Der Abschluss der "Bourne"-Trilogie fängt da an, wo "Die Bourne Verschwörung" aufhörte: Jason Bourne (Matt Damon) ist in Moskau auf der Flucht vor der Polizei, und er trägt noch die Wunden aus dem letzten Showdown. Bourne rennt, denn die Vertreter der Behörden sind ihm direkt auf den Fersen - und daran wird sich bis zum Ende des wohl furiosesten und besten, definitiv aber handwerklich perfektesten Actionfilms seit vielen Jahren nichts ändern.
"Die Bourne Identität" hatte 2002, damals noch unter der Regie von Doug Liman, bereits einige Aufmerksamkeit geerntet für den erdigen Stil von Inszenierung und wortkarger Hauptfigur, eine erfrischende Abwechslung zum überkandidelten Edel-Kino smarter Superagenten á la James Bond. Paul Greengrass entwickelte diese Ansätze 2004 im zweiten Teil konsequent weiter und fand einen atemberaubend neuen Inszenierungsstil für Actionfilme: Wo anderswo in Panorama-Bildern möglichst spektakulär Sachen in die Luft gejagt werden, bevor der Held sich seiner Gegner schnell und sauber mit einem smarten One-Liner auf den Lippen entledigt, rückte Greengrass mit konsequent eingesetzter Handkamera seinen Akteuren ganz dicht auf die Pelle und setzte bei der Agenten-Handarbeit voll auf harten Realismus: Wenn es hier überhaupt zum Kampf kommt, dann geht es entweder ganz schnell, oder es wird dreckig, hässlich und sehr schmerzhaft.
In "Das Bourne Ultimatum" hat Greengrass seinen Stil nun perfektioniert, und wo die Handkamera im Vorgänger manchmal noch durch zu viel Gewackel unangenehm auffiel, bringt sie hier ohne Abstriche die Dynamik und unglaubliche Intensität herüber, die das Publikum von den ersten Sekunden an packt und für 110 Minuten nicht mehr los lässt.
Bourne, der im zweiten Teil wichtige Hinweise auf seine wahre Identität und das geheime CIA-Programm entdeckte, das ihn zu einer perfekten Tötungsmaschine gemacht hatte, nimmt die gefundene Spur auf und versucht, den Journalisten Simon Ross (Paddy Considine) zu kontaktieren, der an geheime Informationen über ihn und das Programm gekommen ist. Doch dabei kreuzt er sofort den Weg der CIA, die Bourne als Bedrohung zum Abschuss freigegeben hat und selbst herausfinden will, woher Ross' Informationen stammen. Der eiskalte Direktor Noah Vosen (David Strathairn) jagt Bourne mit seinem gesamten Überwachungsapparat, während seine aus Teil Zwei bekannte Kollegin Pamela Landy (Joan Allen) Bournes wahre Motive ahnt und sich bei ihrem Chef verzweifelt für ihn einsetzt. Vergeblich.
"Das Bourne Ultimatum" verschwendet keine Sekunde, bietet schon in der ersten halben Stunde eine gut 10-minütige Verfolgungs-Sequenz, die als trickreiches Katz-und-Maus-Spiel zwischen Bourne und der CIA beginnt und blutig endet, und legt damit ein Tempo vor, das für den Rest des Films nicht mehr gedrosselt wird. Er beweist hier gleichzeitig, dass man für atemberaubende Spannung keine großen Knalle und Effekte braucht, sondern das Publikum auch mit einer Verfolgungsjagd, die einem Schachspiel in Lichtgeschwindigkeit gleich kommt, gebannt in den Sitz fesseln kann.
Am Leben bleiben heißt für Jason Bourne, dass er schlauer, schneller und weitsichtiger agieren muss als seine Gegner - und die haben immerhin einen weltumspannenden und allmächtigen Überwachungsapparat zur Verfügung. Ein ums andere Mal gelingt es Bourne mit seinen Tricks und Finten, sowohl das CIA als auch das Publikum zu überraschen - die einen sind kalt erwischt, die anderen begeistert.
