2015 markiert das erste Jahr, in dem gleich zwei neue Spielfilme aus dem Hause Pixar in die Kinos kommen. Das war zwar so nicht geplant - dieser Film hier hätte eigentlich schon letztes Jahr erscheinen sollen - doch die zeitliche Nähe zwischen der Veröffentlichung von "Alles steht Kopf" und "Arlo & Spot" führt nun umso deutlicher vor Augen, welche Konsequenzen der eigene Erfolg und die Erwartungen des Mutterkonzerns Disney für dieses außergewöhnliche Animationsstudio hatten. Denn seit Disney Pixar 2006 für eine unglaubliche Milliarden-Summe aufkaufte, machte sich in der Pixar-Produktionspalette schleichend der Druck einer gewachsenen Gewinnerwartung bemerkbar, und das einstmals qualitativ unfehlbare Studio mit den wundervoll außergewöhnlichen Ideen begann mit Veröffentlichungen wie "Cars 2", "Merida" oder "Die Monster-Uni" Filme herauszubringen, die arg konventionell und auf Story-Ebene nicht vernünftig entwickelt schienen, aber einer klaren Vermarktungs-Logik folgten.
Als vor zwei Monaten nun "Alles steht Kopf" erschien, war man geneigt, himmelhochjauchzend die Rückkehr Pixars zu ihren Ur-Tugenden auszurufen, vertrat der Film doch in genialer Weise alles, was dieses Studio einst groß gemacht hat. Doch nun kommt bereits die erneute Ernüchterung daher in Form eines Films, der in beinahe allen Aspekten wie eine standardisierte Disney-Produktion wirkt, und leider gänzlich den besonderen Pixar-Spirit vermissen lässt.
Die Prämisse von "Arlo & Spot" basiert auf dem Gedanken, was passiert wäre, wenn der Komet, der vor 65 Millionen Jahren die Dinosaurier auslöschte, die Erde verfehlt hätte - und somit Dinos und Menschen die Gelegenheit bekamen, gleichzeitig auf unserem schönen Planeten zu existieren. So lernen wir hier also Dinosaurier kennen, die nach Millionen Jahren weiterer evolutionärer Entwicklung nun intelligent genug geworden sind, um Landwirtschaft zu betreiben und Häuser zu bauen, und auch die Fähigkeit zu sprechen entwickelt haben. Im Gegensatz zu den evolutionär noch etwas hinterher hinkenden Menschen, die noch auf einem vorsprachlichen Knurr-und-Grunz-Niveau festhängen und das mit dem aufrechten Gang auch noch nicht ganz raus haben. Daraus ergibt sich dann der zweite Teil der Prämisse von "Arlo & Spot", indem das gute alte Story-Prinzip "Ein Junge und sein Hund" einen Rollentausch erfährt: Der Hund ist jetzt ein Junge, und der Junge ein sprechender Dinosaurier.
Namentlich sind dies eben Arlo, ein junger Dino, der seit seiner Geburt damit zu kämpfen hat, dass er ein ziemlicher Angsthase ist, und Spot, ein sich wie ein streunendes Tier benehmender Menschenjunge, der erst zur Plage für Arlos Familie wird und dann - nach ein paar tragischen Wendungen aus dem Disney-Story-Standardrepertoire - zu seinem einzigen Gefährten in einer ganz klassischen "Den Weg zurück nach Hause finden"-Geschichte, in der Arlo lernen muss, seine Ängstlichkeit zu überwinden.
