Ben Randall (Kevin Costner) ist eine Legende als Rettungsschwimmer für die amerikanische Küstenwache, doch das Schicksal spielt ihm schwer mit: Weil er fast nur für seinen Job lebt, ist die Ehe mit seiner Frau Helen (Sela Ward) in die Brüche gegangen, und am Tag, als sie aus dem gemeinsamen Haus auszieht, verliert Ben bei einem tödlichen Unfall während eines Einsatzes seine gesamte Hubschrauber-Crew, darunter sein bester Freund. Um dieses Erlebnis verarbeiten zu können, versetzt ihn sein Vorgesetzter temporär in das Elite-Ausbildungscamp der Küstenwache, wo er junge Talente zu echten Rettungsschwimmern formen soll. Am meisten Arbeit macht ihm dabei der arrogante Maulheld Jake Fischer (Ashton Kutcher), der das Zeug dazu hat, in Bens Fußstapfen zu treten, aber noch lernen muss, was in diesem Beruf wirklich zählt.
Damit ist nicht "jede Sekunde" gemeint, wie der wenig einfallsreiche deutsche Verleihtitel behauptet, und sonderlich einfallsreich ist auch nicht die Geschichte des Films, denn die Konstellation "Alter Hase lehrt jungem Heißsporn seine Berufung (und das Leben)" hat es wahrlich schon oft genug gegeben. Auf dem Papier gibt es also zunächst nicht viel, was "The Guardian" interessant macht. Man kann wohl berechtigterweise vermuten, dass das fertige Skript für den ersten Film, der sich mit den heldenhaften Lebensrettern der Küstenwache beschäftigt, eine ganze Weile unverkauft bei Autor Ron L. Brinkerhoff herumlag, bis sich die amerikanische Öffentlichkeit (und damit auch die Filmindustrie) endlich für diese Truppe interessierte: Durch ihre Einsätze während der durch Hurrikan "Katrina" ausgelösten Katastrophe rückten die Rettungsschwimmer erstmals ins öffentliche Rampenlicht, und wurden dadurch auch endlich zu einem vermarktbaren Filmthema. Auch wenn das irgendwie zynisch ist: Es dürfte kein Zufall sein, dass dieser Film knapp ein Jahr nach dem Hurrikan in die Kinos kommt. Wie würde der Kaiser sagen: So ist's Business.
Dem Film selbst kann man das natürlich nicht vorhalten, denn der macht seine Sache erstaunlich gut, nicht nur was den an sich unoriginellen Grundplot betrifft. Regisseur Andrew Davis, der mit "Auf der Flucht" (1993) immerhin für eines der besten Action-Dramen überhaupt verantwortlich war, eröffnet seinen neuen Film mit zwei dicht aufeinander folgenden Action-Sequenzen zu stürmischer See, wobei gerade der für Ben so traumatisierende Crash dank der virtuosen Inszenierung nachhaltig Wirkung hinterlässt und das Publikum erfolgreich in den Film hinein zieht. Das ist gut gelöst, aber auch nötig, denn für die folgenden 90 Minuten spielt sich die "Action" fast ausschließlich in den Schwimmbädern des Ausbildungscamps ab und "The Guardian" entwickelt sich zu einem reinen Charakterdrama zwischen Lehrer und Zögling, das nicht selten an den Klassiker "Ein Offizier und Gentleman" erinnert.
Hier lebt der Film vor allem von seinem (schwer vermarktbaren, aber deshalb nicht weniger interessanten) Sujet, denn die Rettungsschwimmer der Küstenwache sind in der Tat speziell: Sie sind der einzige Zweig des US-Militärs, der nicht für Kampfeinsätze, sondern ausschließlich für Rettungsmissionen ausgebildet wird (in einer prägnanten Szene in einer Bar wird Jake genau deswegen von einem Navy-Soldaten verspottet). Sie sind übrigens auch die einzige Spezialeinheit dieser Art, für die Männer und Frauen in Frage kommen. Aus diesem Aspekt macht der Film leider nichts; zwar tauchen in Bens Rekruten-Klasse einige weibliche Gesichter auf, doch nur eine von ihnen bekommt überhaupt eine Sprechrolle, und unter den wenigen, die am Ende die knallharte Ausbildung überstehen, ist keine einzige Frau mehr. Es ist eben eine Männergeschichte, die hier erzählt wird, in der sich sowohl Ben als auch Jake mit den Folgen auseinandersetzen müssen, die ihr Beruf auf ihr Privatleben hat, und in der Frauen daher doch wieder nur als außenstehende Figuren von Relevanz sind.
