Die Lincoln-Verschwörung

Originaltitel
The Conspirator
Land
Jahr
2010
Laufzeit
122 min
Release Date
Bewertung
7
7/10
von René Loch / 12. September 2011

Über zu wenig Aufmerksamkeit seitens der Filmindustrie darf sich Abraham Lincoln – so er es denn noch könnte – derzeit nicht beschweren. Im 15. Jahrzehnt nach seiner Ermordung werden dem vielleicht bedeutendsten Präsidenten in der Geschichte der Vereinigten Staaten gleich drei höchst unterschiedliche Werke gewidmet. Timur Bekmambetov möchte mit „Abraham Lincoln: Vampire Hunter“ (Start: August 2012) eine bislang unbekannte James McAvoyFacette des Sklavenbefreiers offenbaren, Steven Spielbergs prädestinierter Oscar-Erfolg mit Daniel Day-Lewis als 16. Präsidenten der USA wird wohl das nächste Großprojekt des Meisterregisseurs – und dann wäre da noch „Die Lincoln-Verschwörung“. In deren englischem Originaltitel aus gutem Grund das Wort „Lincoln“ fehlt, denn um diesen geht es in Robert Redfords Historien-Drama mit politischem Gegenwartsbezug nur am Rande.

Es ist das Jahr 1865. Der amerikanische Sezessionskrieg ist vorüber, die Nordstaaten unter Präsident Abraham Lincoln haben gesiegt. Jener fällt jedoch wenige Tage nach der Kapitulation des Südens einem Attentat zum Opfer und stirbt. Kriegsminister Stanton (Kevin Kline) sieht einen schnellen Militär-Prozess gegen die Verschwörer als Heilmittel für das vergiftete politische Klima im Land. Erstmals droht dabei auch einer Frau das Todesurteil in den Vereinigten Staaten: Mary Surratt (Robin Wright) soll die Attentäter bei sich beherbergt und sich an der Verschwörung gegen die amerikanische Regierung beteiligt haben. Ausgerechnet der junge, komplett unerfahrene Anwalt Frederick Aiken (James McAvoy), eben noch Kriegsheld für die Nordstaaten, übernimmt ihre Verteidigung. Aiken glaubt dabei ebenso wenig wie die Staatsanwaltschaft an die Unschuld von Surratt. Doch als der erste Zeuge der Anklage unter Eid offensichtlich falsch aussagt, wird Aiken klar, dass der Prozess nicht fair, sondern nur möglichst schnell über die Bühne gehen soll. Und die Chancen, das Todesurteil noch abzuwenden, stehen zunehmend schlechter.

Die Angeklagten vor GerichtVier Jahre sind vergangen, seit Robert Redford sich selbst, Tom Cruise, Meryl Streep, Andrew Garfield und Michael Peña in eine dialoglastige Auseinandersetzung über die Irrungen und Wirrungen der damaligen US-Außenpolitik geschickt hat. Diese wurde von einem auch auf handfeste Action setzenden Afghanistan-Part begleitet, der nicht so recht zum Rest des Films passen wollte. Spätestens „Die Lincoln-Verschwörung“ verschafft nun Gewissheit, dass Redford die leisen Töne besser beherrscht.
Ohne dass der Zuschauer in irgendeiner Form schon emotional in die Handlung involviert wäre, startet Mr. Pferdeflüsterer nach dem Attentat auf Lincoln einen melodramatischen Frontalangriff, der die Tragweite des Geschehens aber eher ins Lächerliche zieht. Denn die passenden Bilder zur Weltuntergangs-Musik findet Redford nicht. Im Anschluss an diesen dramaturgisch holprigen Start kommt Redford jedoch glücklicherweise schnell in die Spur und inszeniert ein unaufgeregtes historisches Drama, das als Kammerspiel im Gerichtssaal immer am Besten funktioniert.

