in "Lizenz zum Töten", und wenn einer von dieser Lizenz massiv Gebrauch macht, dann Craigs Bond. Das muss man natürlich erstmal akzeptieren, und für wen Bond gleichgesetzt wird mit charmanter Eleganz statt blutiger Effizienz wird das wohl schwierig, aber einen realistischeren, glaubwürdigeren Bond hat es noch nie gegeben. Dass Craig trotzdem einen der emotionalsten Bonds aller Zeiten geben darf, gerade weil die Emotionen hier wie alles andere echt wirken, ist da nur logisch, wird aber vielleicht zuwenig gewürdigt.
"Ein Quantum Trost" hat alles, was man sich nach "Casino Royale" von der Fortsetzung der Reihe versprochen hat. Action satt, ohne es arg zu übertreiben; eine Story, die konsequent weiterentwickelt wird und ein Bond, wie man ihn sich im 21. Jahrhundert vorstellt. Das kann und wird nicht allen gefallen, aber denen bleiben ja ihre DVDs der alten Filme. Als Quantum Trost sozusagen.
Neuen Kommentar hinzufügen