
Ein 3D-Fantasy-Animationsfilm erscheint auf den ersten Blick durchaus wie der nächste logische Schritt in der Karriere von Regisseur Zack Snyder, hat der doch mit seinen bisherigen Werken "Dawn of the Dead", "300" und "Watchmen" nachdrücklich ein enormes Talent für Bildästhetik bewiesen in Filmen, die sich wenig um die Abbildung einer "realistischen" Welt scherten, sondern sich viel mehr genussvoll an ihren überzeichneten, fantastischen Elementen ergötzten.
Was Zack Snyders Filme bisher aber auch auszeichnete, war eine unverkennbare Vorliebe für (wenn auch ästhetisierte) Darstellungen extremer Gewalt. In dieser Hinsicht erscheint die Vorstellung, dass dieser Zack Snyder nun einen per se auch für ein Kinderpublikum ausgerichteten Animationsfilm macht, doch etwas befremdlich. Das Resultat ist dann auch genau so, wie man es erwarten durfte: Visuell absolut berauschend, für Kinder doch eher ungeeignet. Und erzählerisch leider sehr schwach. Dafür kann Zack Snyder allerdings nichts.
"Die Legende der Wächter" basiert auf einer Kinderbuchreihe der Autorin Kathryn Lasky und erzählt die Geschichte der jungen Eule Soren. Der schwärmt für die Gute-Nacht-Geschichten, die ihm sein Vater von den legendären "Wächtern von Ga'Hoole" erzählt, eine Gruppe von Eulen, die einst einmal einen mythischen Kampf gegen die dunklen Mächte im Eulen-Reich ausgefochten und gewonnen haben. Sorens Bruder Kludd verlacht diese Erzählungen als Märchen, was nicht der einzige Punkt ist, über den die Brüder gern mal in Streit geraten. Übermütig wie sie sind, fallen die beiden bei ihren ersten Flugversuchen prompt aus dem Baum mit dem elterlichen Nest und werden, hilflos am Erdboden "gefangen", von einer mysteriösen Eulentruppe eingesammelt, die sie in ein vermeintliches "Waisenhaus" für elternlose Eulen bringen. Wie sich bald herausstellt, handelt es sich hierbei tatsächlich um die zentrale Rekrutierungsstelle der "Reinsten", die quasi-faschistische "dunkle Macht" im Eulen-Reich. Die "Reinsten" machen die verschleppten jungen Eulen entweder zu willfährigen Mitläufern ihrer Bewegung, oder - falls das Jungvolk sich aufmüpfig weigert - zu gehirngewaschenen Arbeitssklaven. Während Kludd der Faszination der "Reinsten" schnell erliegt, erkennt Soren, dass er nur eine Chance hat, die Eulen-Welt vor dieser bösen Macht zu retten: Er muss die legendären Wächter finden und benachrichtigen, damit sie noch einmal in den Kampf gegen die "Reinsten" und deren Anführer Metallschnabel ziehen.
Ob es die Wächter tatsächlich gibt oder sie nur eine Legende sind, diese Spannung hält der Film nicht lange, denn er hat keine Zeit, um sich mit irgendwas lange aufzuhalten. Oder besser gesagt: Er nimmt sich die Zeit nicht. Was das zentrale Problem von "Die Legende der Wächter" ist, denn dieser Film rast mit einem dermaßen hohen Tempo durch seine Handlung, dass leider jeglicher Atmosphären-, Spannungs- oder Charakteraufbau dabei auf der Strecke bleibt. Und damit auch eine einnehmend erzählte Geschichte mit emotionaler Resonanz. Beispiel: Am Anfang wird viel bedeutsames Aufhebens darum gemacht, dass Soren noch nicht fliegen kann. Kaum bei den "Reinsten" angekommen, findet er dann eine Eule, die sich bereiterklärt, ihm das Fliegen beizubringen. Schnitt zu einer parallel stattfindenden Szene mit Kludd. Schnitt zurück zu Soren, und siehe da - er kann fliegen. Was die Übungsarbeit von Tagen und Wochen sein müsste, lässt der Film erscheinen wie in fünf Minuten erledigt. Und so schnell wird hier leider so ziemlich alles abgehakt.
Zugegeben, der Film hat auch eine Menge an Handlung zu bewerkstelligen, immerhin werden hier gleich die ersten drei Bände von Laskys Buch-Reihe in einen Film gestopft, doch wenn man sich schon soviel vor nimmt, sollte man sich auch die nötige Zeit dafür lassen. "Die Legende der Wächter" ist für das, was er erzählen will, mindestens 20 bis 30 Minuten zu kurz. Klar, bei einem Animationsfilm kostet jede zusätzliche Minute die Produktionsfirma bares Geld, und die 3D macht die Sache auch nicht billiger. Doch hier hat man im Bemühen, den Film unbedingt auf 90 Minuten zu halten, die Wirksamkeit seiner Erzählung leider kaputt gespart.
