Grace is gone

Originaltitel
Grace is gone
Land
Jahr
2007
Laufzeit
85 min
Genre
Release Date
Bewertung
9
9/10
von René Loch / 18. August 2010

Stanley Phillips (John Cusack) verkörpert genau das, was sich der Europäer unter dem Kleinstadt-Amerikaner vorstellt. Er hat ein Haus, eine Frau, zwei Kinder, ein paar Pfunde zu viel auf den Rippen und den festen Glauben an das, was Präsident Bush auf militärischer Ebene in anderen Teilen der Erde so treibt. Wenn er sich mit einer Gruppe Frauen seines Alters zum gemütlichen Beisammensein trifft, könnte man meinen, es handle sich hierbei um einen Buch-Club. Doch stattdessen treffen sich Lebenspartner von Soldaten, die in den Irak-Krieg gezogen sind. Stanleys Frau Grace ist als Sergeant dort stationiert. Eines Tages klingelt es; ein Mann von der US-Army und ein Priester stehen vor der Tür. Sie überbringen Stanley die Nachricht vom Tod seiner Frau. Kurz darauf kommen die beiden Mädchen nach Hause, Heidi (Shélan O'Keefe) und die etwas jüngere Dawn (Gracie Bednarczyk). Stan bringt nicht die Kraft auf, es ihnen zu sagen. Stattdessen überrascht er sie kurz entschlossen mit einem Ausflug zum Freizeitpark "Enchanted Gardens" am anderen Ende des Landes. Dort will er es ihnen sagen. Dort ist die Zeit reif dafür.

Klingt nicht wirklich nach einem spektakulären Film und in der Tat ist "Grace Is Gone" auch alles, nur eben kein spektakulärer Film. Regie-Debütant James C. Strouse erzählt im Prinzip eine Geschichte von größter Schlichtheit und behandelt ein Ur-Thema, nämlich den Umgang mit Verlust, mit Trauer. Leicht variiert, da Vater Stan den Tod der Mutter zunächst verheimlicht, um auf den vermeintlich richtigen Moment zu warten. Das ist der wesentliche Plot. Eigentlich nicht der Stoff, aus dem Filme gemacht sind, die die Welt noch unbedingt braucht. Doch nach 85 Minuten steht die Erkenntnis: Verzichten möchte man auf diese kleine Perle nun wahrlich nicht mehr.

Seine Spannung zieht "Grace Is Gone" aus den Fragen, die sich unvermeidlich stellen: Wie versteckt Stan die Trauer vor seinen Kindern, wie geht er mit dem Tod seiner Frau um? Findet er wirklich den passenden Zeitpunkt, es ihnen zu sagen? Existiert ein solcher Zeitpunkt überhaupt und wie sieht er aus? Oder kommt ihm seine Tochter Heidi vielleicht sogar zuvor? Sie merkt, dass irgendetwas nicht stimmt. Und je länger die Reise dauert, desto größer wird auch ihr Misstrauen.
Mit der Zeit lernt der Zuschauer auch Stan besser kennen. Man erfährt, warum der Vater seinen Töchtern Nachrichten-Sendungen, die den Irak-Krieg behandeln, verbietet, warum sein Verhältnis zu den Beiden überhaupt so schlecht ist, warum er - nicht erst seit dem Tod seiner Frau - so verbittert wirkt und worauf sich sein Vertrauen in die Führungskräfte seines Landes stützt.
Neben diesem Hauptthema tauchen auch immer wieder diese kleinen, wundervollen Szenen auf, die zur Handlung eigentlich wenig beitragen. Wie Stan sich zum Beispiel alte Jugend-Träume erfüllt und mit dem Auto querfeldein über den Acker jagt oder wie er seiner älteren Tochter das Rauchen unschmackhaft macht; das ist durchaus humorvoll. Und dringend notwendig, um dem Film die erdrückende Last seiner ernsten Thematik zu nehmen. So geschieht es, dass ein auf dem Papier todtrauriger Film relativ leicht daherkommt und das Schauen nicht zur tränenreichen Qual gerät.
Das ändert sich jedoch, je näher das Unvermeidliche heranrückt. Besonders auf den Szenen im Vergnügungspark, die eigentlich die fröhlichsten im gesamten Film sein sollten, lastet plötzlich eine bleierne Schwere. Denn es ist klar, was nun kommt. Was nun kommen muss. Die Art und Weise, wie Strouse seine Geschichte erzählt, wie er seine Figuren dem Zuschauer nahe bringt, das sorgt dafür, dass der unausweichliche Höhepunkt das Publikum unmöglich kalt lassen kann.

Außer den bisher Genannten fällt nur einem weiteren Charakter eine größere Rolle zu. Auf der Reise zum "Enchanted Gardens" macht Stan einen Zwischenstopp, bei dem er auf seinen Bruder John (Alessandro Nivola) trifft - der vollkommen andere politische Ansichten vertritt. An dieser Stelle hätte das Konstrukt von "Grace Is Gone" leicht ins Wanken geraten können, indem sich Strouse allzu sehr auf die Seite von John schlägt. Der Regisseur und Autor macht keinen Hehl daraus, dass er dessen Ansichten viel eher teilt als die von Stan, doch verzichtet er darauf, Partei zu ergreifen oder gar in Kategorien wie "richtig" oder "falsch" zu urteilen. John und Stan vertreten verschiedene Meinungen. Warum sie das tun, vermittelt Strouse glaubhaft. Auch wenn wohl nur ein Bruchteil des deutschen Publikums zu den Ansichten von Stan tendiert, stellt das kein Hindernis dar, für den Charakter Sympathien zu entwickeln. Strouse konzentriert sich aufs Wesentliche, macht keinen politischen Film aus "Grace Is Gone" oder versieht ihn gar mit einer Botschaft, sondern behält das im Blick, worauf es wirklich ankommt: die Charaktere.