Begeistern - und zwar durch die Bank - können auch die grandiosen Darsteller, deren Leistungen hier zwar subtil ausfallen, aber darum umso beeindruckender sind. Denn Realismusanspruch und Inszenierung des Films verbieten ihnen alle großen Gesten: Die Akteure spielen absolute Geheimdienst-Profis, effektiv, rational bis hin zur Kälte, und mit einem antrainierten Pokerface, hinter dem die wahren Gefühle und Motivationen fast konsequent verborgen bleiben. Dazu auch noch die Handkamera, welche die Schauspieler im Dialog ständig im Close-Up einfängt, wo jeder kleinste Fehler im Spiel sofort ins Auge fällt. Das sind keine Vorstellungen mit Show-Potential für die man Oscars gewinnen kann, nichtsdestotrotz ist es höchst schwieriges Schauspiel-Handwerk, das von der Armada veritabler Charakter-Darsteller (neben den schon genannten noch Scott Glenn, Julia Stiles und Albert Finney) brillant gemeistert wird.
Was hier zählt sind die feinen Details, die dezenten Gesten, die so viel mehr sagen als Worte, von denen es hier ohnehin nicht sehr viele gibt. Das fantastische Drehbuch fährt die Dialoge herunter bis aufs notwendige Minimum, damit das Publikum der Handlung noch folgen kann. Aber fast alles, was gesagt wird, ist funktional oder dient der Exposition. Alles andere liegt bei den Schauspielern, und die danken dem Regisseur für diese Herausforderung durch fulminante Arbeit.
Der wahre Star des Films bleibt jedoch Paul Greengrass, der sich hier selbst übertrifft. Wäre es nach den meisten amerikanischen Kritikern gegangen, hätte er bereits letztes Jahr für seinen 9/11-Film "Flug 93" den Regie-Oscar bekommen. Hier unterstreicht er überdeutlich, warum das mehr als gerecht gewesen wäre. Jede Verfolgungs-Sequenz ist ein kleines Meisterwerk mit kongenialem Pacing zwischen plötzlicher Action und atemberaubender Spannung, brillant mit dem hervorragenden Soundtrack verwoben.
Und wenn es dann doch trotz aller genialen Ausweich- und Versteck-Tricks Mann gegen Mann geht, dann gelingt Greengrass, woran so viele überambitionierte Action-Regisseure kläglich gescheitert sind: Kampf-Szenen in einem Stakkato-Schnitttempo, bei denen man trotz prasselndem Bildersturm nicht den Überblick über das Geschehen verliert. Wo seine stümperhaften Kollegen mit zwei Schnitten pro Sekunde Geschwindigkeit und Aufregung zu simulieren versuchen, schneidet Greengrass genauso schnell und schummelt dabei kein bisschen: Jede Einstellung entspricht einer einzelnen Kampfaktion, jeder Schnitt ist ein Schlag, ein Handgriff, ein Abwehrmanöver. Resultat: Geradezu unglaublich rasante Duelle, die tatsächlich so aufregend sind, dass man für einen Moment das Atmen vergisst.
Und weil das des Guten noch immer nicht genug ist, schafft es "Das Bourne Ultimatum" auch noch, das dramatische Rückgrat der Trilogie - die Suche Jason Bournes nach sich selbst - zu einem starken und konsequenten Schluss zu führen und seinem Helden eine echte Wandlung zu ermöglichen, ohne in ein überzogenes Happy End zu gipfeln.
Die Bourne-Trilogie bleibt sich so bis zum Ende absolut treu, und hat es damit dank Paul Greengrass nicht nur geschafft, mit jedem Teil noch ein Stück besser zu werden, sondern auch einen wegweisenden Stil im Action-Kino des neuen Jahrtausends zu definieren, der viele Nachahmer finden wird. "Das Bourne Ultimatum" ist ein in jeder Hinsicht perfekter Action-Thriller. Und was, wenn nicht das, ist 10 Augen wert.
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