Das Lehrerzimmer

Jahr
2023
Laufzeit
98 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Matthias Kastl / 8. März 2024

Schon damals in der Schule hat man sich ja gerne gefragt, was da wohl im Lehrerzimmer so vor sich geht. Die Aussicht mit “Das Lehrerzimmer“ nun endlich mal Mäuschen spielen zu können klingt selbst lange nach der aktiven Schulzeit noch immer ziemlich interessant. Umso frustrierender ist dann aber das Ergebnis des nach dem Kinostart im letzten Mai inzwischen auf Amazon verfügbaren deutschen Oscarbeitrags. Aufgesetzt wirkende Dialoge und künstlich generierte Konflikte lassen hier jegliche Authentizität vermissen und ersticken schon im Ansatz die Chance auf einen gelungenen Filmabend.

Trotz hoher Motivation hat auch die junge Lehrerin Carla Nowak (Leonie Benesch) keine wirklich schöne Zeit auf der Arbeit. Ihr Idealismus stößt an ihrem Gymnasium nämlich schon bald an seine Grenzen, als eine ungeklärte Diebstahlserie an der Null-Toleranz-Schule für zahlreiche Konflikte sorgt. Als Carla bei ihren eigenen Recherchen zu dem Fall eine überraschende Entdeckung macht, die schon bald die ganze Schule in Aufruhr versetzt, drohen nicht nur sie, sondern auch einer ihrer Schüler (Leonard Stettnisch) unter dem folgenden Druck und zahlreichen Anfeindungen zu zerbrechen.


Relativ früh zu Beginn treffen wir in “Das Lehrerzimmer“ auf eine Szene, die andeutet, was bei diesem Film grundlegend im Argen liegt. Erst führt Clara mit ihrer siebten Klasse ein eher an die Grundschule erinnerndes Begrüßungsritual durch, nur um die Klasse anschließend mit einer sehr komplizierten Aufgabe zum Thema Beweisführung zu konfrontieren. Das ist in sich nicht wirklich schlüssig, die Absicht dahinter allerdings allzu offensichtlich. So ermöglicht diese Szene Carla am Ende explizit über die Bedeutung einer hieb- und stichfesten Beweisführung zu philosophieren – ein Gedanke, der für die kommenden Ereignisse im Film von entscheidender Bedeutung sein wird.

Da ist er also wieder, der teutonische Moral-Holzhammer. Gefühlt sind es ja auch heute leider immer noch zu viele deutsche Filme, die ihre Motive und Botschaften möglichst offensichtlich an den Mann oder die Frau bringen wollen. Zugegeben, auf den ersten Blick mag so ein oberlehrhaft wirkendes Vorgehen ja irgendwie zu dem Umfeld hier passen. Wenn es dann aber auch noch mit einer weiteren Schwäche einiger deutscher Filme kombiniert wird, nämlich dem Hang zu sehr steif geschriebenen Dialogen, mündet das schon bald in ziemlich großer Frustration. Immer wieder ertappt man sich bei den Gesprächen in diesem Film dabei zu denken, dass im echten Leben doch niemals jemand so kompliziert und mit solchem Vokabular Konversation betreiben würde – Lehrer hin oder her. Was gerade dann besonders auffällig ist, wenn hier Erwachsene mit Kindern reden.


Mit jeder weiteren Minute entfernt man sich angesichts des überhaupt nicht authentisch wirkenden Geschehens als Zuschauer immer weiter emotional von der Geschichte. Es ist halt auch schwer zu verdauen, dass die gleichen Schüler, die eben noch den Unterschied zwischen Astronomie und Astrologie erklärt bekommen müssen, in der nächsten Szene mit abgebrühter Cleverness über die Pressefreiheit philosophieren. Genau diese Szene, die in der Redaktion der Schülerzeitung spielt, verdeutlicht auch gut, warum die Inszenierung von Regisseur Ilker Çatak ebenfalls nicht gerade hilfreich ist. Er lässt hier die Kinder perfekt durchchoreographiert im Stakkato ihre Argumente hervorbringen, so dass man nur noch mehr davon überzeugt wird, dass dies nicht echte Menschen, sondern einfach nur auf Abruf bereitstehende Schachfiguren sind. Bereit für die vorgefertigten Züge des Drehbuches, das ihnen nicht den Raum geben will sich einfach mal wie echte Kinder verhalten zu können.  

