Es war einmal ein Geschäftsmann (Andre Dussolier), der hatte drei Söhne und drei Töchter und verlor sein beträchtliches Vermögen. Als er sich eines Abends in einem Schneesturm im Wald verirrte, kam er zu einem märchenhaften Schloss voller Köstlichkeiten und Reichtümer, die der Geschäftsmann mit sich nehmen durfte. Als er jedoch eine Rose für seine jüngste Tochter pflückte, verurteilte ihn der Schlossherr, ein mysteriöses Biest, zum Tode innerhalb eines Tages. Seine jüngste Tochter Belle (Léa Seydoux) jedoch ritt selbst zum Schloss und opferte sich an seiner Stelle. Das Biest, in dem ein verwunschener Prinz (Vincent Cassl) schlummerte, ließ sie leben, verdammte sie aber dazu, von nun an in seinem Schloss mit ihm zu leben...
Kleine Quizfrage: Was könnte sie dazu bewegen, einen neuen Kinofilm zu besuchen?:
a) Märchenadaptionen, die aussehen wollen, wie eine Mischung aus „Der Hobbit“, „Snow White and the Huntsman“ und einer kitschigen Parfümreklame.
b) CGI, CGI, CGI – bis der Rechner raucht!
c) hinzugedichtete steinerne Giganten – die sind immer ein guter Mehrwert! (siehe auch „Noah“)
d) niedliche verwunschene Helferleinhunde im Babyschema-Manga-Look
e) das ehemalige Soap- und Schlagersternchen Yvonne Catterfeld
oder
f) alle der obengenannten Dinge
Sollten sie auf die obige Frage mit „f“ geantwortet haben, dann haben wir eine gute Nachricht für Sie: Gratulation! Wir haben den perfekten Film für Sie! Die schlechte Nachricht: Sie sind vermutlich ein ziemlicher Freak.
Manche Filme haben ja ein Themen-, Tonalitäts- und damit dann alsbald ein Zielpublikumsproblem. Vor ein paar Wochen zeigten ja gerade die „Monuments Men“, wie man sich dabei verheddert, für alle möglichen Kinogänger alles auf einmal sein zu wollen. „Die Schöne und das Biest“ zäumt das verwunschene Reh von der anderen Seite auf: Wie machen wir einen Film mit möglichst vielen Elementen, die garantieren, dass sich kaum jemand als wirkliches Zielpublikum anbietet. Denn das ist schon alles ziemlich schizophren, was hier geboten wird: Mal knallbunt und quietschalbern, oft megakitschig, dann wieder düster und für Kinder wenig geeignet. „Die Schöne und das Biest“ kann oder will sich auch nicht recht entscheiden, wen es denn jetzt am Ehehsten ansprechen will – am Besten wohl alle – und spricht letztendlich dann keinen so recht an.
Der Trailer will diese Adaption jedenfalls als Fantasy-Blockbuster verkaufen, was zwar durchaus gelingt, aber dennoch ziemlich dreister Etikettenschwindel ist. Denn das muss man Christophe Gans' Film zumindest lassen: Ein Märchenfilm ist er geworden. Wenn auch ein bizarrer und letztendlich verkorkster. So richtig werksgetreu – was bei einem volkstümlichen Märchen ja sowieso schwierig ist – ist es dann doch nicht geworden, denn Gans und seine Co-Autorin Sandra Vo-Anh dichten der Geschichte noch eine unnütze Rahmenerzählung (mit unüberraschender „überraschender“ Auflösung), eine Räuberbande, eine Hellseherin, die schon erwähnten Steingiganten und eine relativ alberne (wenn auch märchengerechte) Hintergrundgeschichte dazu. All diese Elemente sind nicht nur sehr notdürftig miteinander verbunden, sie bringen die Hauptgeschichte selbst in ein Ungleichgewicht, das dem Film dann endgültig das Genick bricht: Soviele Elemente ringen hier um die stetig abnehmende Aufmerksamkeit des Zuschauers, dass ausgerechnet die zentrale Romanze hier nur ein Nebenschauplatz ist.