Neben dem feinen Gespür für eben diese erweisen sich die wenigen Darsteller als große Stärke. Wenn John Cusack zu Beginn den Gang seiner Filiale entlang läuft, dann muss man wirklich genau hinsehen, um zu erkennen, dass das wirklich Cusack ist. Der Cusack aus "Zimmer 1408", "Identität", "High Fidelty" oder "Con Air". Der Cusack, der für gewöhnlich mit seinen Rollen einen kraftvollen Eindruck hinterlässt, hier aber ein menschliches Wrack verkörpert, das jede Freude am Leben verloren hat. Cusack meistert diese für ihn untypische Rolle absolut mit Bravour. Die Trauer, der Frust, die Bitterkeit - man nimmt es ihm ab.
Den Rest erledigen zwei sehr junge Darstellerinnen. Wenn Kinder sehr zentrale Rollen übernehmen, geht das häufig in die Hose, doch was speziell Shélan O'Keefe als ältere Tochter Heidi hier abliefert, verdient allergrößten Respekt. Wie viel Ausdruck, wie viel Tiefe sie in so manchen Blick legt, das dürfte so manchen erwachsenen Charakter-Mimen vor Neid erblassen lassen. Vielleicht bahnt sich da eine große Karriere an.
Abschließend sei noch der Erfolg beim Sundance Film-Festival erwähnt, bei dem "Grace Is Gone" den Preis für das beste Drehbuch sowie den Publikums-Preis einheimsen konnte. Dazu gibt's einen Soundtrack auf die Ohren, der von Clint Eastwood komponiert und für den Golden Globe nominiert wurde - zurecht.

"Grace Is Gone" ist ein leiser, unaufgeregter Film, der auf berührende Weise von einem Vater erzählt, der seinen Kindern vom Tod ihrer Mutter berichten muss, dies aber nicht kann. Nicht mehr und nicht weniger. Das bietet keine Gelegenheit, ihn zum zeitlosen Meisterwerk zu erklären, ihn aber allen Freunden von kleinen Filmen ans Herz zu legen, die sich nicht unbedingt nur dafür interessieren, was erzählt wird, sondern auch wie etwas erzählt wird. Nach gerade mal 85 Minuten ist die Reise beendet. Alles ist gesagt, alles ist gezeigt. Ganz ohne Überlängen-Epos.

Bilder: Copyright

Kann mir mal jemand den Maßstab erklären an dem hier auf der Seite so unverhältnismäßig gemessen wird?
Da bekommt "no country for old men" "there will be blood" acht Augen und ein Film wie "grace is gone", der sicherlich nicht schlecht ist, aber maximal 7 Augen verdient hat, 9 Augen. Gleicher Fall "Robert Zimmermann..."
Die Filme mögen ja gut sein, aber reichen meiner Meinung dann doch nicht an die fast perfekt durchdachten Werke der Herren Anderson und Coen.
Und ich will hier keine 9 oder 10 Augen für eben genannten sehen sondern eben weniger Augen für Filme wie "grace is gone" und "Herr Zimmermann", die eben "nur" überdurchschnittlich gute Kinokost darstellen. Aber anscheinend sind die einzigen, die hier objektiv rezessieren können und nicht wie verblendete Kinder mit einem Popcorngrinsen aus der Pressevorführung kommen, Herr Helmke und Herr Staake.

Ich für mich habe jedenfalls beschlossen keinen Wert mehr auf die Rezessionen der anderen Herren zu legen. Ich erinnere nur an den extrem entäuschenden Ossis eleven, den ich mir aufgrund einer, hier gegebenen, Empfehlung des Herrn Robrahn angetan habe. Acht Augen hat der bekommen. Und jetzt sag mir einer, dass er den genauso gut fand wie "there will be blood" "dark knight". Da scheiterts doch schon am Drehbuch an acht Augen!
Egal genug aufgeregt.
Einem Leser weniger könnt ihr euch sicher sein.

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Geb ich dir vollkommen recht. ossis eleven ist wirklich ein sehr schlechter film, der nicht ein auge verdient hat. und klar ist, das eine rezension immer nur subjektiv sein kann, aber als ein medium "filmszene.de" sollte man etwas gefühl für die feinabstimmung entwickeln, so dass sowas wie oben genannt nicht passieren muss.

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6
6/10

Die erwänthe bleierne Schwere lastet, meiner Meinung nach, nicht nur über den Freizeitpark-Sequenzen, sondern über dem ganzen Film. Das macht es sehr schwer, sich den Figuren annähern zu können. Obwohl die Story wirklich gut ausgearbeitet ist und John Cusack und besonders die Heidi-Darstellerin überzeugen können. Der Film meint es wirklich gut, schafft es aber nicht, das an den Zuschauer zu bringen, was er sich vorgenommen hat.

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4
4/10

Ich fand diesen Film einfach zu unnatürlich und dadurch dass wirklich durchgehend nur Trauer und unbewusste Ziellosigkeit John Cusacks dargestellt wurde auch einfach nur lahm und langweilig.

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Mal schauen, ich hab' mir den Film für dieses Wochenende vorgenommen. Die Kritik folgt am Montag!

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