Doch trotz altbackener Geschichte und Rollenbildern funktioniert "The Guardian" über weite Strecken erstaunlich gut, und das vor allem aus zwei Gründen: Erstens der ernsthaften Thematisierung der Frage, was diese Leute antreibt, die nach dem Motto "Damit andere leben mögen" zu unbeachteten Helden und Lebensrettern werden (und das ganz ohne bombastischen Soundtrack und amerikanische Fahnen im Wind), und zweitens Kevin Costner. Der alte Recke trägt und beherrscht diesen Film von der ersten Minute an, und darum ist es auch kein Wunder, dass "The Guardian" im etwas durchhängenden Mittelteil an Fahrt verliert, als der Fokus von Ben weggeht und Ashton Kutcher als Jake im Zentrum der Handlung steht. Der Comedy-Star versucht sich hier nach "Butterfly Effekt" zum zweiten Mal an einer dramatischen Rolle, und kann wieder nicht überzeugen. Er legt gerade zu Anfang soviel Arroganz und Egomanie in seine Rolle, dass man in Jake nicht mehr als einen oberflächlichen Schnösel vermutet (vielleicht zu viel vom echten Kutcher?), was sich im folgenden Verlauf zum echten Problem entwickelt. Denn als schließlich Jakes Hintergrundgeschichte und seine eigene Motivation, ein Rettungsschwimmer zu werden, ans Licht kommen, erhält die Figur eine tragische Tiefe, die Kutcher zuvor leider nicht einen Moment andeuten konnte, und die er auch danach weitgehend schuldig bleibt.
So ist es vornehmlich Costner überlassen, den Zuschauer bei der Stange zu halten, was ihm mit seiner vielschichtigen Figur und seinem erstaunlich gereiften Schauspiel (das schon in "The Upside of Anger" beeindruckte) auch in den Szenen gelingt, in denen er eigentlich nur zweite Geige für Kutcher spielt. Glaubwürdig und überzeugend transportiert Costner so die einfache und heldenhafte Geisteshaltung, welche die Rettungsschwimmer auszeichnet, und kann sich dabei auf ein ordentliches Drehbuch verlassen, das klug genug ist, auf allzu großspuriges Heldenvokabular zu verzichten (oder es anschließend ironisch zu brechen).
Einen ebenfalls durchweg starken Job macht Andrew Davis, der das ruhigere Charakterdrama, das den Großteil des Films ausmacht, ebenso versiert umzusetzen weiß wie die Action-Sequenzen zu Anfang und Ende. Er kann zwar auch nicht vermeiden, dass "The Guardian" insgesamt etwas zu aufgeblasen wirkt und mehr inhaltliche Straffung vertragen hätte, sorgt aber immerhin dafür, dass dieser Umstand nicht zu zwischenzeitlicher Langeweile führt (wie bei einem anderen, weitaus größeren See-Abenteuer dieses Kinojahres).
Etwas ärgerlich ist dagegen das Ende des Films: Nachdem man zwei Stunden ein unprätentiöses und glaubwürdiges Drama verfolgt hat, das ehrlich auch die ambivalenten Auswirkungen solch einer Berufung aufgezeigt und viele nahe liegende Klischees umschifft hat, macht die letzte Szene so einiges kaputt. Der Film ist eigentlich schon vorbei, hat seine Geschichte zu Ende erzählt, die Moral geliefert und ein schönes Schlussbild gefunden, da wird die Leinwand nach der vermeintlichen Abblende nochmal hell, und es folgt ein oberflächliches Happy End, das bei näherer Hinterfragung die Aussagen des halben Films über den Haufen wirft.
Das riecht mächtig angeklebt und unehrlich, weshalb man diese letzten 30 Sekunden am Besten sofort wieder vergessen sollte. Denn abgesehen davon hat man einen runden, gut umgesetzten Film gesehen, der ohne viel Brimborium eine stille und deshalb umso bessere Geschichte über leises Heldentum erzählt hat.
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