Robin Wright als Mary SurrattDenn dort wird der Fehler im System überdeutlich. Die Unschuldsvermutung, die in den USA ja sowieso eine andere Bedeutung hat als in Deutschland, ist quasi außer Kraft gesetzt: Mary Surratt steht für nahezu alle Beteiligten als Schuldige fest. Ihr Verteidiger erfährt zunehmend gesellschaftliche Ächtung und stößt auf das Unverständnis von Frau und Freunden. Sollte doch mal ein Indiz für die Unschuld von Surratt sprechen, taucht schon bald ein neuer Zeuge auf, der die „Wahrheit“ ins rechte Licht rückt. Für Frederick Aiken ist es ein Kampf gegen Windmühlen. Genau diese klassische, zum Schreien ungerechte „Einer gegen alle“-Situation verleiht der „Lincoln-Verschwörung“ ihren Reiz. Zudem steht die Frage im Raum, ob Surratt nicht doch vom Attentat gewusst, es vielleicht sogar mit vorbereitet haben könnte. Immer neue Wendungen werfen stets ein anderes Licht auf den Fall und die tatsächliche Rolle von Surratt droht im Verborgenen zu bleiben. Auch ihr Sohn, der womöglich in das Attentat verwickelt war und den sie eventuell zu schützen versucht, scheint eine größere Rolle zu spielen.

Für den erstklassigen Cast, den Redford hier versammelt hat, ist solch ein Stoff natürlich hervorragendes MacAvoy und WilkinsonAusgangsmaterial. Die undurchsichtige Robin Wright, der engagierte, verzweifelnde James McAvoy oder der abgebrühte Kevin Kline sind hier ebenso passend besetzt wie beispielsweise Evan Rachel Wood in einer relativ kleinen, aber zentralen Rolle als Surratts Tochter. Mehr Leinwandzeit hätte man Tom Wilkinson als Anwalt Reverdy Johnson, der den Fall aufgrund seiner „Befangenheit“ als Südstaatler zu Beginn an Aiken abgibt, gewünscht. Allein sein erster Auftritt vor Gericht ist großes Kino.
Und schließlich wären da zehn Jahre nach 9/11 noch die unübersehbaren Parallelen des Gerichtsprozesses zur US-Außenpolitik seit dieser Tragödie. Die „Zweck heiligt Mittel“-Politik, inklusive Folter, Guantánamo und Zivilisten vor Militärtribunalen, findet sich auch in „Die Lincoln-Verschwörung“ wieder. Einige Dialogzeilen meint man so oder so ähnlich auch aus dem Munde von Bush, Rumsfeld & Co. gehört zu haben. Der linksliberale Redford legt bei seiner Kritik am moralischen Niedergang der USA nach 9/11 keinen Wert auf Subtiles und flechtet diese immer wieder in seine eigentliche Handlung mit ein.

„Die Lincoln-Verschwörung“ entwickelt sich nach der missratenen ersten Viertelstunde zu einem spannenden Spiel um Wahrheit und Lüge und allem, was irgendwo dazwischen liegt. Dabei geht es immer auch um die spannende Frage, wie weit ein Staat gehen darf, um seine innere Stabilität aufrecht zu erhalten. Und mal wieder um die Erkenntnis, dass es am Ende nur Verlierer geben kann.

Bilder: Copyright

9
9/10

Ein hervorragender, durchgehend spannender Film mit ausgezeichneten, da kurzen und verständlichen Aussagen zu Recht und Staat, welche in jedes entsprechende Lehrbuch Eingang finden sollten.
Tolle Schauspieler, Ausstattung und Musik machen diesen Werbefilm für die Gerechtigkeit komplett.
Ich wünsche ihm viele Zuschauer (in der von mir besuchten Vorstellung um kurz vor 23 Uhr im größten und auch zu dieser Uhrzeit gut besuchten Kino Nürnbergs war leider nur ein weiterer anwesend).
Spitze!

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