Das Schweigen der Lämmer

Originaltitel
The Silence of the Lambs
Land
Jahr
1991
Laufzeit
118 min
Genre
Bewertung
von Frank-Michael Helmke / 20. Juni 2010
Er ist der ultimative Gentleman-Killer, eine einmalige Mischung aus intellektuellem Feingeist und mörderischer Bestie. Er ist - ganz offiziell - der faszinierendste und beste Bösewicht der Filmgeschichte (laut einer Abstimmung des American Film Institute). Er ist Dr. Hannibal Lecter, und das hier ist genau genommen eigentlich gar nicht sein Film. Er wurde es natürlich: Die berechtigterweise legendäre Vorstellung von Anthony Hopkins in der Rolle dieses krankhaft verführerischen Genies verfeinerte eine ohnehin schon brillante Charakterzeichnung durch Thomas Harris, den Autor der Romanvorlage, zu einer perfekten Ikone des Schreckens. Das Gesicht Lecters in seiner speziellen Maulkorb-Maske ist sicher eines der berühmtesten Kinobilder der 90er - Lecters Stellung im kollektiven Erinnerungsbewusstsein des Kinopublikums ist auf einer Stufe mit solch unvergesslichen Namen wie Darth Vader oder Norman Bates.
Lecter wurde zum Star dieser Show, und seine enorme Popularität war auch der eigentliche Beweggrund für die Fortsetzung "Hannibal" und die nochmalige Verfilmung des Vorgängers "Roter Drache". Aber dennoch ist "Das Schweigen der Lämmer" nicht seine Geschichte, sondern die einer eingeschüchterten Nachwuchsagentin namens Clarice Starling. Lecter ist im Prinzip "nur" das Sahnebonbon, das unerhoffte aber umso köstlichere Extra in einem Film, der oberflächlich im Alleingang das Serienkiller-Subgenre neu erfand, darunter allerdings die Geschichte einer schrittweisen Emanzipierung erzählte.

Dass es dem Film 1992 gelang, den Oscar in allen fünf Hauptkategorien zu gewinnen (Film, Regie, Drehbuch und für beide Hauptdarsteller) war eine einmalige Leistung angesichts der Tatsache, dass der Kinostart des Films zum Zeitpunkt der Verleihung schon fast ein ganzes Jahr zurück lag. Diese Langzeitwirkung und enorme Anerkennung wurde dem Film indes nicht nur aufgrund seiner unbestreitbaren und beeindruckenden Stärken als nervenzerreißender Thriller zu Teil - Genreware dieser Art gewinnt für gewöhnlich keine Oscars. Tatsächlich ist "Das Schweigen der Lämmer" ein geradezu feministischer Emanzipationsfilm in der geschickten Tarnung eines Horror-Reißers: Es geht hier weder um Lecter noch um den perversen Serienkiller Buffalo Bill, sondern um Clarice Starling, die die Hilfe des einen benötigt, um dem anderen auf die Schliche zu kommen.
Auf den ersten Blick scheint Starling nicht viel mehr als das Äquivalent einer klassischen Detektivfigur zu sein, doch die Feinheiten liegen im Detail: Natürlich ist es für den hervorragend ausgearbeiteten Spannungsbogen von Bedeutung, zu welchen Ergebnissen Starlings Ermittlungen führen, doch der Kern des Films versteckt sich in der Art und Weise, wie diese Ermittlungen ablaufen. Starling ist, eine oft vergessene Tatsache, FBI-Agentin im Training - also noch gar nicht richtig anerkannt in der Welt der Gesetzeshüter und Ermittler. Sie ist ein kleiner Fisch ohne Macht oder Einfluss in einer fast ausschließlich von Männern dominierten Welt - und ihr Kampf gegen diese Dominanz ist das unterschwellige Hauptthema von "Das Schweigen der Lämmer".
Regisseur Jonathan Demme findet ebenso einfache wie kongeniale Lösungen, um diesen Kampf zu verdeutlichen: Von Anfang an wird jede Szene so inszeniert, dass Starling grundsätzlich kleiner erscheint als alle sichtbaren Männer - selbst die im entfernten Hintergrund. In den extensiv verwendeten Nahaufnahmen in Dialogszenen lässt Demme seine männlichen Figuren direkt in die Kamera sprechen, Clarice hingegen weicht dem Blick des Zuschauers aus und spricht daran vorbei. In ihren Unterhaltungen mit Lecter sitzt sie grundsätzlich, während er die meiste Zeit steht. Zu jeder Gelegenheit inszeniert Demme seine Hauptperson in einer unterwürfigen Position und verdeutlicht so Starlings Schwierigkeiten, ernst genommen zu werden und ihren Job gut machen zu können - ihre Weiblichkeit ist ein Fremdkörper in einer männlich-dominierten Welt. Signifikant in dieser Hinsicht auch ihre erste Begegnung mit dem Direktor des Sicherheitsgefängnisses, in dem Lecter einsitzt: Dieser verliert keine Zeit, Starling hemmungslos anzubaggern, und nimmt sie nicht eine Sekunde in ihrer Funktion als Agentin ernst.