Man hätte sich vielleicht den einen oder anderen berühmten Synchronsprecher sparen können, um deren Gage in mehr Film zu investieren. Tatsächlich weist "Die Legende der Wächter" in der Originalversion eine beachtliche Palette veritabler Charakter-Darsteller in seinen Sprecher-Reihen auf. Es ist zu vermuten, dass die Produzenten mit diesen starken Stimmen versucht haben, eine inhärente Schwäche ihres Projekts auszugleichen: Die mangelnde Ausdruckskraft ihrer Protagonisten.
Dem Gesicht einer Eule mangelt es an jeglichen Konturen, der Schnabel ist klein und flach und ihr Körper mit angelegten Flügeln ein einförmiger, bauchiger Klumpen. Kurz gesagt: Abgesehen von der Fellfarbe gibt es kaum etwas, was eine Eule von der anderen unterscheiden kann. Was entsprechend auch für Eulen als Filmfiguren gilt, die also mit dem Problem zu kämpfen haben, dass man ihnen - trotz ein wenig Schummelei, wie der Addition von Mundwinkeln - nur sehr wenig Körpersprache, Mimik und Gestik als Ausdrucksmittel geben kann. Die entsprechende Skepsis, die schon beim Trailer von "Die Legende der Wächter" aufkam, wird vom Film nur bestätigt: Die verschiedenen Charaktere können sich kaum von einander absetzen (die gewöhnungsbedürftigen Fantasy-Namen sind da keine große Hilfe), ihr "Spiel" bleibt zu flach, um das Publikum wirklich einzunehmen. Ein schwerwiegendes Handicap, das der Film leider nie überwinden kann. Dass er aufgrund seiner viel zu hastigen Erzählung dazu auch noch eine kaum zu überschauende Menge an Figuren in sehr kurzer Zeit einführt, macht die Sache nicht besser.
Für all das kann Zack Snyder nichts, viel dagegen tun konnte er leider auch nicht. Was Snyder hingegen sehr wohl konnte, war der "Legende der Wächter" eine optische Wucht zu verpassen, die alle eklatanten erzählerischen Schwächen des Films zeitweise mehr als aufwiegt. Snyder versteht es nicht nur, die visuellen Freiheiten des Animationsgenres - das eben nicht wie Realfilme an die tatsächliche physische Realisierbarkeit bestimmter Kamera-Setups und -bewegungen gebunden ist - zu nutzen, er badet geradezu mit sichtlicher Wonne darin. Und dasselbe gilt für die 3D-Technologie. Im Gegensatz zu so vielen Filmen der aktuellen 3D-Welle, bei denen die Tiefeneffekte nur im Nachhinein draufgeklatscht wirken (und es zumeist auch sind) sieht man der "Legende der Wächter" an, dass sich der Regisseur seinen Film wirklich in drei Dimensionen ausgemalt und ihn auch so umgesetzt hat. Hier regnet es nur so Kameraperspektiven und -bewegungen, die wundervolle 3D-Effekte erzeugen, und so sehr daraufhin konzipiert sind, dass der Film in 2D stellenweise fast etwas merkwürdig aussehen dürfte. Abgesehen von James Cameron hat noch kein Regisseur ein derart brillantes Händchen im Umgang mit den Möglichkeiten von 3D bewiesen.
Dieser Lobeshymne auf Mr. Snyder muss man aber auch eine gewisse Kritik hinsichtlich eines anderen Aspekts folgen lassen. Denn das vornehmliche Zielpublikum seines Films - nämlich Kinder bis zu 12 Jahren, für die auch die Buchvorlage konzipiert war - hat Snyder nie wirklich im Auge. Um es deutlich zu sagen: "Die Legende der Wächter" ist kein Film für Kinder. Die Geschichte dreht sich mehr oder minder metaphorisch um Motive wie Versklavung, Kindersoldaten und Faschismus, und der Film ist über weite Passagen so düster inszeniert, wie diese Palette es vermuten lässt, und zudem so brutal, wie es für einen Film möglich ist, dessen Hauptfiguren Eulen sind und in dem kein Blut spritzt.
Selbst mit diesen Verharmlosungen erkennt man hier immer noch überdeutlich die Handschrift des Regisseurs von "300" und seine Vorliebe für die hochgradig stilisierte Inszenierung martialischer Kämpfe. "Die Legende der Wächter" bewegt sich stimmungsmäßig in derart dunklen Gefilden, dass der Gute-Laune-Song zum Film beinahe wie ein atmosphärischer Fremdkörper wirkt, als er zur Mitte des Films eine Montagesequenz untermalt. Diese nette kleine Mitsing-Nummer ändert indes nix daran, dass Eltern sich nicht wundern sollten, falls ihr Nachwuchs den Film eher etwas verstört als begeistert verlässt.
So erweist sich "Die Legende der Wächter" als ein sehr zwiespältiger Film, der zwar einerseits eines der bombastischsten visuellen Erlebnisse dieses Kinojahres anbietet, andererseits jedoch eine mehr als dürftig ausgeführte Erzählung präsentiert, die für ihr junges Publikum zu hart und für ein älteres Publikum wiederum viel zu plump und gehetzt ist. So kann man diesen Film letztlich leider nur als gescheitert betrachten - wenn auch in spektakulären 3D-Bildern gescheitert.
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