Derart "klassische" (um nicht zu sagen: sattsam bekannte, abgegriffene und gänzlich unoriginelle) Elemente machen leider den gesamten Film aus, und man wartet über die gesamte Laufzeit von "Arlo & Spot" vergeblich auf eine Idee, die der ganzen Sache einen Hauch eines originellen Pixar-Twists gibt. Stattdessen fühlt man sich schon in den ersten Minuten an grässlich formelhafte Disney-Produktionen erinnert, mit Elternfiguren, die pseudo-weises Lebenslektionen-Geschwafel absondern, während im Hintergrund schon der melancholische Orchester-Soundtrack wabert. Der Humor des Films bleibt derweil konsequent auf einem sehr kindgerechten Level und setzt fast ausschließlich auf charmanten, harmlosen Slapstick. Was für sich genommen zwar okay ist, aber dennoch Pixars große Stärke schmerzlich vermissen lässt, nämlich die Fähigkeit, zeitgleich Kinder zu unterhalten und eine auch für Erwachsene packende und hintergründig komische Geschichte zu erzählen.
Die herausragende Leistung bei "Arlo & Spot" besteht dann auch weder in Story- noch in Charakterzeichnung, sondern in der wirklich bestaunenswerten Animation seiner Handlungswelt. Angesiedelt in einer von Zivilisation noch gänzlich unberührten Natur, schwelgt der Film in der ursprünglichen Schönheit des nordamerikanischen Kontinents und erreicht dabei eine Realitätsnähe, dass man sich stellenweise staunend fragt, ob das jetzt echt noch eine Animation sein kann, oder doch schon eine reingeschummelte, echte Filmaufnahme. Vor allem in den Szenen, in denen wild wogende Wassermassen ins Spiel kommen, trumpft "Arlo & Spot" auf technischer Seite ganz groß auf und beeindruckt mit einigen enorm gelungenen 3D-Aufnahmen.
Aber dennoch: Brillante Animationen waren bislang immer nur ein Vehikel, auf dem Pixars ganz besondere Story-Welten und Geschichten daherkamen, und nie die ausschlaggebende Qualität ihrer Produktionen. Das ist hier nun umgekehrt. Zugleich tut sich dabei eine leicht befremdliche Diskrepanz auf zwischen den hyper-realistischen Hintergründen und den eher klassisch-verniedlichten Animationsfiguren, die durch sie hindurch wandeln. Die Figuren und ihre Welt wirken nicht wie aus einem Guss, und so stellt sich ein wenig die Frage, ob sich der Film mit der Über-Brillanz seiner Natur-Animationen wirklich einen so großen Gefallen getan hat.
Wer dazu geneigt ist, wird sich hier zudem desöfteren am Kopf kratzen können bei Fragen innerer Logik, wenn man sich z.B. ansieht, was die klobfüßigen Dinosaurier sich so alles gebaut und gebastelt haben sollen so ganz ohne feingliedrige Finger, oder warum seit Jahrmillionen existierende Pflanzenfresser inmitten prächtigster Natur auf einmal Angst haben, dass ihnen die Ernte und somit das Essen ausgehen könnte. Details wie diese tragen jedenfalls zu dem Grundeindruck bei, dass mit "Arlo & Spot" eine Filmidee in Produktion gedrückt wurde, die letztlich nicht konsequent genug durchdacht worden ist. Weil man sich vielleicht auch einfach damit zufrieden gegeben hat, dass die Mixtur "kleiner Junge und süßer Dino" sich schon ausreichend gut verkaufen wird.
Dies ist denn auch der bedenkliche Eindruck, den man als eigentlich großer Pixar-Fan aus diesem Film mit herausnimmt: Dass die Macher sich hier nicht mal richtig angestrengt haben, und sich mit einem ausreichenden Produkt zufrieden gaben, anstatt ein wirklich gutes anzustreben. Hat "Alles steht Kopf" einem kurzzeitig den Glauben an Pixar zurückgegeben, so befeuert "Arlo & Spot" nun leider schon wieder nachhaltig eine mächtige Skepsis, wohin der weitere Pixar-Weg führen wird. Die Produktionspalette für die nächsten Jahre besteht jedenfalls vornehmlich aus weiteren Fortsetzungen, zu "Findet Nemo", "The Incredibles" und einem weiteren "Toy Story"-Film. Originell ist anders.
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