So erscheint Starling über weite Strecken des Films als ein reiner Spielball der Männer in ihrem Umfeld - selbst ihre ursprüngliche Ansetzung auf Lecter erweist sich später als manipulativer Trick ihres Vorgesetzten. Diese Passivität ist es, die den Part von Clarice Starling zu einer derart komplexen schauspielerischen Herausforderung machte, deren Meisterung durch Jodie Foster in der Tat eine fabulöse Ausnahmeleistung ist, die im offensichtlichen Glanz von Anthony Hopkins als Lecter zumeist im Schatten stehen bleibt. Es ist keine dankbare Rolle: Lecter kriegt alle guten Dialogzeilen und kann seine Show abziehen, während Starling stets reserviert bleiben muss, eine kalte Miene zu halten versucht um zu verdecken, dass sie innerlich permanent vor dem emotionalen Zusammenbruch steht. Dass sie diese Gratwanderung Starlings, den ewigen Kampf mit der eigenen Beherrschung, so hervorragend transportieren konnte, ohne zu großen Gesten greifen zu müssen und so das Graue-Maus-Image ihrer Figur zu brechen, das ist das wahre Genie in der Vorstellung Jodie Fosters, die hinsichtlich der Darstellung derart komplexer Gefühlssituationen in der Tat die vielleicht herausragende Darstellerin ihrer Generation ist. Eine Tatsache, die auch die Oscar-Akademie erkannt hat, denn ein solch unglamoröser Part wie der von Clarice Starling gewinnt für gewöhnlich keine Hauptdarsteller-Trophäe.
"Das Schweigen der Lämmer" ist also weniger die Geschichte der Suche nach Buffalo Bill, als die Geschichte der Emanzipation Starlings - die erst durch ihre erfolgreichen Nachforschungen erstmals Selbstbewusstsein gewinnt und so schließlich dem Killer im Alleingang gegenüber treten kann - in einem Showdown, der in seiner meisterhaften Inszenierung einen der historischen Höhepunkte des Spannungskinos darstellt. Wer beim Blick durchs Nachtsichtgerät aus der Perspektive des Killers, mit der panisch in kompletter Dunkelheit umhertastenden Starling vor Augen, kein Herzrasen bekommen hat, kann sich offiziell für tot erklären lassen. Und wenn Starling am Ende schließlich die entführte Politiker-Tochter rettet, ist die feministische Umkehrung klassischer Rollenbilder endgültig perfekt: Der Ritter, der zur Rettung der holden Maid/Jungfrau herbei eilt, ist weiblich.

Abgesehen von dieser oft verkannten Note ist "Das Schweigen der Lämmer" natürlich ein fantastisch inszenierter Horrorfilm und besticht durch Perfektion in nahezu jeder Hinsicht, was schon bei der Vorlage einsetzt: Die von Thomas Harris entworfenen Schreckensszenarien spielen hochgradig elegant mit menschlichen Urängsten und können durch Einfallsreichtum und mühsame Recherchearbeit weiter an Kniffligkeit gewinnen: Man denke nur allein an den Subplot um die seltenen Schmetterlingslarven, die einen entscheidenden Hinweis liefern, und man kann sich in etwa vorstellen, wie sich Harris in diese Materie vertieft haben muss. Dies wiederum wurde von Ted Tally in ein brillantes Drehbuch umgesetzt, das die Essenz der cleveren Sprachspiele von Dr. Lecter beibehält und so entscheidenden Anteil an der Kreierung des Mythos Hannibal hat. Und auch wenn es eigentlich nicht sein Film ist - am Ende ist er es natürlich doch. Man kann sich diesem Faszinosum einfach nicht entziehen. "You don't want Hannibal Lecter inside your head", warnt der Gefängnisdirektor Clarice Starling bei ihrem ersten Besuch. Ein gut gemeinter Rat, doch leider umsonst: Inzwischen ist Hannibal in unser aller Köpfe, und dort wird er auch bleiben. Ja, er ist eine kranke Bestie, aber nichtsdestotrotz ist er auch auf unbeschreibliche Weise sympathisch - ein Mensch, mit dem man gerne Zeit verbringt. Nur zum Essen sollte man ihn besser nicht einladen.


2
2/10

also ma an alle der film is der genialste film der je gederht wurde weil sir anthony hopkins ein geniales genie namens hannibal verkörpert und das mach er wirklich brilliant

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10
10/10

Die Zusammenarbeit zwischen den Schauspielern is der hammer!!!
(vorallem das gesüräch zwischen lecter und starling)
tha bleibt noch zu sagen dass das der beste film ist den ich je gesehen habe, immer wieder faszinierend

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10
10/10

Die vorgenannte Szene wurde mittlerweile auch 1:1 übernommen vom New Jersey Regieseur Kevin Smith (alias Silent Bob) im Film Clerks 2.
Jay steht da in eben dieser geilen Pose zu Goodbye Horses....

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8
8/10

Wohl DER Filmbösewicht neben Darth Vader schlechthin!
Ein toller Film der ein Mysterium um einen kultivierten und hochintelligenten Serienkiller schuf. Leider wurde dieses Mysterium durch halbgare Fortsetzungen mehr und mehr zerstört :(

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