Und so springt Belle von einer groß deklarierten Abneigung gegen das Biest quasi direkt zu einer Liebeserklärung in dramatisch opportunem Moment, ohne dass ihre Wandlung irgendwie nachvollziehbar gemacht wird. Notiz an alle Beteiligten einer Märchenromanze: Damit das funktioniert, muss man eine Romanze auch zeigen, darstellen, illustrieren und nicht einfach behaupten.
Christophe Gans hat ja in seiner Karriere schon nachhaltig bewiesen, dass sein Interesse eher auf der visuellen Seite zu finden ist, denn auf der des stringenten oder filigranen Geschichtenerzählens, nachzusehen etwa in „Crying Freeman“, „Pakt der Wölfe“ und „Silent Hill“. Wohl auch deshalb hat er es sich hier nicht nehmen lassen mit einem für europäische Verhältnisse relativen Blockbusterbudget von 33 Millionen sich dieses klassische Märchen vorzunehmen. Und obwohl er sich mit Sandra Vo-Anh eine Co-Autorin an Bord geholt hat, hat diese Gans' Tendenzen zu inkongruenten Genremixturen und stumpfen Dialogen nicht eindämmen können, die schon den „Pakt der Wölfe“ plagte.
Obwohl das Budget ausreichend und das CGI annehmbar, wenn auch maßlos ist, begeht „Die Schöne und das Biest“ auch in der Umsetzung der kruden Geschichte Fehler. Die alte TV-Serie aus den 1980er Jahren mag heute ja quasi unansehbar sein, allein aufgrund der Produktion und visuellen Darbietung, aber zumindest eines hat diese Version richtig hinbekommen: Das Biest sah auch richtig biestig aus. Zugegeben, mit Ron Perlmans hässlicher Fratze zu arbeiten hat da vermutlich geholfen, aber trotzdem: Hier geht es darum, auch das Biest möglichst romantisch, edel und, naja, irgendwie niedlich erscheinen zu lassen, und anstatt einem animalischen Monster sieht man hier eine mit viel zu offensichtlichem CGI erstellte große Schmusekatze. Böse Zungen behaupten ja, dass Vincent Cassel in den Flashbacks das eigentliche Biest darstellt, aber das lassen wir mal unkommentiert. Und dann sind da noch die verwunschenen Jagdhunde des Prinzen, die hier offenbar für den Niedlickeitsfaktor sorgen sollen, den in der Disney-Zeichentrickversion das Hausgeschirr übernahm. Einzig: Dies ist ein weiterer „Häh?“-Faktor in einem Film voll davon. Und widerum nimmt der Film hier Abkürzungen, die schlichtweg schlechtes Filmemachen darstellen (oder aber auf ein Massaker im Schneideraum hinweisen), denn wenn Belle behauptet, dass diese Mutantenhunde ihre besten Freunde im Schloss des Biestes sind, wir aber nicht eine einzige Szene sehen, in denen sie mit den Kreaturen agiert, so ist das wie die zentrale Liebesgeschichte behauptet und nicht gezeigt und somit ein Fehlschlag.
Und während also die zentralen Elemente der Geschichte unter den Tisch fallen, sind die Ausschmückungen und Hinzudichtungen wenig erfolgreich. Die ganze Geschichte der Räuberbande, die von einem von Belles Brüdern Schulden eintreiben wollen und dann das Schloss plündern wollen, ist nur dazu da, den Action- bzw. Abenteuerquotient zu erhöhen. Gleiches gilt für die ehrlich gesagt absurden Steingiganten. Und da die Entstehungsgeschichte des Biests in mehr oder minder gut eingepflochtenen Flashbacks ausführlich (und ein wenig albern) beleuchtet wird, so saugt dies nur noch mehr Zeit und Aufmerksamkeit von der zentralen Geschichte ab, ohne erkennbaren Gegenwert. Aber hey, dafür bekommt man ja immerhin Yvonne Catterfeld!
Angesichts der als niedlich geplanten, aber eher bizarren Hundekreaturen, der ständigen Prinzessinenkostüme von Belle und dem edlen Schmusebiest schält sich hier vielleicht doch noch eine Zielgruppe heraus, nämlich die der weiblichen (Vor-)Teenager. Vielleicht hätte jemand Gans und Co. verklickern sollen, dass ohne Vampire oder Mädchen mit Flitzebogen da aber wohl nix zu holen ist. Mit dieser kruden Gurke jedenfalls auf keinen Fall.
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