Untermalt wird das alles von einem eher irritierenden Soundtrack, der mit einem (an Filme von Christopher Nolan erinnernden) pulsierenden Hintergrunddröhnen künstlich für Drama sorgen soll. Zugegeben, dieses Stilmittel, genauso wie die Entscheidung für das die Hauptfigur beengende Bildformat (4:3), hätte durchaus die gewünschte Wirkung erzielen können. Da die Figuren und Konflikte aber jegliche Authentizität vermissen lassen, entfalten diese Stilmittel eher die gegenteilige Wirkung und lassen alles irgendwie nur noch oberflächlicher erscheinen.


Ein klein wenig tut einem dabei die wirklich sehr gut spielende Leonie Benesch leid. Deren Intensität und Spielfreude schafft es zumindest einen Teil des entstehenden Frustes über das Geschehen auf dem Bildschirm abzufedern. Und das ist angesichts der sehr gekünstelt wirkenden Konflikte ein wirklich großes Lob. Dank Benesch kann man sich mit Carla sehr gut identifizieren und vor allem sympathisieren, was “Das Lehrerzimmer“ über weite Stecken zumindest noch halbwegs erträglich macht. Gegen Ende schwächt sich aber auch dieser Effekt etwas ab, da Carlas Idealismus nun von bewundernswert eher in Richtung naiv-bemitleidenswert abdriftet.

Am Ende stellt sich dann auch die Frage, auf was man hier eigentlich hinauswill. Irgendwie werden nämlich neben den mit dem “Kriminalfall“ verbundenen moralischen Fallstricken auch noch die Themen Rassismus und vor allem Cancel Culture gestreift, doch so richtig etwas Interessantes kann der Film zu diesen Debatten nicht beitragen. Hier und da deutet die Geschichte zwar immer wieder Potential an, wirklichen Nachhall findet aber keiner der ausgetragenen Konflikte. Und so wirkt dann auch das Schlussbild eher irritierend, bei dem man das Gefühl hat ein sehr symbolisch gemeintes Motiv zu sehen, aber rätselt, was wohl damit genau gemeint sein könnte. Was besonders ärgerlich ist, da man schon das Gefühl hat, dass die Macher hier mit sehr viel gut gemeinten Absichten im Gepäck daherkommen.  

Nun steht der Rezensent mit seiner eher harschen Kritik an “Das Lehrerzimmer“ angesichts vieler lobender Stimmen und einer Oscar-Nominierung natürlich auf eher verlorenem Posten. Aber wie von Clara gefordert mangelt es hier zumindest nicht an dem Versuch einer Beweisführung. Und auch wenn eine großartige Hauptdarstellerin den Film zumindest noch irgendwie halbwegs ins Ziel retten kann, warum die Academy of Motion Pictures diesen deutschen Beitrag für die Endrunde der Oscars nominiert hat, dem meisterhaften “Systemsprenger“ (soll keiner sagen, dass es nicht großartige deutsche Filme gibt) aber vor wenigen Jahren den Laufpass gab, ist dem Rezensent auf jeden Fall ein Rätsel. Irgendeiner von uns beiden muss wohl doch noch mal die Schulbank drücken. Aber vielleicht bietet das ja dann die Chance, einmal einen wirklich authentischen Blick in ein Lehrerzimmer zu erhaschen.

Bilder: Copyright

Bei dem aktuellen Lehrermangel an einigen Schulen ist schon der Titel irreführend. Manche Lehrerzimmer können problemlos für Escape-Room-Spiele vermietet werden.

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5
5/10

Diese Rezension bumst!
Danke dafür.
Das Lehrerzimmer ist ein absolut pseudointellektueller Rotz und viele Kritiker auch jenseits vom Teich loben hier einen Film, der nichts mit der Realität an deutschen Schulen zu tun hat. Wissen die Amis natürlich nicht, aber traurig ist es trotzdem. Das Publikum findet den Film im Gegensatz zu den Kritikern nicht so gut und das zu Recht, bei Rotten hält er traurige 62%, ziemlich schmächtig für einen Oscarfilm. Vor den Oscars waren es noch 58%, sieht man was gehype ausmachen kann, ähnlich IMDB. Vor Oscars unter 7, jetzt drüber.
Dazu noch die Rassistenkarte die Ilker Çatak gespielt hat weil sein, Verzeihung, langweiliger Film nicht die Aufmerksamkeit bekam, die er sich erhofft hat beim Publikum vor den Oscars. Soviel Arroganz und Eitelkeit ist langweilend, ich werde jeden weiteren Film von ihm meiden, nicht weil er Migrationshintergrund ist, sondern weil er ein prätentiöser Filmemacher ist.

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