2003 erwarten uns eine Menge Comic-Verfilmungen, und die Superhelden aus dem Hause Marvel sind dabei an vorderster Front vertreten. Nachdem sich zuletzt die "X-Men" als Erfolg und "Spider-Man" gar als alle Erwartungen sprengender Blockbuster erwiesen, stehen im Sommer die Fortsetzung der Mutantensaga und der mit großer Spannung erwartete "Hulk" unter der Regie von Ang Lee an. Den Anfang macht jedoch "Daredevil", die vom finanziellen und marketingtechnischen Aufwand her bescheidenste der drei Produktionen. Allerdings besteht für das Publikum absolut kein Grund den "Mann ohne Furcht" außen vor zu lassen, denn es bekommt hier einen sehr feinen Genre-Film geboten, der alles liefert was man von solch einem Werk erwarten und erhoffen darf.
Wir verfolgen dabei das Schicksal von Matt Murdock (Ben Affleck), der im berüchtigten New Yorker Stadtteil "Hell's Kitchen" aufwächst und dabei mit ansehen muss, wie sein Vater von Gangstern ermordet wird (auch bekannt als "Batman-Trauma"). Der junge Matt bekommt jedoch unversehens die Chance, etwas gegen diese Art Verbrechen zu unternehmen: Als er bei einem Unfall in Kontakt mit einem Behälter voll radioaktivem Material gerät, verliert er dabei zwar sein Augenlicht, alle seine anderen Sinne sind jedoch plötzlich enorm geschärft. Murdock hört besser als jeder andere Mensch, entwickelt eine ungeahnte Körperkontrolle und -akrobatik und seine verbesserten Sinnesorgane lassen ihn sogar ganz eigene Bildeindrücke im Kopf formen, die sein Handicap praktisch vergessen lassen. Tagsüber arbeitet Matt fortan als Anwalt für die Schwachen und wenn diese vor Gericht unterliegen, verhilft er Ihnen des Nachts als kostümierter "Daredevil" zu Gerechtigkeit. Als schließlich die schöne Kämpferin Elektra (Jenifer Garner) in sein Leben tritt, glaubt Murdock sogar den richtigen Partner gefunden zu haben. Doch diese Beziehung wird bedroht durch den mächtigen Gangsterboss Kingpin (Michael Clarke Duncan) und seinen brutalen Auftragskiller Bullseye (Colin Farrell), die Daredevil und Elektra ganz oben auf ihrer Abschussliste haben.
Wer in dem sich ebenfalls durch die Straßenschluchten New Yorks schwingenden Daredevil einen neuen Spider-Man erwartet liegt eher daneben und dürfte das Kino auch ziemlich enttäuscht verlassen. Von der leichten Atmosphäre des Netzschwingers ist hier nichts zu spüren und die hier gezeigte Version der Metropole kommt eine ganze Nummer düsterer und brutaler daher. In Comickreisen wird Daredevil daher immer wieder der Stempel einer Batman-Kopie verliehen, doch auch dieser Vergleich hinkt. Denn mit dem abgefahrenen Gothic-Stil von Gotham City hat das Arbeiterviertel Hell's Kitchen auch nicht wirklich etwas gemein, und Daredevil nennt auch kein Batmobil oder gar -höhle sein eigen, sondern quält sich nach dem nächtlichen Einsatz völlig erschöpft und reichlich ramponiert im kleinen Appartement aus dem Kostüm - übrigens eine der besten Szenen des Films. Ebenfalls eher in der Realität verankert und ohne wirkliche "Superkräfte" ausgestattet kommen auch die Schurken daher, bei Bullseye hat man sogar auf das aus den Comics bekannte Kostüm verzichtet (was diesen allerdings ziemlich frustriert). Selbst der "Heldenstatus" der Hauptfigur bleibt lange Zeit äußerst fragwürdig, denn ein Superheld der die Bösen tatsächlich auch tötet (oder zumindest sterben lässt) ist eine eher seltene Spezies. Und so muss sich der Sinn und Vergeltung suchende "Mann ohne Furcht" auch gelegentlich selbst erst davon überzeugen, dass er hier nicht doch der "Bad Guy" ist.
Neben einem passablen Ben Affleck in der Titelrolle (der sich mit der Darstellung dieser Figur einen Kindheitswunsch erfüllte) sind die eigentlichen Knaller des Films jedoch ganz klar die atemberaubende und extrem temperamentvolle Jennifer Garner als Elektra und der wahrlich furchteinflößende und alles andere in den Hintergrund drängende Michael Clarke Duncan als Kingpin. Dieser ist in der Vorlage zwar eigentlich kein Schwarzer, doch fällt es schwer sich in dieser Rolle jemand Anderen vorzustellen als den massigen Hünen Duncan.
Über Colin Farrells hypernervösen Killer Bullseye und dessen ständig zuckende Gesichtsmuskel darf man aber durchaus geteilter Meinung sein, zumindest bringt er aber auch einige komische Elemente in den Film. Eindeutig gelungen sind dagegen die Versuche, Daredevils einzigartige Sinneseindrücke auch optisch für den Zuschauer sichtbar zu machen, was dann auch wieder zu einer wunderschön romantischen Regenszene führt (vielleicht jetzt eine neue Pflichtübung für Superhelden-Filme?).
Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass das, was hier so alles passiert, natürlich irgendwo einen ziemlichen "Cheesy-Touch" hat, und wer nach Logiklöchern in der Handlung sucht wird hier auch ganz sicher fündig. Den Massenzuspruch eines "Spider-Man" - der ja sogar Damen ins Kino lockte, die sich sonst doch eher eine hübsche RomCom anschauen - wird "Daredevil" nicht erreichen. Trotzdem muss die Wertung für den Film sehr positiv ausfallen, denn die Macher liefern hier ein Werk ab, das seinem selbst gestellten Anspruch in allen Punkten gerecht wird: Eine kurzweilige, knackige Comic-Verfilmung, die dabei sowohl dem Geist als auch der Handlung der Vorlage so werkgetreu folgt wie kaum eine bisher. Mit aller Konsequenz selbst bezüglich der Liebesgeschichte, also lasst die Freundin lieber Zuhause, Fanboys!
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