
Die Idee ist genial: Man nehme einige der bekanntesten Figuren der phantastischen Literatur des späten 19. Jahrhunderts. Dann führt man diese zu einem "Team" zusammen und lässt sie gemeinsam phantastische Abenteuer erleben. Die Rechte an diesen Charakteren sind aufgrund ihres Alters mittlerweile nicht mehr geschützt, also kann man damit auch machen was man gerne möchte. Diesen Geistesblitz hatte allerdings mal wieder keiner der Ideenentwickler aus Hollywood sondern der verschrobene britische Comicautor Alan Moore. Der revolutioniert ansonsten fast im Jahresabstand sein Genre neu, und dessen Vorliebe für Themen der englischen Geschichte inspirierte schon bei "From Hell" die Filmemacher auf der anderen Seite des Atlantiks. Doch während von Moores komplexer Jack the Ripper-Saga bei der Transformation auf die Leinwand nur noch winzigste Fragmente übrig blieben, bleibt der "Liga" dieses Schicksal größtenteils erspart. Was man aufgrund der zuerst ins Auge fallenden offensichtlichen Änderungen gar nicht gedacht hätte.
Denn präsentiert wird uns hier eine Truppe echter "Superhelden" in einer Zeit, in der es dieses Wort nur eben noch gar nicht gab. Mit Fähigkeiten, die sie in der Vorlage auch noch gar nicht hatten: Die fliegende Vampirin Mina Harker (aus dem ursprünglichen "Dracula"-Roman), der unsichtbare Rodney Skinner, der schüchterne Dr. Jekyll, der sich aber in den superstarken Mr. Hyde verwandeln kann, der mit einer phantastischen technischen Ausrüstung agierende Captain Nemo (Held von Jules Vernes' "20.000 Meilen unter den Meeren") und der unsterbliche Dorian Gray (eine Romanfigur Oscar Wildes, bekannt durch den Besitz eines Selbstporträts, das anstelle von Grays Körper alle Zeichen von Alterung, Verletzung und Verwahrlosung zeigt). Über diesen thront als väterliche Figur der legendäre Abenteurer Allan Quatermain und der erhält dann noch den amerikanischen Agenten Tom Sawyer (der in den Geschichten von Mark Twain natürlich nie Agent war) als Ersatzsohn zugeteilt. Diese Sieben werden vom britischen Geheimdienst zusammengetrommelt um das gefährliche "Fantom" zu fassen, einen
Schurken der den gesamten Weltfrieden bedroht. So ist jedenfalls zunächst einmal die Ausgangslage, doch schnell stellt sich heraus, dass das Unternehmen eigentlich einem ganz anderen Zweck dient und dass die gefährlichsten Feinde der Liga womöglich in ihren eigenen Reihen lauern.
Nein, ganz so simpel wie es anfangs scheint ist das erste gemeinsame Abenteuer der klassischen Helden gar nicht mal konstruiert. Das eher farblose und uninteressante "Fantom" ist glücklicherweise nur ein Ablenkungsmanöver für die Intentionen des wahren Bösewichts. Dessen Plan erweist sich als durchaus logisch und clever und verleiht auch gleichzeitig den beiden erst für die Verfilmung hinzugefügten Figuren Dorian Gray und Tom Sawyer ihre Daseinberechtigung. Wobei insbesondere der "Vater-Sohn-Konflikt" zwischen Quatermain und Sawyer dem Film eine wohltuende emotionale Note verleiht. Und wo wir gerade bei den erfreulichen Dingen sind: Setdesign, Ausstattung und Kostüme überzeugen und ergo ist auch die Atmosphäre stimmig. Die Spezialeffekte sind zwar nicht gerade atemberaubend, aber allemal okay. Über den computeranimierten Mr. Hyde darf man allerdings streiten. Der bewegt sich ungefähr auf "Hulk"-Niveau, aber da er ja auch die ursprüngliche Inspirationsquelle für den "grünen Giganten" darstellte, passt das dann auch wieder. Und der Freund der Comicvorlage freut sich dann noch über ein paar eingestreute Sätze mit Wiedererkennungswert in Richtung James Bond, Edgar Allan Poe oder Sherlock Holmes.
Und warum prügeln dann nahezu alle Kritiker in den USA seit Monaten auf diesen Film ein als sei er das Schlimmste was Hollywood seit ungefähr "Speed 2" inszeniert hat? Antwort: Weil sie keinen Spaß verstehen und sich über kleine Logikfehler aufregen. Ja, ein superschnelles Auto, über das sich noch nicht mal jemand wundert, in dieser Epoche ist Unsinn. Und sicher ist es richtig, dass dieser Wagen dann durch Straßen brettert, die es ja in der Lagunenstadt Venedig gar nicht gibt. Abgesehen davon, dass Nemos riesige Nautilus sowieso gar nicht erst durch die Kanäle von Venedig hätte navigieren können. Aber wer sich darüber allen Ernstes aufregt sollte sich einen Film mit Unsichtbaren, Vampiren und Monstern vielleicht lieber gar nicht erst ansehen. Und dann auch gefälligst nicht die "poetischen Baumflieger" in "Tiger and Dragon" loben. Das musste mal gesagt werden, denn - wie weiter oben schon erwähnt - die eigentliche Storyline des Films macht durchaus Sinn und ist der gemeinen Standardware artverwandter Streifen sogar leicht überlegen. Das gilt übrigens auch für das Finale, in dem man es hier wagt einen kleinen Antiklimax zu setzen der alle, die den Oberbösewicht gerne mit einem spektakulären Knalleffekt verabschiedet sehen, ebenfalls leicht verstören dürfte.
Daher bleibt als ernsthafter Kritikpunkt eigentlich nur, dass die "Liga der außergewöhnlichen Gentlemen" bei aller Coolness und aller Action zum Trotz doch insgesamt etwas "blutleer" wirkt - wobei man die Schuld dafür aber nicht dem Durst der Misses Harker geben darf sondern eher dem manchmal nicht allzu inspirierten Spiel der Darstellerriege. Insbesondere die Starpower, die der Film sich durch den Namen "Sean Connery" erkauft hat, wird durch den manchmal etwas gequälten Gesichtsausdruck des großen alten Mimen ausgewogen, der sich durchaus anmerken lässt, dass er das Ganze hier wohl doch eher etwas albern findet. Und warum Mister Connery für eine eventuelle Fortsetzung gar nicht erst zur Verfügung stehen würde, erklärt sich dann auch aus der laufenden Handlung. Wobei diese Fortsetzung wohl auch eher unwahrscheinlich ist, denn einen allzu großen Eindruck hat die "Liga" ja an den amerikanischen Kinokassen nicht hinterlassen (die Meinung der Kritiker ist für so eine Entscheidung ja dann eher von sekundärer Bedeutung). Das ist schade, denn der Film macht schließlich Spaß und nach einer fast naturgemäß etwas behäbigeren Einführungsgeschichte hätte man ja in Teil zwei dann auch mal richtig durchstarten können. Denn die Idee, die ist ja sowieso genial.
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